Nur ein Bluff? Die amerikanische Regierung denkt angeblich darüber nach, die Notierung chinesischer Unternehmen an US-Börsen einzustellen. Es wäre ein neuer Aspekt des nicht enden wollenden Handelsstreits. Und es wäre vermutlich ein Teil eines noch größeren Plans, chinesische Investitionen in den USA einzuschränken. Jedenfalls rutschten die Kurse der betroffenen Aktien - etwa Alibaba und JD.com - am Freitag erst mal ab, als die Agenturen Reuters und Bloomberg die Nachricht unter Berufung auf Regierungskreise veröffentlichten.

Auffällig ist dabei das Timing: kurz vor Beginn der Feierlichkeiten zum 70-jährigen Bestehen der chinesischen Volksrepublik am 1. Oktober. Und auffällig ist auch, dass ein Vertreter des US-Schatzamtes die Delisting-Pläne bald dementierte, worauf sich die Kurse chinesischer Papiere an europäischen Börsen sowie in Shanghai und Shenzhen wieder stabilisierten. Ein Bluff also? Einen Tweet vom Präsidenten gab es jedenfalls nicht. Vielleicht trägt nun zur Beruhigung bei, dass während der Feierlichkeiten die Börsen in Festlandchina in der laufenden Woche geschlossen sind.

Doch auch ohne China-Episode bleibt Trump ein bestimmender Faktor für die Märkte. Da ist die Ukraine-Affäre und ein mögliches - wenn auch kaum erfolgreiches - Amtsenthebungsverfahren. Und da ist die Lage in Nahost: Am Samstag drohte der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman, der Ölpreis könne auf ein "unvorstellbar hohes Niveau" steigen, wenn die Welt keine starken und entschlossenen Maßnahmen ergreife, um den Iran abzuschrecken. Auch nur ein Bluff?

Keine Panikreaktion

Erstaunlicherweise stecken die Märkte das alles ganz gut weg, sowohl der DAX als auch die US-Börsen. Bislang zumindest. Die Konsolidierung der zurückliegenden Tage war nicht sonderlich ausgeprägt. Also keine Verkaufspanik wie zu früheren Anlässen. Im Gegenteil: Die Volatilität am deutschen Aktienmarkt ist vergleichsweise schwach und fällt sogar. Auch dies ganz im Gegensatz zu den bisherigen in diesem Jahr von Trump ausgelösten Handelsstreiteskalationen: Auf jene folgte bekanntlich jeweils ein dickes Kursminus.

Positiv stimmt auch die noch immer geringe Investitionsquote der amerikanischen Fondsmanager. Da wartet also viel Kapital an der Seitenlinie, das "bei fundamentalem Tauwetter vor allem beim Handelsstreit sofort und eruptiv an die Aktienmärkte zurückströmt", wie der Börsenstratege Robert Halver von der Baader Bank recht treffend anmerkt.

Und auch aus China kommen durchaus gute Signale. So ist der Caixin-Einkaufsmanagerindex im September gegen die Erwartungen gestiegen. Das Plus von 50,4 auf 51,4 Punkte bedeutet außerdem den größten Zuwachs seit Februar 2018.

Handelsstreit hin oder her: Das Land bleibt eine Erfolgsstory. Nach einem Bericht der Fondsgesellschaft DWS sollen laut Weltbank 800 Millionen Chinesen in den vergangenen 30 Jahren der Armut entkommen sein. Dazu kommt, dass man den Konkurrenten Indien beim Pro-Kopf-Einkommen abgehängt hat: In Indien hat es sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, in China verzehnfacht.

Und man ruht sich nicht darauf aus: Die in der Pekinger Machtzentrale ausgeklügelte Strategie "Made in China 2025" zielt darauf ab, die Volksrepublik von der billigen Werkbank zu einem Produzenten höherwertiger Güter und Dienstleistungen zu machen. Vielleicht wird das an der Börse auch schon honoriert: Immerhin entwickeln sich China-Aktien in diesem Jahr im Schnitt deutlich besser als europäische und auch amerikanische Werte.