Noch immer wütet das Virus. Börsianern aber macht das keine Angst mehr. Eine Serie guter Nachrichten bei der Impfstoffentwicklung hat die Aktienkurse nach oben katapultiert. Diese erste Phase der Rally wurde von der Hoffnung auf ein Ende der Corona-Krise getrieben. Nun geht es darum, diese Hoffnung durch Fakten zu untermauern. "Wir bewegen uns jetzt in die Wachstumsphase, in der sich die Unternehmensgewinne erholen", kalkuliert die Investmentbank Goldman Sachs.
Bleibt die Welt von schweren Rückschlägen bei der Produktion und Verteilung der Impfstoffe verschont, dürfte sich der positive Trend fortsetzen. Das bedeutet: Anleger werden mutiger und schichten ihr Geld in offensivere Anlageklassen um. Das würde viele der aktuellen Top-Performer weiter stärken.
Gewinner bleiben Gewinner - dieses Phänomen ist auch in normalen Börsenzeiten zu beobachten. Wer über die vergangenen zehn Jahre jeweils zum Jahreswechsel aus dem HDAX die fünf Top-Performer der vorangegangenen zwölf Monate kaufte, hat den Index sieben Mal geschlagen. Offenbar unterschätzen Börsianer systematisch die Dynamik der Gewinneraktien.
Auch unter Aktienfonds gibt es klare Gewinner. Zwar gelingt es kaum einem Fondsmanager, über viele Jahre hinweg den Markt zu schlagen, einige aber haben sich auf Themen spezialisiert, die von großen Trends profitieren und Anlegern darum weiterhin überdurchschnittliches Potenzial bieten. €uro am Sonntag stellt jeweils fünf Aktien und Aktienfonds vor, die die Voraussetzungen erfüllen, vom Ende der Pandemie und einem Wirtschaftsaufschwung deutlich zu profitieren.
Comeback-Show: CTS Eventim
Durch die Pandemie sind alle Großveranstaltungen verboten. Konzerte gab es in den vergangenen Monaten allenfalls in kleinem Kreis. CTS Eventim ist als Ticketvermarkter und Konzertveranstalter in beiden Sparten ein Opfer der Corona-Krise. In den ersten neun Monaten brach der Umsatz um 79 Prozent ein, im dritten Quartal sogar um 92 Prozent. Unter dem Strich blieb in diesem Jahr bislang ein Verlust von 62 Millionen Euro. Kleiner Trost: Die jetzt drohende Verschärfung des Lockdowns dürfte CTS nicht schmerzen, weil die Branche ohnehin stillsteht. Probleme kleiner Konkurrenten dürften die Marktposition von CTS stärken.
Entscheidend für Investoren ist die Aussicht auf ein Ende der Pandemie: Viele Künstler brennen darauf, endlich wieder auf Tour zu gehen. Und auch bei den Fans dürfte die Sehnsucht nach guter Laune groß sein. Viele haben auf die Rückgabe von Tickets abgesagter Konzerte verzichtet und Gutscheine akzeptiert. Analysten kalkulieren, dass CTS im nächsten Jahr die Rückkehr in die Gewinnzone gelingt. 2023 soll der Nettogewinn das Vorkrisenniveau erreichen. Die Aktie ist eine Wette auf ein Ende der Pandemie, im Idealfall vor der Festivalsaison im Frühsommer.
Vor dem Neustart: Airbus
Für die Fluggesellschaften ist Corona eine Katastrophe: Fast 120 Milliarden Dollar Verlust werden die Airlines weltweit in diesem Jahr einfliegen, warnt der Branchenverband IATA. Das trifft auch den Flugzeughersteller Airbus. In den ersten neun Monaten mussten die Franzosen einen operativen Verlust von 2,2 Milliarden Euro verkraften.
Der längerfristige Trend aber sollte die Pandemie überstehen: Airlines müssen ihre Flotten modernisieren, um Umweltbelastungen und Betriebskosten zu senken. Viele Bestellungen dürften somit nur aufgeschoben sein. Airbus hat den Vorteil, dass das Geschäft vor allem vom A320 getrieben wird, der auf Kurz- und Mittelstrecken zum Einsatz kommt. Dieses Marktsegment dürfte sich schneller erholen als die Langstrecke. Die Analysten von Barclays kalkulieren, dass der A320 im vergangenen Jahr für 80 Prozent des Gewinns verantwortlich war. Airbus selbst hat sich stabilisiert: Nachdem der Konzern im zweiten Quartal 4,4 Milliarden Euro verbrannte, blieben im dritten Quartal 600 Millionen als freie Mittelzuflüsse.
