Der Mehrheitsaktionär von RIB Software (ISIN: DE 000 A0Z 2XN 6) hat zwei Mitgliedern des Vorstands Aktien zum Stückpreis von je 47 Euro abgekauft - gut 70 Prozent über dem zuvor gehandelten Kurs. Wie erklären Sie sich die Diskrepanz, und was sind die Folgen für den Streubesitz?
€URO AM SONNTAG: RIB Software wurde 2020 vom französischen Konzern Schneider Electric übernommen. Der Übernahmepreis betrug 29 Euro je Aktie. Großaktionär und Vorstandschef Tom Wolf hatte, ebenso wie Finanzvorstand Michael Sauer, seine eigenen Anteilscheine nicht vollständig angedient. Beide waren in der Folge auch weiterhin im Management.
Bei erfolgreich abgeschlossenen Übernahmen gibt es eine Jahresfrist. Die besagt: Sollte der Käufer innerhalb eines Jahres einem Anleger mehr zahlen als in dem Deal angekündigt, muss der höhere Preis auch an diejenigen gezahlt werden, die ihre Aktien bereits angedient hatten. Im Fall von RIB Software ist diese Jahresfrist gerade abgelaufen. Und Schneider Electric hat die Manager nun mit einem ordentlichen Aufgeld herausgekauft. Über den Grund lässt sich hier nur spekulieren.
Es könnte eine Art Bonus dafür gewesen sein, dass der Übergang reibungslos gelaufen ist. Zudem hatte RIB eine sehr hohe Dynamik im Auftragseingang, sodass der Wert der Gesellschaft heute auch höher sein könnte. Nach dem Zukauf durch die Franzosen dürfte der Streubesitz unter fünf Prozent gefallen sein. Damit könnte Schneider die verbleibenden Aktionäre per Squeeze-out aus dem Unternehmen drängen, müsste ihnen in diesem Fall allerdings ebenfalls ein Angebot unterbreiten.
Zumindest bei einer späteren gerichtlichen Überprüfung dürfte der an Wolf und Sauer gezahlte Preis bei den Richtern sicherlich seine Würdigung finden. Insofern könnte der Deal auch Vorteile für die freien Aktionäre haben.