Die Börsen halten sich gut. Trotz der Unsicherheiten weltweit. Was beispielsweise den Handelsstreit zwischen China und den USA angeht, gibt es nichts substanziell Neues. Schwieriger wird es beim Überthema Brexit. Bei Redaktionsschluss war es so, dass es wieder mal nichts war mit einer Entscheidung. Die entscheidende Abstimmung am Samstag über den von Premier Boris Johnson mit der EU ausgehandelten Deal wurde vom Parlament vertagt. Die britische Regierung war daher verpflichtet, eine Verlängerung bei der EU zu beantragen. Was der Premier auch tat - auch wenn er das offizielle Schreiben nicht unterschrieben hat.

Dennoch ist es weiterhin möglich, dass der vorgesehene Termin, der 31. Oktober, gehalten wird. Johnson und seine Unterstützer sind zuversichtlich. Nach Aussagen des Außenministers Dominic Raab habe man die dafür nötigen 320 Stimmen beisammen. Stimmt das so und bestätigt das Parlament in einem neuen Anlauf tatsächlich doch noch Johnsons Deal, könnte er den Verlängerungsantrag bei der EU wieder zurückziehen. Dies könnte recht schnell passieren, unter Umständen sogar parallel zum Druck dieser Ausgabe von BÖRSE ONLINE. Die Aktualität hätte diesen Marktbericht dann überholt. An den Märkten scheint man jedenfalls davon auszugehen, dass der Johnson-Plan aufgeht. Allein ein Blick auf die Entwicklung des britischen Pfund macht dies deutlich: Es wertet nämlich seit einigen Tagen gegenüber dem Dollar und dem Euro markant auf.

Start in die Berichtssaison


Dass sich die Aktienmärkte richtig gut halten, liegt wohl auch daran, dass der Start in die aktuelle Berichtssaison überraschend gut gelungen ist. Bei Netflix, ­Philip Morris, Morgan Stanley und JP Morgan beispielsweise stimmten die Zahlen. Dass andere prominente Aktien gleichzeitig an Boden verloren haben, hatte derweil nichts mit neuen Gewinn- und Umsatzzahlen zu tun, sondern mit ganz speziellen Umständen. Die Aktie des Flugzeugbauers Boeing etwa drückte auf den Dow Jones, weil es Berichte gab, wonach das Unternehmen die US-Flugaufsichtsbehörden wissentlich über die Sicherheit des Krisenfliegers 737 Max getäuscht habe. Und der Kurs des Pharmaunternehmens Johnson & Johnson wiederum gab nach, weil der Konzern einen Produktrückruf für eventuell mit Asbest verseuchtes Babypuder bekannt gab.

Was Aktionäre positiv stimmt, ist die Geldpolitik der US-Notenbank Fed und der Europäischen Zentralbank EZB. Beiden geht es darum, angesichts der vielen Unruheherde Negativeffekte für Konjunktur und Finanzmärkte abzufedern. Die US-Notenbank beispielsweise wird ihre Zinssenkungspolitik zukünftig durch erneute Anleihekäufe flankieren. Das ist ein ziemlicher Hammer! Denn auch wenn US-Notenbankchef Jerome Powell das Kind so nicht beim Namen nennen will, ist doch klar, dass es sich bei den geplanten neuen Anleihekäufen um "Quantitative Easing 4", also eine vierte zinsdrückende Liquiditätsschwemme, handelt.

Die Fed ist gewappnet


Und noch etwas fällt bei der Politik der Fed auf: Um einen Engpass am US-Interbankenmarkt gar nicht erst aufkommen zu lassen, pumpte die Fed außerdem erstmals seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 Liquidität von mehr als 700 Milliarden Dollar in die Zinsmärkte. Man erinnert sich wohl noch mit Schrecken: Die Finanzkrise 2008 begann mit dem Austrocknen des US-Geldmarkts. So weit will man es bei der Fed sicher nicht noch einmal kommen lassen.