DAS IST LOS BEI MTU:
Jahrelang kannte die Luftfahrtbranche nur eine Entwicklung: Die Menschen fliegen weltweit immer mehr und immer öfter. Das Wachstum schien kaum Grenzen zu kennen - Klimadiskussion hin oder her. Doch die Corona-Pandemie hat solche Gewissheiten zumindest vorläufig in Frage gestellt.
"Es wird Jahre dauern, bis der Luftverkehr - und damit die Grundlage unserer Aktivitäten im Serien- und Instandhaltungsgeschäft - wieder das Niveau der Vorkrisen-Jahre erreichen wird", hatte MTU-Chef Reiner Winkler schon vergangenen Sommer gesagt. Im Herbst klassifizierte er die kommenden Jahre schließlich als "Phase des Neustarts". Der Konzern wolle in dieser Zeit seine "Technologieführerschaft, Innovationskraft und Flexibilität" nutzen, um seine gute Ausgangsposition auszubauen - und "ab 2024 wieder überproportional am Wachstum der Branche teilzuhaben".
Das Geschäft von MTU hängt davon ab, dass Fluggesellschaften neue Flugzeuge von Airbus, Boeing oder Embraer kaufen, an deren Antrieben der Münchner Konzern mitarbeitet. Und dass die Flugzeuge auch viel fliegen, denn dann müssen sie regelmäßig gewartet werden und brauchen zudem Ersatzteile, an denen Triebwerkshersteller besonders gut verdienen.
Dabei kann sich MTU glücklich schätzen, stärker mit Airbus im Geschäft zu sein als mit Boeing. Denn der US-Konzern hat noch immer mit dem Debakel um seinen Mittelstreckenjet 737 Max zu kämpfen, der nach zwei tödlichen Abstürzen rund 20 Monate lang weltweit nicht mehr abheben durfte. Außerdem ist Boeing bei den Langstreckenjets stärker vertreten - ein Segment, das sich nach Überzeugung von Branchenvertretern als letztes von der Krise erholen dürfte.
Das trifft zwar auch MTU - etwa bei den Triebwerken für die Boeing 787 "Dreamliner" und die runderneuerte 777X. Aber ein Großteil des MTU-Geschäfts entfällt auf die Airbus-Mittelstreckenjets der A320neo-Reihe. Deren Produktion wurde in der Krise nicht so stark gedrosselt wie die der anderen Typen. Und Airbus will die Produktion ab dem Sommer sogar wieder ein Stück hochfahren.
Nach dem Geschäftseinbruch im vergangenen Jahr hat zwar auch MTU beschlossen, Arbeitsplätze abzubauen. Allerdings konnte sich der Konzern aus München 2020 in der Gewinnzone halten, und für das laufende Jahr hat sich Vorstandschef Winkler wieder bessere Zahlen vorgenommen.
So peilt der Manager für 2021 einen Umsatz zwischen 4,2 und 4,6 Milliarden Euro an, nachdem der Erlös im vergangenen Jahr knapp unter die Marke von 4 Milliarden gefallen war. Vom Umsatz sollen 9,5 bis 10,5 Prozent als Gewinn vor Zinsen, Steuern und Sondereffekten (bereinigtes Ebit) beim Unternehmen hängen bleiben. Das bereinigte Nettoergebnis soll sich parallel zum bereinigten Ebit entwickeln und damit ebenfalls klar im schwarzen Bereich landen.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Branchenexperten sind mit Blick auf 2021 eher optimistischer. Von MTU selbst befragte Analysten rechnen im Schnitt mit einem Umsatz von 4,45 Milliarden und einem bereinigten Ebit von 459 Millionen Euro. Demnach würde die bereinigte Ebit-Marge etwa 10,3 Prozent erreichen - und damit den oberen Bereich der vom Vorstand ausgegebenen Zielspanne.
Zunächst legt MTU an diesem Freitag (30. April) die Geschäftszahlen zum ersten Quartal vor. Die Analysten erwarten einen Umsatz von 988 Millionen Euro. Das wäre rund 22 Prozent weniger als ein Jahr zuvor, als die Corona-Krise im März auf die Branche durchgeschlagen war. Das bereinigte Ebit dürfte diesmal bei etwa 88 Millionen Euro liegen, ein Einbruch um rund die Hälfte. Für den bereinigten Nettogewinn liegt die durchschnittliche Schätzung bei 64 Millionen Euro - ebenfalls halb so viel wie im ersten Quartal 2020.
Mit Blick auf die MTU-Aktie sind die Meinungen der Analysten derzeit gespalten. Von den 13 bei dpa-AFX erfassten Experten, die ihre Einschätzung seit der Vorlage der Jahresbilanz im Februar erneuert haben, votieren 4 für den Kauf und 3 für den Verkauf des Papiers. Die Mehrheit von 6 rät zum Halten.
Im Schnitt haben die Analysten ein Kursziel von rund 193 Euro auf dem Zettel. Die Einschätzungen liegen jedoch weit auseinander. Von 140 bis 235 Euro ist vieles dabei. Und der Börsenkurs hat inzwischen den oberen Bereich dieser Spanne erreicht.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Nach einem jahrelangen Höhenflug wurde die MTU-Aktie im September 2019 in den Dax aufgenommen. Danach ging es weiter bergauf. Kurz bevor die Corona-Krise die Aktienmärkte richtig erfasste, erreichte der Kurs Ende Januar 2020 mit 289,30 Euro den höchsten Stand seiner Geschichte. Doch ab Mitte Februar ging es auch für MTU steil nach unten - bis zum Krisentief von 97,76 Euro Mitte März 2020.
Wer seine Anteile zu diesem Zeitpunkt verkauft hat, dürfte sich danach gründlich geärgert haben. Zwar ist das Rekordhoch immer noch weit entfernt. Doch Ende 2020 überschritt der MTU-Kurs erstmals wieder die Marke von 220 Euro. Seitdem pendelte er mit merklichen Ausschlägen um die 200 Euro und ging am Mittwoch mit 202,10 Euro aus dem Handel.
Der Finanzinvestor KKR hatte MTU im Jahr 2002 vom damaligen DaimlerChrysler-Konzern übernommen und das Unternehmen im Jahr 2005 zum Preis von 21 Euro je Aktie an die Börse gebracht. Wer das Papier seitdem im Depot hält, hat seinen Einsatz trotz der derzeitigen Krise nahezu verzehnfacht. An der Börse wird MTU derzeit mit knapp 11 Milliarden Euro bewertet und gehört damit zu den kleinsten Werten im deutschen Leitindex.
dpa-AFX