Bei einem Nein-Referendum ist bis zum Wahltag Euro-politische Verunsicherung zu erwarten, die auch andere überschuldete Euro-Staaten in Sippenhaft nimmt. Wie schlecht ist die wirtschaftliche Lage Italiens? Welche Gefahren gehen von einer unsicheren römischen Politik für die Finanzmärkte aus und welche Rettungsmaßnahmen sind für Italien im Bedarfsfall zu erwarten?

Italiens Wirtschaft ohne Substanz



Eine konjunkturelle Erholung Italiens wird durch eine schwache Wettbewerbsfähigkeit konsequent verhindert. Die bereits deutliche Investitionszurückhaltung von Unternehmen wird jedoch völlig einbrechen, sollte Italiens wirtschaftsreformbereiter Regierungschef Renzi das mit seiner politischen Zukunft verknüpfte Referendum über die Verwaltungsreform am 4. Dezember verlieren. Anschließend dürfte der Stillstand Italiens festgeschrieben sein. Denn dann ist bei einer vermutlich im Frühjahr 2017 anstehenden Neuwahl mit einer Stärkung Euro-kritischer Parteien zu rechnen, für die ein Euro-Austritt kein Tabu ist und Wirtschaftsreformen sogar neoklassisches Teufelszeug sind. In diesem Szenario wird sich die kürzliche Erholung der italienischen Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende und Dienstleistungsgewerbe nicht fortsetzen.



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Der Anstieg der Risikoaufschläge 10-jähriger italienischer Staatsanleihen gegenüber deutschen Staatspapieren dokumentiert seit September 2016 das gestiegene politische Risiko in Rom. Der bereits aus früheren Krisenzeiten bekannte Ansteckungseffekt ist aktuell auch wieder bei spanischen und französischen Staatspapieren zu beobachten. Immerhin, zur finanzwirtschaftlichen Besänftigung kündigte die EZB bereits eine vorübergehende Ausweitung von Käufen italienischer Anleihen an.



Die angekündigten Maßnahmen der EZB verfehlen ihre beruhigende Wirkung auch an den europäischen Aktienmärkten nicht. Diese Rettungsdroge hat den italienischen Leitindex FTSE MIB kräftig gestützt. Dennoch ist er im Vergleich zu den Aktienindices der Eurozone seit Anfang 2016 ein klarer Underperformer.



Italiens Banken ohne ausreichendes Eigenkapital



Markantestes Symbol der italienischen Wirtschaftskrise ist die Bankenschwäche. Die Banca Monte dei Paschi di Siena stößt mit ihrer geplanten Kapitalerhöhung in Höhe von 5 Mrd. Euro bislang auf wenig Interesse bei Privatinvestoren. Jetzt rächt sich bitter, dass es der italienische Bankensektor und die Regierung in besseren Kapitalmarktjahren verpasst haben, nötige Kapital- und Strukturmaßnahmen durchzuführen. Italiens Banken verfehlen mehrheitlich die von der Bankenaufsicht geforderte Kernkapitalquote von 10,75 Prozent. Es fehlt die Basis für dringende Abschreibungen. Denn immer noch ist jeder fünfte italienische Kredit faul.

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Ein erfolgloses Referendum nährt die Gefahr eines "Italexit"



Ein abgelehntes Referendum und die bis zur Neuwahl entstehende Verunsicherung, gepaart mit politischer Handlungsunfähigkeit würden die Krisenbereinigung des italienischen Bankensystems aus sich selbst heraus erheblich verzögern. Und die Gefahr einer neuen Euro-kritischen Regierung, die auch vor der Verstaatlichung der Kreditinstitute nicht zurückschreckt, macht eine privatwirtschaftliche Sanierung der Banken unmöglich.

Zur Bankensanierung ist gemäß dem Regelwerk der Europäischen Bankenaufsicht zunächst grundsätzlich eine Haftung der Bankgläubiger - konkret Aktionäre und Inhaber von Konten, Sparbriefen und Bankanleihen - vorgesehen. Die Steuerzahler sollen erst als letzte Instanz zur Haftung herangezogen werden. Diese Art Bankensanierung lässt sich angesichts der wirtschaftlich schlechten Stimmung italienischer Wähler unmöglich umsetzen. Denn laut EZB befinden sich rund 80 Prozent aller Schuldenschnitt-fähigen italienischen Bankanleihen in italienischem Besitz. Die Bankensanierung führt bei ihnen 1:1 zur Vermögensstreichung. Eine sich danach endgültig festsetzende Euro-feindliche Stimmung wäre bei der Neuwahl Wasser auf die Mühlen der italienischen Anti-Euro-Bewegung.



