Die Krankheit sei in einem frühen Stadium erkannt worden, habe sich noch nicht im Körper ausgebreitet und sei heilbar, erklärte der 58-Jährige in der Nacht zum Mittwoch. "Ich fühle mich sehr gut und werde Sie wissen lassen, wenn sich mein Gesundheitszustand ändert." Während der geplanten etwa achtwöchigen Strahlen- und Chemotherapie werde er seine Dienstreisen zwar einschränken müssen, aber weiter aktiv im Tagesgeschäft mitmischen, kündigte der Banker an.

Dimon gilt als passionierter Sportler, der mehrmals die Woche joggt oder Tennis spielt, und nie geraucht hat. Vor etwa zwei Wochen habe sich der Manager nicht gut gefühlt und deshalb von Ärzten ausgiebig durchchecken lassen, berichtete ein Vertrauter. Dabei sei der Krebs entdeckt worden.

Dimon ist seit rund acht Jahren Chef von JP Morgan, einen offensichtlichen "Kronprinzen" gibt es nicht. Der langjährige Konzernlenker, der mit seiner deutlichen Kritik an vielen Regulierungsideen schon häufiger in der Politik angeeckt ist, hat den Branchenprimus vergleichsweise erfolgreich durch die Finanzkrise gesteuert. Von den Milliardengewinnen, die das Institut regelmäßig abliefert, können viele Konkurrenten nur träumen. Sogar einen Handelsverlust von mehr als sechs Milliarden Dollar konnte das Institut 2012 aus eigener Kraft ausbügeln. Image-Kratzer hinterließen zuletzt allerdings etliche Rechtsstreitigkeiten. Den Dauerclinch mit der US-Regierung über fragwürdige Hypothekengeschäfte aus der Zeit vor der Finanzkrise legte JP Morgan im vergangenen Jahr mit einer Rekordstrafe von 13 Milliarden Dollar bei.

Patienten mit Kehlkopfkrebs haben Studien zufolge zwar recht gute Heilungschancen, wenn die Krankheit früh erkannt wird. Doch die Ungewissheit über die weitere Entwicklung bei Dimon macht die ersten Investoren von JP Morgan bereits nervös. Die Aktie gab außerbörslich nach - das weckt Erinnerungen an Apple, als vor einigen Jahren die Krebserkrankung des inzwischen verstorbenen Gründers Steve Jobs offiziell bekannt wurde. Damals entbrannte eine Debatte darüber, ob der Schutz der Privatsphäre stärker wiegt als das Informationsrecht der Anleger bei einem börsennotierten Konzern. "Einer der Hauptgründe, warum ich hier Aktionär bin, ist Jamie Dimon", erklärte etwa Michael Holland vom gleichnamigen Vermögensverwalter mit Blick auf JP Morgan. "Was die Zahlen und seine Erfolgsbilanz angeht, ist er in der Finanzbranche einer der besten Vorstandschefs unserer Generation."

Dimon wollte in Kürze eigentlich nach Europa fliegen, wo er die Regierungschefs der Euro-Krisenländer Griechenland und Italien treffen sollte. Auch Besuche in Deutschland, Spanien und Großbritannien standen auf der Agenda. All dies wurde nun gestrichen, damit sich Dimon seiner Krebstherapie im renommierten New Yorker Memorial Sloan Kettering Hospital unterziehen kann.

Zu potenziellen Nachfolgern für Dimon hielt sich die Bank in den vergangenen Jahren stets bedeckt. Mit die besten Chancen haben Finanzkreisen zufolge Chef-Investmentbanker Daniel Pinto und der für das operative Geschäft zuständige Top-Manager Matthew Zames. Allerdings dürfte es jeder schwer haben. Der "Dimon-Bonus" in der Bewertung der Aktie liege aktuell bei etwa fünf Prozent, rechnete Matt McCormick, Portfoliomanager bei Bahl & Gaynor Investment Counsel, vor. "Ich denke, er treibt die Nachfolgepläne jetzt etwas schneller voran, selbst wenn seine Prognose gut ist."

Reuters