Noch bis zum 8. August laufen die Olympischen Spiele in Tokio. Während die Veranstaltung bei vielen Japanern wegen der stark gestiegenen Infektionszahlen auf Widerstand stößt, nutzt der Kreditkartenanbieter Visa als Sponsor die Spiele, um mit Sportlern wie dem 23-jährigen Leistungsschwimmer Florian Wellbrock Werbung in eigener Sache zu machen. "Ich zahle Visa", so der Konzern. Vorstandschef Al Kelly will damit und mit insgesamt höheren Marketingaufwendungen das ohnehin florierende Geschäft weiter ankurbeln. Daher sollte trotz der Gewinnmitnahmen nach der Zahlenvorlage die Rekordfahrt der Aktie weitergehen.
Von Visa sind insgesamt rund 3,6 Milliarden Karten in Umlauf, davon sind knapp 70 Prozent Debit- und der Rest Kreditkarten. Sie sind zuletzt allesamt kräftig zum Einsatz gekommen. Daher hat der Konzern im per Juni beendeten dritten Quartal des Fiskaljahres 2020/21 den Umsatz um 27 Prozent auf 6,13 Milliarden Dollar gesteigert. Dazu hat beigetragen, dass das Zahlungsvolumen währungsbereinigt um 34 Prozent auf 2,72 Billionen Dollar nach oben geschossen ist.
Weil sich das Reisegeschäft in etlichen Ländern nach den Lockerungen deutlich belebt hat, hat das Zahlungsvolumen im grenzüberschreitenden Einsatz währungsbereinigt um 47 Prozent zugelegt. Diese Kennzahl ist sehr wichtig, weil derartige Transaktionen für Visa besonders lukrativ sind. Der operative Gewinn legte um 36 Prozent auf 4,1 Milliarden Dollar zu, was einer Marge von 66,3 Prozent entspricht. Das hat Finanzchef Vasant Prabhu genutzt, um für 2,2 Milliarden Dollar Aktien zurückzukaufen und rund 700 Millionen Dollar an Dividenden zu zahlen.
Bei der Präsentation der Zahlen gab sich Prabhu daher zuversichtlich, auch wenn er aufgrund der Unsicherheit wegen der Pandemie keine Prognose für das Gesamtjahr abgegeben hat. Zwar hätten die Käufe von Kryptowährungen durch Visa-Kunden, die im April und Mai nach dem Versand der Stimulus-Schecks in den USA nach oben geschossen waren, im Juni den Rückwärtsgang eingelegt. "In unserem gesamten US-Geschäft sind wir praktisch wieder dort, wo wir waren, als hätte es die Pandemie nie gegeben", so Prabhu. "Der einzige Bereich unseres Geschäfts, der noch nicht auf dem vorherigen Niveau ist, ist der grenzüberschreitende Reiseverkehr. Das ist die nächste Stufe der Erholung." Dazu sollten gerade die Lockerungen in Großbritannien und Kanada beitragen. Für zusätzlichen Rückenwind sorgen Zukäufe. Ende Juni hatte Visa das schwedische Fintech Tink für 1,8 Milliarden Euro übernommen. Banken und Start-ups nutzen die Open-Banking-Plattform von Tink, um auf die Finanzdaten der Kunden von mehr als 3400 Geldhäusern zuzugreifen. Ende Juli kaufte der Kreditkartenanbieter dann Currencycloud für 700 Millionen Pfund (822,6 Millionen Euro). Bei der Londoner Firma handelt es sich um einen Anbieter von Technologie für grenzübergreifende Zahlungen.