Auf Seite 4: Die letzten europäischen Stabilitätshüllen fallen, damit das Römische Krisen-Reich keine Chance hat





Die letzten europäischen Stabilitätshüllen fallen, damit das Römische Krisen-Reich keine Chance hat



Aus sozial- und wahlpopulistischen Beweggründen führt insofern kein Weg an einer unkonventionellen Bankenrettung in Italien vorbei. Der Zusammenhalt der Eurozone genießt (geld-)politisch oberste Priorität. Zu diesem Zweck wird die europäische Politik einen erneuten Bruch des Stabilitätspakts und der Bankenunion ohne stabilitätspolitische Skrupel in Kauf nehmen. Zunächst könnten italienische Banken regelwidersprechend mit Staatsgarantien gestützt werden.

Die EZB könnte das Abschreibungs- bzw. Eigenkapitalproblem italienischer Banken aber auch über die Hintertür lösen. Sie könnte einen umfangreichen Aufkauf von Not leidenden italienischen Unternehmens- und Bankanleihen praktizieren. Auch die Verbriefung von uneinbringlichen Bankkrediten mit anschließender Veräußerung an die Notenbank ist eine mögliche Rettungsvariante. Ein unberechenbarer Dominoeffekt auf andere europäische Banken, die mit italienischen geschäftlich verbunden sind - d.h. ein europäischer Lehman-Effekt - muss unbedingt verhindert werden. Dazu ist jedes auch instabile Mittel recht.



Auf Seite 5: Marktlage und Anlegerstimmung - Weltkonjunkturelle Vision ohne geldpolitische Ernüchterung





Marktlage und Anlegerstimmung - Weltkonjunkturelle Vision ohne geldpolitische Ernüchterung



Kommt es beim italienischen Referendum zu einem "Nein"-Votum und einem Rücktritt Renzis, wird sich die EZB nicht nur der direkten Bankenrettung annehmen, sondern auch indirekt "Wahlwerbung" pro Eurozone betreiben. Zinsgünstige Finanzierungen von staatlichen italienischen Konjunktur- und Sozialprogrammen sollen die Wähler wieder von Europa überzeugen. Damit soll insbesondere auch einem Ausstrahlen der italienischen Krise auf Deutschland, die Niederlande und Frankreich vorgebeugt werden, wo 2017 ebenfalls gewählt wird. Eine noch großzügigere Staatsschuldenaufnahme von Italien, aber auch Frankreich und anderen prekären Euro-Ländern ist abzusehen. Die geldpolitische Rettung geht in die nächste Runde. Stabilität wird neu definiert: Es geht um die Stabilität der Eurozone, nicht mehr um Finanzstabilität. Für eine Zinswende in Europa spricht insofern nichts.

Diesem politischen Unsicherheitsfaktor für die Aktienmärkte steht immerhin ein wachsender weltkonjunktureller Optimismus gegenüber. Vor dem Hintergrund der von den Trumponomics ausgehenden Wachstumsphantasien hat die OECD ihre Prognosen für die US-Konjunktur und über ein insofern gestärktes Importwachstum auch für die Weltwirtschaft für 2017 und 2018 angehoben: USA 2,3 nach 1,9 bzw. 3,0 nach 2,2 Prozent; Welt: 3,3 nach 3,2 bzw. 3,6 nach 3,3.

Diese Einschätzung bestätigt auch der Aufwärtstrend des ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe. Mit der dritten Verbesserung in Folge auf 53,2 nach zuvor 51,9 lässt die US-Industrie ihre Schwächephase allmählich hinter sich. Der steigende Konjunkturoptimismus schlägt sich bereits in einer fortgesetzten Stabilisierung des US-Aktienmarkts nieder.



Auf Seite 6: Gewinnwachstum USA, Eurozone, Deutschland und Aktienmärkte der Schwellenländer und Industriemetallindex sowie Ölpreis Brent





Neben einem politischen, entwickeln sich die USA damit auch zu einem wirtschaftlich sicheren Hafen. Tatsächlich schwenken die Gewinne von US-Aktien nach knapp zwei Jahren wieder auf Wachstumskurs ein. Im Gegensatz dazu setzt sich die Gewinnschrumpfung in der Eurozone und Deutschland - wenn auch mit verminderter Tendenz - fort. Eine weitere Outperformance von US-Aktien ist zu erwarten.



Zu einer verbesserten wirtschaftlichen Stimmung trägt ebenso die Erholung der Rohstoffpreise bei. Hierüber stabilisiert sich die weltkonjunkturelle Kaufkraft der Rohstoffländer, deren Positiveffekte sich in einer wieder festeren Aktienmarktentwicklung in Russland, Brasilien und Saudi-Arabien widerspiegeln.