Im Gesamtjahr wird Airbus nach Bloomberg-Schätzung knapp 500 Maschinen ausliefern. Das ist weniger als die 863 des Vorjahres, angesichts der Rahmenbedingungen dennoch eine beachtliche Zahl. Auch die Airbus-Aktie ist eine Turnaround-Spekulation.
China-Boom: Daimler
Gleich zwei Gänge runterschalten und Vollgas geben muss Daimler-Chef Ola Källenius: Der Chef des Premiumautoherstellers und sein Finanzvorstand Harald Wilhelm haben der hohen Kostenbasis im Konzern den Kampf angesagt. Mit den Gewerkschaften verhandelt die Spitze um einen Stellenabbau von bis zu 30.000 Jobs, zudem wird die Produktion von Verbrennungsmotoren ab 2024 nach Asien verlagert.
Daimler braucht Tempo, damit der Sprung ins Elektrozeitalter gelingt. Der schwedische Konzernchef hat dafür auf der Absatzseite ein klares Ziel: Källenius will sich auf den automobilen Luxusmarkt konzentrieren und genug Cash verdienen, um die enormen Investitionen für den technischen Wandel zu stemmen. Trumpf der Schwaben ist das hohe Ansehen des Sterns im größten Automarkt der Welt. In China erzielt Daimler knapp 40 Prozent des Absatzes, Tendenz steigend. Der chinesische Markt wächst trotz Pandemie, insbesondere das Luxussegment legt zu, das die Schwaben mit ihren Edelmarken wie AMG oder Maybach künftig noch intensiver bearbeiten wollen.
Luxus läuft: Weltweit rechnen Experten im obersten Preissegment des Automarkts bis 2030 mit über vier Prozent jährlichem Umsatzplus, auf dem Gesamtmarkt soll es bloß gut ein Prozent werden. In China steigt die Zahl der Vermögenden besonders schnell und soll sich bis 2030 verdreifachen. "Wir glauben, dass in den nächsten zehn Jahren absolut gesehen das größte Wachstumspotenzial in China ist", sagt Daimler- Chef Källenius.
Überraschender Impuls: Wacker Chemie
Lange werkelte der Spezialchemiekonzern fast unbeachtet vor sich hin, doch zuletzt machten die Münchner mehrfach von sich reden: Der taiwanesische Konzern Global Wafers bietet für den Waferhersteller Siltronic, an dem die Bayern 31 Prozent der Anteile halten. Eine satte Kaufprämie ließ auch die Notierung von Wacker anspringen. Operativ gab es zuletzt unerwartete Impulse aus der kleinsten Sparte Biosolutions: In Amsterdam baut Wacker an einer Fertigungslinie zur Auftragsherstellung von Covid-Impfstoff für Biontech. Wacker will hier künftig jährlich über 100 Millionen Dosen herstellen.
Covid-geschädigt ist hingegen das Geschäft mit Silikonen, die umsatzträchtigste Sparte, die etwa Dichtungen für die Autoindustrie herstellt - hier gibt es Nachholpotenzial. Weitaus vitaler ist der Bereich Polymere, der vom Boom der Baubranche profitiert und im dritten Quartal bei deutlich geringerem Umsatz schon fast so viel Gewinn abwarf wie das Silikon-Geschäft.
Zu einem weiteren Treiber für die Aktie von Wacker Chemie könnte die Herstellung von Polysilizium werden, einem Ausgangsstoff für die Solarzellenproduktion. Die Nachfrage nach grünen Energien steigt, die Polysiliziumpreise stabilisieren sich. Eine Verluststrecke endete für Wacker hier bereits im dritten Quartal, künftig könnte es wieder Profite geben.
Günstiges Klima: Nordex
Mächtig an Drehzahl gewonnen hat zuletzt der Kurs des Windanlagenbauers Nordex. Wenig verwunderlich, denn das Geschäft der Hamburger ist aus einem Ruckelbetrieb in den ersten Monaten der Pandemie in den Wachstumsmodus übergegangen. Das Management um Chef José Luis Blanco musste den Corona-bedingten Ausfall von Servicemitarbeitern sowie Lieferlücken insbesondere bei Rotorblättern überwinden.
