Amerikas einst größer Schriftsteller erlebte im 19. Jahrunderte eine spektakuläre Tech-Pleite. Eine Warnung für alle, die blind der KI-Euphorie folgen.
Das ist die Börse: Das Stück bleibt gleich, nur die Darsteller wechseln. Ende des 19. Jahrhunderts war es Mark Twain, seinerzeit Amerikas berühmtester Schriftsteller, der im Tech-Fieber sein Vermögen verlor. 2025 sind es Millionen Anleger weltweit, die sich von der Euphorie rund um Künstliche Intelligenz mitreißen lassen. Endet es ähnlich? Die Parallelen sind zumindest frappierend – und hochaktuell.
Samuel Clemens, besser bekannt als Mark Twain, gilt als einer der größten Schriftsteller Amerikas. Doch er war auch ein Investor – und ein gescheiterter dazu. In den 1880er Jahren setzte Twain fast sein gesamtes Vermögen auf eine Technologie, die das Verlagswesen revolutionieren sollte: den Paige Compositor. Eine hochkomplexe Setzmaschine, sechs Tonnen schwer, mit 18.000 beweglichen Teilen. Sie sollte schneller arbeiten als sechs geübte Schriftsetzer zusammen. Twain war überzeugt: Das ist die Zukunft.
Die richtige Vision gehabt, aber das falsche Pferd
Doch während er Millionen in heutiger Kaufkraft investierte, brach die Realität die Euphorie. Die Maschine war zu kompliziert, zu teuer, zu anfällig. Während Twain seine letzten Ersparnisse verlor, setzte sich die Linotype durch – kleiner, einfacher, günstiger und vor allem: sie funktionierte. Twain ging bankrott, nicht weil er das Prinzip verkannt hätte. Er hatte auf die falsche Version der Zukunft gesetzt.
Auf genau diese Episode hat kürzlich der Fixed-Income-Experte und LinkedIn-Top-Voice Ignacio Ramirez Moreno in einem viel beachteten Post auf dem Business-Netwerk hingewiesen. Twain, so seine Quintessenz, habe die richtige Vision gehabt, aber auf das falsche Pferd gesetzt. Und diese Lehre sei gerade im Zeitalter von KI und Big Tech aktueller denn je.
Die Parallele zur KI-Euphorie
2025 ist nicht 1894. Aber die Psychologie des Marktes bleibt dieselbe. Heute ist es die Künstliche Intelligenz, die Anleger begeistert. ChatGPT, generative Modelle, Halbleiter, Cloud-Infrastruktur – eine „revolutionäre“ Technologie, die unsere Welt neu formt. Die sieben größten US-Tech-Konzerne – Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Meta, Tesla und Nvidia – dominieren die Börse. Sie gelten als unerschütterlich, als die Linotypes der digitalen Gegenwart.
Doch auch im KI-Rausch ist die Versuchung groß, dem komplexesten, aufregendsten, am futuristischsten klingenden Narrativ hinterherzulaufen. Unzählige Start-ups versprechen heute, die „Paige Compositors“ der KI-Welt zu sein – Maschinen mit 18.000 beweglichen Teilen, die angeblich ganze Branchen neu ordnen, in Wahrheit aber vor allem Kapital verbrennen.
Die Gefahr des Stockpickings
Twains Schicksal erinnert Anleger daran, wie gefährlich es ist, in Euphorie Einzelwetten einzugehen. Viele Privatanleger wie institutionelle Investoren jagen aktuell jedem neuen KI-Pitch hinterher. Doch in der Geschichte zeigt sich: Nicht die komplexesten, sondern die robustesten Technologien prägen Märkte nachhaltig. Im Zweifel sind es die Lösungen, die sich skalieren lassen, die wartungsarm sind und echten Mehrwert liefern. Nicht hinter jedem KI-Start-up verbirgt sich entsprechend die nächste Nvidia oder Palantir.
Die „Mag 7“ stehen derzeit wie die Linotype für bewährte Marktführer. Ihre Cloud-Rechenzentren, Chips oder Plattformen sind heute Standard – sie verdienen Geld, haben Reichweite und Macht. Doch auch hier gilt: Wer blind in Euphorie investiert, verkennt die Risiken. Denn Börsengeschichte lehrt, dass selbst Marktführer irgendwann verdrängt werden können.
Lektion für Anleger
Die Lehre aus Twain lautet nicht, Innovation zu meiden – sondern Innovation zu unterscheiden. Wer in die falsche Komplexität investiert, verliert. Wer nüchtern zwischen Vision und realer Umsetzung trennt, behält sein Vermögen.
Die KI-Revolution wird nicht an der Anzahl der Parameter eines Modells, an der Komplexität von Chips oder an den vollmundigen Versprechen von Start-ups entschieden. Sie wird entschieden von Geschäftsmodellen, die funktionieren. Von Unternehmen, die liefern. Von Technologien, die nicht im Museum enden.
Twains Paige Compositor steht heute als Ausstellungsstück in einem Technikmuseum. Die Linotype dominierte fast ein Jahrhundert. Anleger sollten sich fragen: Trauen sie sich zu, den Standard von morgen zu finden – oder investieren sie ins Denkmal der Zukunft? Entscheidend bleibt am Ende also vor allem eines: das richtige Risikomanagement.
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