"Politische Börsen haben kurze Beine", lautet eine Börsenweisheit. Negative politische Ereignisse belasten demnach Aktienkurse nur kurz. Langfristig sind Wirtschafts- und Ergebnisentwicklung entscheidend. In Israel bewahrheitet sich dieser Spruch derzeit aber nicht. Denn obwohl den beiden entscheidenden Politikern Benjamin Netanjahu und Benny Gantz seit April keine Regierungsbildung gelingt, läuft es für israelische Aktien rund.
Der Leitindex Tel Aviv 125 hat jedenfalls jüngst einen seit 2015 vorherrschenden Seitwärtstrend beendet und neue Rekorde aufgestellt. Den Kursanstieg flankiert eine Wirtschaft, die in diesem und im kommenden Jahr mehr als drei Prozent wachsen dürfte. Auch das langfristige Wachstumspotenzial liegt laut Notenbank Bank of Israel bei drei Prozent. Solide liest sich außerdem ein vom Analystenkonsens für 2020 und 2021 erwartetes Gewinnwachstum von jeweils neun Prozent.
Günstige Bewertungen
Interessant an der Ausgangslage sind auch die recht niedrigen Aktienbewertungen. Israel belegt unter 40 einbezogenen Ländern in einer vom Vermögensverwalter Star Capital erstellten Rangliste den fünften Platz. Bewertet wurden dabei das zyklisch geglättete Shiller-KGV, das "normale" Kurs-Gewinn-Verhältnis, das Kurs-Cashflow-Verhältnis, das Kurs-Umsatz-Verhältnis, das Kurs-Buchwert-Verhältnis und die Dividendenrendite sowie die Relative Stärke nach Levy.
Dazu passt auch der Hinweis der Société Générale, wonach die Risikoprämie in Israel derzeit ungewöhnlich hoch ist. Das heißt, Aktien sind gegenüber Anleihen deutlich unterbewertet. Wobei noch hinzukommt, dass Volkswirte erwarten, dass die Notenbank erstmals seit vier Jahren wohl schon bald auf einen Zinssenkungskurs einschwenken wird.
Trotzdem gibt es auch in Israel Herausforderungen und Probleme. Dazu zählen neben dem Politikpatt die ständige Kriegsgefahr sowie das Risiko einer stärkeren Verwicklung in den Konflikt zwischen den USA und dem Iran. Als weiteres Problemfeld sieht die Außenwirtschaftsgesellschaft Germany Trade & Invest (GTAI) die Arbeitsproduktivität: Die liegt in Israel um rund ein Viertel unter dem OECD-Durchschnitt - ein Durchschnittswert. Es gibt auch hocheffiziente Sektoren, etwa den Hightechsektor, in dem allerdings nur neun Prozent aller Beschäftigten zu finden sind.
Heimat innovativer Unternehmen
Israels Hochtechnologie ist auch sehr innovationsfähig. So gibt es gut 360 Forschungs- und Entwicklungszentren, die ausländische Unternehmen in Israel unterhalten. Dass Techaktien mit Israel- Bezug gefragt sind, zeigt sich auch am BlueStar Israel Global Technology Index. Diese Benchmark für in innovativen Branchen tätige Unternehmen hat 2019 bereits um rund 33 Prozent zugelegt. In dem Kursbarometer sind auch unsere vier Kauftipps enthalten. Zwei davon empfahlen wir bereits in Ausgabe 30/2015. Bei Kornit Digital passierte das damals zu Kursen von 13 Euro. Der Titel notiert inzwischen deutlich höher, bietet aber noch immer Potenzial. Denn der Anbieter von Digitaldruckmaschinen für Textilien ist mit dem umweltfreundlichen NeoPigment-Druckverfahren führend beim digitalen Direktdruck. Analysten scheinen das ähnlich zu sehen, rechnen sie beim Gewinn je Aktie von 2018 bis 2021 doch mit einem starken Anstieg von 0,42 auf 1,65 Dollar.
Der zweite Favorit ist Elbit Systems. Auch hier hat die Notiz gegenüber den 75,50 Euro bei der Erstbesprechung klar zugelegt. Doch der überzeugende Geschäftsgang des Luft- und Raumfahrt- sowie Elektronikkonzerns verspricht Luft nach oben. Die starke technologische Stellung zeigt sich zum Beispiel im stark gestiegenen Auftragsbestand. Im Oktober gab es etwa Vertragsabschlüsse mit dem Militär in der Schweiz sowie in Portugal.
Eine Kaufempfehlung verdient hat sich auch Nice. Dahinter steckt ein Anbieter von Softwarelösungen für Qualitäts-, Workforce- und Customer-Management sowie Sprachaufzeichnung und Sprachanalyse in Callcentern. Besonders viel Potenzial verspricht aber die Prozessautomatisierung, wo es darum geht, Routinearbeiten von Robotern erledigen zu lassen. Analysten halten auf Sicht von fünf Jahren jährliche Gewinnzuwächse von 13,6 Prozent für möglich.
Auch spannend: Camtek, ein Nebenwert, der anhaltendes Wachstum verspricht. Camtek ist Hersteller von Mess- und Prüfmitteln sowie Anbieter von Softwarelösungen für die Bereiche Advanced Packaging, Memory, CMOS-Bildsensoren, MEMS, RF und andere Segmente der Halbleiterindustrie. Das Unternehmen hat den Umsatz in den vergangenen drei Jahren verdoppelt und traut sich genau das auch in den nächsten drei Jahren zu. Passend zu dieser Perspektive ist der Kurs Ende Oktober auf eine neue Bestmarke vorgerückt.