Nicht nur mit Satirikern, auch mit seinen Notenbankchefs gerät Tayyip Erdogan in Konflikt. Vor allem, wenn diese sich seiner Aufforderung nach Zinssenkungen widersetzen. Entgegen der Lehrmeinung ist nach Ansicht des türkischen Staatspräsidenten ein hoher Leitzins das falsche Mittel, um inflationäre Tendenzen abzuwenden. Vielmehr werde so die Geldentwertung vorangetrieben. Hohe Zinsen, sagt Erdogan, seien aber auch ungerecht und grausam. Nur ausländische Investoren würden von der "Waffe des Kolonialismus" profitieren.

Die Anleger wiederum leiten aus Erdogans sich wiederholender heftiger Kritik an den Zentralbankchefs - Emre Basci etwa wurde Verrat vorgeworfen - Gefahren für die Unabhängigkeit der Institution ab. Mit Spannung wurde daher erwartet, wer Basci im Amt folgen würde. Auf die Entscheidung für Murat Cetinkaya, dem bisherigen Vizechef der Notenbank, reagierten ausländische Investoren zunächst einmal erleichtert. Der neue Zentralbankchef gilt - bislang jedenfalls - nicht als Erdogan ergeben. Dennoch könnte er einen etwas lockeren Kurs in der Geldpolitik fahren, zumal die Inflationsrate zuletzt wieder gesunken ist.

Die Ernennung Cetinkayas dürfte weitere Investoren motivieren, an den Bosporus zurückzukehren. Hatten sie im vergangenen Jahr noch massiv Gelder abgezogen, investierten sie im Januar 100 Millionen, im Februar 300 Millionen Dollar und im März bereits eine Milliarde Dollar. Mit einem Plus von über 15 Prozent seit Jahresanfang lässt die Börse in Istanbul mittlerweile die Finanzplätze der Industriestaaten und anderer Schwellenländer weit zurück. Der MSCI Emerging Markets bringt es auf rund sechs Prozent.

Günstige Bewertungen



Trotz der Rally in Istanbul sind die Bewertungen türkischer Titel immer noch niedriger als der Durchschnitt von Schwellenländeraktien. Für den Einstieg spricht aber auch eine wieder anziehende Konjunktur. Für 2016 erwartet die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ein Plus des Bruttoinlandsprodukts von vier Prozent. Die Türkei zählt damit zu den am stärksten wachsenden Mitgliedsstaaten der OECD.

Mit dem iShares MSCI Turkey können Anleger kostengünstig und breit diversifiziert einsteigen. Der Indexfonds bildet die Wert-entwicklung türkischer Aktien mit hoher und mittlerer Marktkapitalisierung ab. Finanzwerte wie die Turkiye Garanti Bankasi oder die Turkiye Halk Bankasi sind mit rund 45 Prozent gewichtet. Der relativ hohe Anteil des Bankensektors birgt jedoch Gefahren und ist Auslöser für immer wieder auftretende Phasen intensiver Schwankungen am Aktienmarkt. Da die Sparquote türkischer Bürger relativ niedrig ist, sind die Institute auf ausländisches Kapital angewiesen, um Kredite an Unternehmen weitergeben zu können. Zuflüsse aus dem Ausland aber hängen zu einem großen Teil vom geldpolitischen Kurs der Notenbank und der Stabilität der türkischen Währung ab. Ein zu schwacher Lirakurs kann daher die Kurse von Banktiteln belasten.

Den Risiken stehen aber gute Chancen gegenüber. Solche ergeben sich derzeit speziell im Industriebereich. Der Anteil im iShares MSCI Turkey beträgt rund 13 Prozent. Die Branche profitiert aktuell von einer wieder anziehenden Nachfrage aus dem Ausland. Unternehmen wie der Stahlproduzent Eregli Demir, der Hausgerätehersteller Arcelik sowie der Bauriese Enka Insaat nutzen zudem die sich aus der Aufhebung westlicher Sanktionen gegenüber dem Nachbarland Iran ergebenden Möglichkeiten.