Federico Ghizzoni geht mal wieder leer aus. Auch für 2013 - zum dritten Mal in Folge - bekommt der 58-jährige Chef von Unicredit keinen Bonus. Immerhin ist er nicht allein: Der gesamte Vorstand verzichtet auf einen Gehaltsaufschlag. Die Entscheidung sei unabhängig von der Leistung Einzelner getroffen worden, ließ die Bank wissen, mit Blick auf den "gesamten Kontext".

Der Beschluss, Aktionäre und Öffentlichkeit lieber nicht mit hohen Boni zu verärgern, hat seinen Grund. Denn der Kontext bei Unicredit 2013 heißt: 13,7 Milliarden Euro Abschreibungen, 14 Milliarden Euro Verlust, ein beispielloses Minus in der Firmengeschichte. Nur die Aktie steigt seit Monaten, als wäre nichts geschehen - so wie jene der Konkurrenten.

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Unglaubliche Kursgewinne

Lange abgestraft in der Eurokrise feiern Italiens Banken mit Kursgewinnen von teils über 30 Prozent seit Jahresbeginn ein Comeback an den Börsen. Intesa Sanpaolo erreichte gar das größte Plus im europäischen Bluechipindex Euro Stoxx 50 - nach einem Verlust von fast 4,6 Milliarden Euro 2013. Mit der Rally steigen die Bewertungen der Aktien stetig. Doch setzen Investoren zu Recht auf immer höhere Kurse?

Hinter der Aufholjagd steckt die Hoffnung auf ein Ende der Eurokrise, die Italien die schlimmste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg beschert hat. Unzählige Verbraucher und Firmen können ihre Kredite teils oder gar nicht bedienen und sorgen für milliardenschwere Ausfälle bei den Banken. Das Abflauen der Schuldenkrise, spekulieren Großanleger, könnte nun die Trendwende einläuten. So stieg zuletzt die Investmentfirma Vanguard bei der Krisenbank Monte dei Paschi ein. Größter Aktionär ist dort der Vermögensverwalter Blackrock - ebenso wie bei Unicredit.

Tatsächlich deuten einige Frühindikatoren auf eine Konjunkturerholung in Italien hin. Der Geschäftsklimaindex der Industrie kletterte im April auf ein Dreijahreshoch, das Verbrauchervertrauen erreicht den höchsten Stand seit 2010. Die EUKommission erwartet, dass die Wirtschaft dieses Jahr um 0,6 Prozent wächst und 2015 doppelt so stark.

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Milliarden in Problemkrediten

Noch aber wirkt sich das nicht auf der größten Baustelle von Italiens Banken aus: Im Februar stieg das Volumen der Problemkredite in ihren Bilanzen weiter - auf mehr als 160 Milliarden Euro. Das zwingt die Institute zu hohen Abschreibungen und Rückstellungen für Ausfälle.

Der Druck auf die Bilanzen dürfte nur langsam weichen. Die Arbeitslosenquote etwa verharrt nahe ihres Rekordhochs. Bis die Konjunkturerholung ankommt, vergeht Zeit.

Tim Friebertshäuser, Manager des globalen Finanzwertefonds DWS Financials, glaubt daher, dass das Volumen der Problemkredite noch steigt. Allerdings mit sinkenden Raten: "Die Zuflüsse nehmen ab. Das deutet darauf hin, dass der Höhepunkt der Kreditausfälle überschritten ist." Der italienische Banksektor sei auf einem guten Weg, sagt Friebertshäuser. Er hat die Branche des Landes im Fonds gegenüber dem Vergleichsindex übergewichtet.

Auf kurze Sicht droht manchen Instituten indes Unheil aus der Ukraine. Gerade Unicredit würde unter einer Eskalation der Krise leiden: Die Bank ist mit drei Milliarden Euro in dem Land engagiert, zudem steht die Russland-Tochter unter Druck. Konkurrent Intesa dagegen muss kaum Einbußen fürchten, auch wenn der Verkauf der Ukraine- Tochter Schwierigkeiten bereitet.

Von der politischen Lage in Italien - in der Eurokrise ein steter Brandherd - geht kaum Gefahr aus. Unter dem neuen Regierungschef Matteo Renzi sind die Machtverhältnisse stabil. Ohnehin hingen die Banken in erster Linie von der Konjunktur ab, sagt Matteo Ramenghi, Analyst bei UBS. Eine schwächere Erholung schlage sich über Kreditausfälle direkt in den Bilanzen nieder. Bei einem stärkeren Aufschwung könnten hingegen die Zinserlöse steigen und Rückstellungen schrumpfen. Experten schätzen, dass sich die Eigenkapitalrenditen italienischer Banken dieses Jahr im einstelligen Bereich normalisieren - viel weniger als bei nordeuropäischen Instituten, aber ein erster Schritt zur Besserung.

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Heilsamer Kahlschlag

Den anstehenden Bankenstresstest der EZB fürchten die meisten Analysten nicht - im Gegenteil: Er zwingt zum überfälligen Aufräumen. Denn anders als spanische Geldhäuser, die nach dem Platzen der Immobilienblase ums Überleben kämpften, hinken Italiens Banken bei der Konsolidierung hinterher.

Nun setzen sie zum Kahlschlag an. Intesa schrieb 2013 nur deshalb Verlust, weil Konzernchef Carlo Messina milliardenschwere Abschreibungen ins letzte Quartal packte und die Risikovorsorge hochschraubte. Und Unicredit-Chef Ghizzoni bekannte, dass er vor dem Test so viele Altlasten wie möglich ins alte Jahr buchen wollte - was die Börse als Befreiungsschlag bejubelte. 2014 peilen beide Banken Milliardengewinne an.

Und das Reinemachen geht weiter. Unicredit und Intesa verhandeln mit Finanzinvestoren, um faule Wertpapiere auszulagern. Monte dei Paschi und die Mailänder Banca Populare wollen sich zudem frisches Geld besorgen. Bis Sommer stehen branchenweit Kapitalerhöhungen über acht Milliarden Euro an. Eigenkapitallöcher im Zuge des Stresstests erwarten Experten daher nur bei kleinen, ertragsschwachen Häusern.

Auch auf die Börse könnte sich die Prüfung trotz mancher Nervosität positiv auswirken: Nach bestandenem Test kann die EZB soliden Häusern erlauben, Dividenden zu erhöhen und Aktien zurückzukaufen. Das stützt die Kurse - ebenso wie Erfolgsmeldungen im Vorfeld. "Dass die Banken vermehrt Nachrichten von Verkäufen oder Auslagerungen wertberichtigter Kredite veröffentlichen, dürfte am Markt für eine freundlichere Stimmung sorgen", schreiben Analysten der DZ Bank.

So stehen die Chancen für eine Fortsetzung der Rally nicht schlecht. Auch italienische Banken sind keine Schnäppchen mehr - aber noch immer niedriger bewertet als spanische, deren Erholung früher einsetzte. "In den vergangenen Monaten sind italienische Bankaktien zwar stark gestiegen", sagt DWSFondsmanager Friebertshäuser: "Auf Sicht von ein paar Jahren gibt es jedoch weiter Aufholpotenzial." Auf breiter Front dürften die Kurse indes nicht mehr steigen. So riet Goldman Sachs jüngst, selektiv in die Branche zu investieren. Auch Friebertshäuser glaubt, dass die Erholung noch weitergehen kann - aber nicht mehr überall. "Bisher sind die Aktien fast im Gleichklang gestiegen", sagt er, "nun dürfte sich die Rally ausdifferenzieren."

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