Wer kennt ihn nicht, den vor rund 30 Jahren von Ernő Rubik erfundenen Zauberwürfel. Der schnellste Mensch der Welt benötigt zum Lösen nur unglaubliche 4,9 Sekunden. Doch es geht noch deutlich schneller. In einer Fabelzeit von 637 Tausendstelsekunden schaffte die Maschine Sub1 Reloaded jüngst auf der Fachmesse electronica das Drehpuzzle.
Um ein derart komplexes Rätsel maschinell zu entschlüsseln, ist nicht nur ein flinker Motor vonnöten, sondern vor allem eine enorme Rechenleistung. Diese lieferte bei dem Gerät ein Mikrocontroller der Aurix-Familie von Infineon.
Die Chips wurden allerdings nicht vorrangig zum Spielen entwickelt, sie sind vielmehr Schlüsselkomponenten für das automatisierte und elektrifizierte Fahrzeug. Die Autoindustrie ist neben dem Energiebereich der Wachstumstreiber im Konzern. Knapp 40 Prozent der Umsätze und einen großen Teil der Gewinne erzielt Infineon im Automobilbereich. In einem herkömmlichen Pkw stecken mittlerweile Chips im Wert von rund 330 Dollar. Im Zuge neuer Technologien werden noch erheblich mehr Halbleiter benötigt. "Wir rechnen damit, dass für ein autonomes Auto noch einmal 500 bis 700 Dollar on top kommen. Das kann in Einzelfällen je nach Fahrzeug bis 1000 Dollar hochgehen", sagt Infineon-Vorstandschef Reinhard Ploss.
Gute Wachstumsaussichten also für die Münchner. Dass bereits heute das Geschäft rundläuft, zeigen die Zahlen zum abgelaufenen Geschäftsjahr 2015/16 (30. September). Der Überschuss legte um gut 17 Prozent und damit deutlich stärker zu als der Umsatz. Bei der Marge sieht Ploss aber noch Luft nach oben und erhöhte die Prognose bei der Bilanzvorlage. Mittelfristig wird eine operative Rendite von 17 Prozent angepeilt, zwei Prozentpunkte mehr als bisher. Unter günstigen Bedingungen könnte es bereits im Geschäftsjahr 2017/18 so weit sein. Wir heben Stopp und Ziel an.
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Die Wende ist geschafft
Was die Rahmenbedingungen für die Halbleiterbranche betrifft, hat Marktforscher Gartner eine positive Nachricht für Infineon und Co parat. Nachdem sich der Chipmarkt 2015 leicht rückläufig entwickelt hatte, gelang der Branche im vergangenen Jahr mit einem Umsatzplus von 1,5 Prozent das Comeback. Insbesondere die zweite Hälfte sorgte für das gute Abschneiden. Der Trend soll anhalten: Die Experten gehen davon aus, dass der Sektor 2017 einen Umsatz von 364 Milliarden Dollar erzielen wird. Dies entspräche im Vergleich zum Vorjahr einem Wachstum von 7,2 Prozent. Als Hoffnungsträger für diese Prognose hat Gartner die Automobilindustrie und den Speichermarkt identifiziert. Dagegen werden die traditionellen Segmente wie das PC- und Smartphone-Geschäft weiterhin nur langsam vorankommen. Der Marktforscher rät den Herstellern daher, neue Geschäftsmöglichkeiten wie etwa im Bereich "Internet der Dinge" zu suchen.
In diesem Zukunftsmarkt versucht Branchenprimus Intel sich gerade zu etablieren. Anfang des Jahres hat das Unternehmen eine kreditkartengroße Computerplattform für das Internet der Dinge vorgestellt, mit der sich verschiedenste Geräte vernetzen lassen. Die Karte soll bereits Mitte 2017 auf den Markt kommen. Auch den Bereich autonomes Fahren hat der Chipriese bereits für sich entdeckt. Um sich in diesem Markt zu positionieren, beteiligte sich die Firma mit Sitz im kalifornischen Santa Clara kürzlich an dem Kartendienst Here. Hochauflösende Karten sollen durch diese Partnerschaft schon bald echtzeitnah zur Verfügung stehen.