Auf Seite 7: Wertpapierkredite an der Shanghai Stock Exchange und Shanghai Composite Aktienindex





Die Opec hat auf ihrem Treffen in Wien der Kraft des Faktischen nachgegeben. Der Druck schwacher Staatseinnahmen durch niedrige Ölpreise - mittlerweile weist selbst Saudi-Arabien Haushaltsdefizite aus - hat nach langem Ringen zu einer Produktionsdrosselung um 1,2 Mio. auf insgesamt 32,5 Mio. Barrel täglich geführt. Selbst Nicht-Opec-Mitglieder sind zu Kürzungen bereit. Saudi-Arabien trägt die Hauptlast der Förderkürzung, um der starken Konkurrenz aus dem Iran Produktionsniveaus auf dem Niveau vor Beginn der Sanktionen zu gestatten. Diese Maßnahmen würden zwar theoretisch das Überangebot am Ölmarkt im ersten Halbjahr 2017 ausgleichen.

Praktisch ist dann jedoch das Verfallsdatum des Deals erreicht, der zunächst nur auf ein halbes Jahr beschränkt ist. Ohnehin lassen sich Förderkürzungen nicht kontrollieren, selbst wenn die Produktionskürzungen auf die jeweiligen Ölländer heruntergebrochen werden. Die Förderdisziplin der Opec ist historisch betrachtet schwach ausgebildet. Und auch Russland hält sich mit konkreten Details zur Förderkürzung zurück. So nennt das Land z.B. nicht den Stand seiner augenblicklichen Ölproduktion. Transparenz in der Ölförderung sieht anders aus.

Zudem lassen steigende Ölpreise auch US-Fracking-Unternehmen leichter ihre Gewinnschwelle bei ca. 50 US-Dollar erreichen, was für ein verstärktes Ölangebot von dieser Seite sorgt. Abgesehen von einem primären Preisimpuls, der aus der ersten Förderkürzung der Opec seit 2008 herrührt, bleibt insgesamt ein nachhaltiger Ölpreisanstieg fraglich.

Auch der chinesische Aktienmarkt sendet wieder Hoffnungssignale. So sind die Wertpapierkredite an der Shanghai Stock Exchange auf den höchsten Wert seit Ende Januar angestiegen. Damit konnte der Shanghai Composite Aktienindex mittlerweile seine psychologisch wichtige Marke von 3.000 Punkten deutlich hinter sich lassen.



Befürchtungen, dass die internationale Geldpolitik auf die weltkonjunkturellen Verbesserungen konsequent reagiert, sind selbst dann nicht zu befürchten, wenn die offizielle Inflation steigen sollte. Die dramatische Überschuldung der Welt verhindert eine restriktive Geldpolitik à la Deutsche Bundesbank. Die Fed mag im nächsten Jahr zwar noch zwei weitere Zinserhöhungen durchführen. Diese sind jedoch bereits eingepreist. Dann jedoch ist die schwächste Leitzinswende in den USA abgeschlossen, um den US-Aufschwung nicht zu gefährden. Und in Europa verbietet sich 2017 konjunkturell, aber auch angesichts des politischsten Jahres aller Zeiten jede geldpolitische Restriktion.

Auf Seite 8: Charttechnik Dax und Wochenausblick KW49





Charttechnik DAX - In schwerem Fahrwasser



Charttechnisch liegen beim DAX die ersten Widerstände bei 10.492 und 10.535 Punkten. Darüber liegt die nächste Hürde bei 10.735 Punkten, gefolgt von einer markanten Barriere bei 10.802. Wird diese nachhaltig durchbrochen, treten weitere Widerstände bei 11.055 und 11.187 in den Vordergrund. Setzt sich die Korrektur beim DAX fort, liegen weitere Haltelinien bei 10.383 sowie darunter bei 10.317 Punkten.

Der Wochenausblick für die KW 49 - Stimmen die Italiener für oder gegen Italien ab?



Neben der Bundespräsidentenwahl in Österreich - theoretisch hat der österreichische Bundespräsident deutlich mehr Befugnisse als sein deutsches Pendant - gilt die größte Aufmerksamkeit der Anleger dem bevorstehenden Referendum in Italien.

In den USA setzt sich die Stimmungsstabilisierung im Dienstleistungsgewerbe laut ISM Index fort, während sich auch das von der University of Michigan veröffentlichte Konsumentenvertrauen wieder freundlicher zeigt. Ein Anstieg der Auftragseingänge in der US-Industrie ist vor allem auf den Anstieg schwankungsanfälliger Großaufträge zurückzuführen, so dass noch nicht von einer nachhaltigen Verbesserung in der US-Industrie gesprochen werden kann.

In Deutschland sind die "harten" Konjunkturdaten "Auftragseingänge Industrie", "Industrieproduktion" und "Exporte" für Oktober Beweise für den noch verhaltenen Zustand der Weltwirtschaft.

In China unterstreichen die Import- und Exportdaten für November eine zwar stabile, aber vergleichsweise schwache Außenhandelsposition.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.