Beflügelt wird das Geschäft zudem von der hohen Inflation in vielen Ländern. So schossen in den USA die Verbrauchspreise im Juni um 5,4 Prozent nach oben. Viele Experten erwarten, dass die Inflationsrate in den kommenden Monaten auf einem ähnlich hohen Niveau bleiben wird, zumal die US-Notenbank Fed weiterhin fleißig Geld druckt. Die Europäische Zentralbank EZB schwenkte jüngst nach der Strategieüberprüfung ebenfalls auf den Kurs der Fed ein: Die europäischen Währungshüter wollen die Inflation in den nächsten Jahren weiter deutlich anheizen. Auf mittlere und lange Sicht sollte Visa zudem davon profitieren, dass der Onlinehandel weiterhin rapide wächst. Im stationären Handel sollte unterdessen die Bezahlung mit Debit- und Kreditkarten zulasten von Bargeld deutlich zunehmen. Wir erhöhen das Kursziel bei Visa.
Die guten Zahlen des Unternehmens schließen sich nahtlos an jene des Wettbewerbers American Express an, der ebenfalls prächtige Ergebnisse für das Kartengeschäft gemeldet hatte. Allerdings macht das nur 12,5 Prozent der Konzernumsätze aus. Darüber hinaus liegen die Risiken bei einem Zahlungsausfall mit den Karten bei American Express. Anders als bei Visa und dem Konkurrenten Mastercard: Diese leiten lediglich die Zahlungen weiter. Sie haben damit ein anderes Geschäftsmodell. Bei Mastercard floriert das Geschäft ebenfalls, weshalb die Aktie auf Rekordfahrt ist. Von dem Konzern sind 2,85 Milliarden Karten in Umlauf, davon sind 85,8 Prozent Kreditkarten. Im zweiten Quartal schoss der Umsatz um 36 Prozent auf 4,53 Milliarden Dollar nach oben. Dabei legte das Zahlungsvolumen währungsbereinigt um 33 Prozent auf 1,9 Billionen Dollar zu. Mastercard profitierte stark vom grenzüberschreitenden Einsatz der Karten, dessen Volumen währungsbereinigt sogar um 58 Prozent kletterte. Das Umfeld ließ die Kassen klingeln, der operative Gewinn sprang auf 2,34 Milliarden Dollar nach oben - das entsprach einer Marge von 51,7 Prozent.
Hoffen auf mehr Reiselust
"Wir haben in diesem Quartal ein solides Wachstum bei Umsatz und Gewinn geliefert", sagte Vorstandschef Michael Miebach. Zudem gab er über Aktienrückkäufe 1,7 Milliarden Dollar an die Anteilseigner zurück. Hinzu kamen 434 Millionen Dollar an Dividenden. Miebach erwartet ebenso wie sein Visa-Kollege Prabhu weitere Impulse aus dem Tourismusbereich. "Das internationale Reisegeschäft befindet sich erst im Anfangsstadium der Erholung und bietet zusätzliches Aufwärtspotenzial", so Miebach.
Mastercard hat Anfang Juni die US-Firma Ekata für 850 Millionen Dollar übernommen. Mit Lösungen zur Identitätsprüfung und Technologie für maschinelles Lernen in Kombination mit Mastercards Know-how zur Betrugsprävention hilft die neue Tochter Kunden, wie Händlern, Finanzunternehmen und Reisegesellschaften, sicher online zu interagieren. Die Transaktion soll höchsten zwei Jahre lang die Profitabilität der Mutter belasten, sie anschließend aber umso stärker beflügeln.
Die Aktien von Visa und Mastercard bleiben aussichtsreich. Beide Unternehmen glänzen mit einer hervorragenden Marge und sollen laut dem Konsens der Analysten in diesem Jahr und den darauffolgenden die Gewinne kräftig steigern.
Auf einen Blick
Kreditkarten
Der Siegeszug des Plastikgeldes ist durch die Pandemie nur kurz unterbrochen worden. Inzwischen geht er mit Volldampf weiter. Zwar ist Visa im Jahr 2015 von China Unionpay als weltgrößter Kartenanbieter abgelöst worden, allerdings ist Visa im Rest der Welt die klare Nummer eins vor Mastercard. Die Aussichten für den Sektor sind stark.