Das Brot-und-Butter-Geschäft des Branchenprimus sind aber einstweilen noch klassische Halbleiter. Und in diesem Bereich konnte Intel im vierten Quartal punkten. Aufgrund eines besser laufenden PC-Markts sowie Zuwächsen im Geschäft mit Datenzentren schlug sich das Unternehmen bei Umsatz und Gewinn besser als vom Markt erwartet. Die Intel-Aktie zählt ebenso wie Infineon zu unseren Favoriten im Chipsektor.
Auf unserer Kaufliste sind aber noch weitere Titel aus der Branche zu finden, etwa der US-Konzern Texas Instruments sowie die niederländische Firma STMicroelectronics. Beide profitieren von der boomenden Autoindustrie sowie von Produkten für die zunehmende Digitalisierung industrieller Prozesse und konnten die Analystenschätzungen für das Schlussviertel 2016 übertreffen. STMicroelectronics blickt zudem optimistisch nach vorn. Konzernlenker Carlo Bozotti rechnet im ersten Quartal mit einem weiteren Wachstum von satten 12,5 Prozent. Die Bruttomarge soll rund 37 Prozent betragen. Zum Vergleich: Im Gesamtjahr 2016 wies der Konzern "nur" eine Rendite von 35,2 Prozent aus. "Der Ausblick für das erste Jahresviertel ist besser als üblich und liegt beim Umsatz sowie der Marge über den Marktschätzungen", beurteilt Baader-Bank-Analyst Günther Hollfelder die aktuelle Lage.
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Das Übernahmekarussell dreht sich
Ein weiterer Kurstreiber in der Branche ist die permanente Übernahmefantasie. Zuletzt drehte sich das Fusionskarussell nämlich immer schneller: So schnappte sich kürzlich etwa Broadcom für 5,5 Milliarden Dollar den Ausrüster Brocade. Die Übernahme des niederländischen Chipherstellers NXP durch den US-Konkurrenten Qualcomm war mit einem Volumen von 47 Milliarden Dollar noch deutlich größer.
Unsere Einschätzung für die Aktien der beiden Aufkäufer fällt allerdings zweigeteilt aus: Während wir für Broadcom unsere Kaufempfehlung aufrechterhalten, sollten Anleger bei Qualcomm vorerst an der Seitenlinie bleiben. Das Unternehmen schlägt sich derzeit mit einer Vielzahl an Rechtsstreitigkeiten herum. Unter anderem verklagt Apple den drittgrößten Halbleiterhersteller der Welt wegen unfairen Wettbewerbs auf Schadenersatz in den USA sowie in China.
Ebenfalls nur ein "Beobachten"-Rating bekommt Xilinx. Während der US-Konzern mit seinen zuletzt vorgelegten Zahlen die Erwartungen nicht übertreffen konnte, klaffen Bewertung und Wachstum immer weiter auseinander. Laut Instinet-Analyst Romit Shah handelt Xilinx im Vergleich zu seinen Wettbewerbern mit einer Prämie von 65 Prozent. Darüber hinaus glaubt Shah nicht, wie zuletzt am Markt spekuliert, an eine Fusion von Xilinx und dem derzeitigen Überflieger Nvidia.
Mit Nvidia sind wir wieder zurück am Anfang: in der Spielewelt. Auch in diesem Bereich nehmen Chips eine immer wichtigere Rolle ein. So sorgt der Bereich Virtual Reality in der Branche derzeit für einen neuen Schub. Einer der größten Gewinner in diesem Bereich ist Nvidia mit seinen Grafikkarten. Das lässt sich sowohl in der Bilanz als auch am Aktienkurs ablesen: Letzterer hat sich auf Sicht von einem Jahr mehr als verdreifacht.
Das Unternehmen zählt zu den weltweit größten und auch erfolgreichsten Entwicklern von Grafiktechnologien und Chipsätzen für Computer und Spielkonsolen. Um auf Wachstumskurs zu bleiben, setzt Nvidia auch auf Zukunftstrends wie Künstliche Intelligenz. In diesem Bereich fällt nämlich der Rechenleistung eine entscheidende Rolle zu. Erst im vergangenen Herbst stellte Nvidia zwei neue Prozessbeschleuniger für das "Supercomputing" vor, die Ende 2016 in den Verkauf gingen.
Experten zufolge könnte die Firma ihren Umsatz bis 2020 verdreifachen, sollte sie ihren Marktanteil im professionellen Segment für Grafikprozessoren aufgrund des Wachstums im Künstliche Intelligenz-Markt behaupten. Folglich könnte die Aktie ihre Klettertour durchaus noch weiter fortsetzen.