Die gesamte installierte Windturbinenkapazität steigerten die Nordlichter von Januar bis Ende September dennoch um 140 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Auftragseingang sank zwar um 20 Prozent, das Orderbuch blieb aber mit 7,9 Milliarden Euro dick. Und zuletzt zogen die Geschäfte kräftig an: Seit September meldete Nordex allein vier Großaufträge aus den USA, weitere aus Europa, der Türkei und Brasilien. Mit dem Topseller, der Delta4000-Turbine, räumt Nordex in der angesagten Leistungsklasse von vier bis fünf Megawatt ab.
Auch politisch steht der Wind günstig: Die Europäische Union fördert regenerative Energien, der gewählte US- Präsident Joe Biden will dem Pariser Klimaabkommen wieder beitreten und bevorzugt ebenfalls CO2-arme Quellen. Für das nächste Jahr stehen die Zeichen laut Blanco auf Drehmoment: Umsatz und Margen sollen steigen. Mit der jüngsten Kapitalerhöhung stärkte Nordex das Eigenkapital. Die entstandene Kursdelle ist eine Kaufgelegenheit.
Einkaufen auf Distanz Global Online Retail
Zu den Gewinnern dieses Jahres zählt zweifellos der Onlinehandel. Ausgangsbeschränkungen und Abstandsregeln haben Kunden des stationären Handels ins Internet getrieben - und damit zu Unternehmen wie Amazon oder Zalando. Auf diese und vier Dutzend weiter Firmen setzt der vor fünf Jahren aufgelegte Fonds Global Online Retail. Initiiert haben ihn der Branchenexperte Jochen Krisch und der ehemalige Zooplus-Gründer Sven Rittau.
Der Fonds investiert in den eigens dafür konstruierten Glore50-Index. Darin enthalten: die Branchen- oder Segmentführer mit hohem Wachstumspotenzial, die den Großteil ihrer Umsätze im E-Commerce oder mit digitalen Transaktionen erwirtschaften. Rund 90 Prozent Wertzuwachs konnte man seit Jahresanfang mit diesem Portfolio erzielen.
Selbst den November, als viele "Stay at home"-Aktien nach den Impfstoff-Erfolgsmeldungen zunächst nachgaben, konnte der Fonds mit einem Plus gegenüber dem Vormonat abschließen. Nach Überzeugung der Fondslenker dürften viele Verbraucher, die sich während der Pandemie von den Vorteilen des Onlinehandels überzeugt haben, diesen auch künftig nutzen.
Pure Wachstumsfirmen: Morgan Stanley US Growth
Viele Fondsmanager machen es sich einfach: Beim Aufbau ihres Portfolios orientieren sie sich stark an ihrem Vergleichsindex. Dennis Lynch und sein Team vom Morgan Stanley US Growth gehen eigene Wege und sind damit sehr erfolgreich: Seit Jahresanfang hat der Fonds seinen Wert verdoppelt.
Schwerpunkt des Fonds sind Wachstumsaktien aus den USA. Viele der aktuellen Depotwerte sind Pandemiegewinner: Die Aktie von Zoom Video, dem Anbieter von Software für Videokonferenzen, war zuletzt die größte Position. Ebenfalls ungewöhnlich hoch gewichtet waren die Softwarefirmen Square und Shopify, die beide vom wachsenden Handel über das Internet profitieren.
Lynch geht es aber ausdrücklich nicht darum, kurzfristige Trends zu erahnen: "Wir wollen Aktien von besonderen Unternehmen einsammeln und über viele Jahre besitzen", sagt der Investmentprofi, der seit mehr als 25 Jahren im Geschäft ist. Ein wesentliches Kriterium sei, dass ein Unternehmen einen dauerhaften und nachhaltigen Wettbewerbsvorteil habe. Der Ansatz hat für den Fonds auch langfristig funktioniert: Über die vergangenen zehn Jahre legte der Morgan Stanley US Growth auf Euro-Basis um mehr als 660 Prozent zu.
