Er ist also in Kraft in Deutschland: der harte Lockdown. Das wirtschaftliche Leben wird erneut komplett heruntergefahren. Doch anders als noch im März ist es ruhig an der Börse. Kein erneuter Schock. Warum auch? Der harte Lockdown hat sich schließlich schon länger abgezeichnet. Das Ganze ist daher wohl schon in den Kursen eingepreist, wie es so unschön im Börsianerdeutsch heißt.

Eine Jahresendrally ist daher trotz des Schlamassels nach wie vor drin. Zumal auch die deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute positive Konjunkturdaten melden. So legte das Stimmungsbarometer des Mannheimer ZEW deutlicher zu als von vielen Experten erwartet. Gleichzeitig kommen gute Signale aus der hiesigen Industrie, die ihre Produktion im Oktober bereits den sechsten Monat in Folge gesteigert hat. Die Gesamtproduktion lag um 3,2 Prozent höher als im Vormonat.

Allerdings, und das dämpft die Erwartung dann wieder etwas, macht weiterhin der Brexit Sorgen. Weil immer noch keine Einigung in Sicht ist, haben die EU und Großbritannien eine Verlängerung ihrer Verhandlungen vereinbart. Schon wieder. Die Streitpunkte haben sich seit Monaten nicht geändert: Fischerei und fairer Wettbewerb. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht da weiter gute Chancen für eine Einigung. Premier Boris Johnson jedoch scheint ein Scheitern für die wahrscheinlichste Option zu halten.

Rekord Nummer 30


In den USA wird man sich derweil mit diesem Problem kaum aufhalten. In der zurückliegenden Woche jedenfalls schaffte der breite Leitindex S & P 500 das inzwischen schon 30. Rekordhoch im laufenden Jahr - Pandemie hin oder her. Die Gründe scheinen simpel: An der Wall Street setzen Investoren nicht nur auf die Wirksamkeit der gerade zugelassenen Impfstoffe und eine baldige Rückkehr zur Normalität, sondern auch auf die nächste Geldspritze für die Wirtschaft. Zwar steckt das Land mitten in der Übergangsphase vom 45. zum 46. Präsidenten, im Kongress wird aber dennoch munter über ein weiteres staatliches Stimuluspaket von sage und schreibe 900 Milliarden Dollar verhandelt. Politischer Stillstand ist anders.

Apropos Stimulus: Auch Japan will mit einem neuen Konjunkturpaket die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie bekämpfen. Umgerechnet 600 Milliarden Euro stehen zur Debatte. Es wäre das dritte Mal, dass die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt es mit einer Geldspritze probiert. Vorgesehen sind unter anderem Milliardenausgaben für den Klimaschutz. Zuvor hatte man schon zwei Hilfspakete mit insgesamt 1,8 Billionen Euro auf den Weg gebracht. Wohl mit Erfolg: Die vierteljährliche Tankan-Umfrage der Bank of Japan zur Stimmung in den großen japanischen Industriekonzernen hat sich jedenfalls schon das zweite Quartal in Folge verbessert. Mit positiven Auswirkungen auf die Börse: Der Leitindex Nikkei 225 schneidet im weltweiten Vergleich der Börsenplätze auch dank der finanziellen Stimuli von Regierung und Notenbank mit am besten ab in diesem Jahr.

Große Euphorie


Allerdings warnen viele Analysten inzwischen vor einer weltweit anstehenden Korrektur an den Börsen. So sind laut Investmentbank Goldman Sachs viele US-Anleger übertrieben stark in Aktien investiert. Auch ein weithin beachteter Sentiment-Indikator, das Verhältnis gehandelter Puts zu Calls an der Chicagoer Terminbörse CBOE, signalisierte jüngst so große Euphorie wie seit zwei Jahrzehnten nicht. Gut möglich, dass es also bald mal einen Rücksetzer gibt.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com