Rohstoffe für die e-Wende: Next Generation Resources
Die Rechnung geht nicht auf - und das treibt die Kurse in einem speziellen Rohstoffsegment. Bis 2030 will E-Auto- Pionier Tesla seine Produktion auf 20 Millionen Fahrzeuge pro Jahr steigern. Das verkündete Firmenchef Elon Musk. "Dafür würde das Unternehmen drei Millionen Tonnen Lithium benötigen. Die aktuelle Weltjahresproduktion beträgt aber gerade mal 300.000 Tonnen", sagt Tobias Tretter, Manager des Rohstoffaktienfonds Structured Solutions Next Generation Resources, der seit Jahresanfang 120 Prozent Plus erzielt hat.
Bereits 2009 legte Tretter dieses Portfolio auf. Er wollte auf das Thema Elektromobilität setzen und fand, dass der Rohstoff Lithium, der für die Batterien gebraucht wird, der beste Weg sei. Ein kleiner Sektor in der Rohstoffwelt, aber einer mit eigenen Gesetzen. "Lithium wird nie knapp sein", sagt Tretter, "aber die Produktion lässt sich nicht so schnell ausweiten." Jedes Projekt erfordere spezielle und eigene Abbaumethoden, und nicht Minenkonzerne, sondern Chemieunternehmen kümmerten sich um die Lithiumproduktion.
Vor etwa vier Jahren hat Tretter das Portfolio um weitere Rohstoffe erweitert, die beim Ausbau grüner Technologien gebraucht werden, etwa Grafit, Nickel oder Kupfer. Die künftigen Aussichten? "Der Fonds wird immer volatil bleiben", sagt Tretter. "Aber wer überzeugt ist, dass sich die E-Mobilität durchsetzt, findet hier großes Gewinnpotenzial."
Solar, Wasserstoff und mehr: BNP Paribas Energy Transition
"Der Corona-Crash im Frühjahr hat den gesamten Energiesektor nach unten gezogen, aber nur der Bereich alternative Energien hat sich erholt", sagt Leo Willert, der in seinem Dachfonds stets auf die trendstärksten Einzelfonds setzt. In diesem Jahr etwa auf den BNP Paribas Energy Transition. Seit Jahresbeginn steigerte das Portfolio seinen Wert um beeindruckende 126 Prozent.
"Bei den Unternehmen aus dem nachhaltigen Energiesektor haben wir 2020 enorme Kursbewegungen gesehen", so Willert. So legten zum Beispiel die Aktien des kanadischen Brennstoffzellenherstellers Ballard Power seit Jahresanfang um mehr als 260 Prozent zu, die Anteilscheine von Solarspezialist Sunnova um 350 Prozent. Beide Firmen sind im BNP-Fonds hoch gewichtet.
Um den Portfoliomix kümmern sich seit September 2019 sehr erfolgreich Ulrik Fugmann und Edward Lees. Die beiden investieren in Unternehmen, die von der Energiewende profitieren, weil sie neue Lösungen entwickeln. Der Erfolg der Anlagestrategie hat das Fondsvolumen auf aktuell mehr als eine Milliarde Euro ansteigen lassen.
Die besten Player im Netz: BIT Global Internet Leaders 30
Kaum 24 Monate auf dem Markt und schon so ein Wahnsinnsjahr: Mehr als 160 Prozent Wertzuwachs verzeichnete der BIT Global Internet Leaders 30 seit Januar. Der Corona-Crash ist im Kurschart des Fonds kaum wahrzunehmen. Die raketenhafte Entwicklung ist natürlich zu einem Teil der Pandemie geschuldet. Denn Covid-19 hat den digitalen Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft enorm beschleunigt. Und der Fonds profitiert von den damit einhergehenden Kurschancen bei den Internetunternehmen.
Zum anderen ist das große Plus auf die Expertise und Strategie des Fondsmanagers zurückzuführen. Denn Jan Beckers gründete selbst zahlreiche Internetunternehmen und weiß, welche Geschäftsmodelle aussichtsreich sind und wo Probleme lauern. Die Unternehmen, die ihn und sein Team am meisten überzeugen, kommen stark gewichtet ins konzentrierte Portfolio. Das wird vergleichsweise häufig umgeschichtet. Denn Beckers will sowohl vom lang- als auch kurzfristigen Potenzial einer Firma profitieren, wenn diese beispielsweise ein gutes Quartal vor sich hat. Aufgrund der fortschreitenden Technisierung der Welt sowie der Expertise des Fondsmanagements dürfte der Fonds weiter aussichtsreich sein. Auch wenn der Kursanstieg künftig vielleicht nicht ganz so raketenhaft ausfallen mag.