Die
Nestle-Aktie ist nach der
Vorlage der Halbjahreszahlen am Donnerstag um 2,7 Prozent auf 74,15 Schweizer Franken gestiegen. Damit war sie zweitstärkster Wert im Schweizer Leitindex SMI, der auf ein Plus von 1,5 Prozent kam. An der Frankfurter Börse legte das Papier um 2,8 Prozent auf 68,44 Euro zu.
Im Gegensatz zur positiven Reaktion der Anleger zeigten Analysten nach der Präsentation gemischte Gefühle. Die Experten gaben vier Kauf, fünf Halte- und zwei Verkaufsempfehlungen ab. Das durchschnittliche Kursziel der Branchenkenner, die das Papier auf der Kaufliste stehen hatten, lag bei 75 Euro. Damit ergäbe sich auf Basis des aktuellen Kurses ein mageres Zuwachspotenzial von 9,6 Prozent. Das dürfte einige Anleger von einer Investition abhalten, zumal die Titel mit einem geschätzten 2016er-Kurs-Gewinn-Verhältnis von 20,1 nicht mehr günstig sind.
Doch interessieren sich viele Anleger bei Nestle weniger für die Bewertung als vielmehr für die Dividendenrendite. Diese lag für das Geschäftsjahr 2014 bei drei Prozent. Für 2015 wird die Dividendenrendite schätzungsweise bei 3,1 Prozent liegen. In Kombination mit dem Ruf, ein echter Klassiker unter den Value-Aktien zu sein, dürfte das Papier also nach wie vor immer noch viele Fans haben. Viele bekannte Fondsmanager wie Max Otte schwören auf die Anteilsscheine und empfehlen sie als gute Beimischung für ein ausgeglichenes Depot.
Bleibt nun die entscheidende Frage: Was sollten Anleger tun? Um das zu beantworten, werfen wir zunächst einen Blick auf die Chancen und Risiken.
Chancen:
Nestle steckt im Umbau vom Lebensmittel- zum Gesundheitskonzern. Künftig soll therapeutische Nahrung entwickelt werden, die der Bekämpfung von Demenz, Diabetes, Fettleibigkeit und Darmentzündungen dienen soll. Da diese Erkrankungen vor allem in westlichen Ländern vorkommen, eröffnet sich für das Unternehmen ein potenziell sehr großer Markt. Momentan befindet er sich zwar noch im Anfangsstadium, doch Experten rechnen in den kommenden Jahren mit zweistelligen Wachstumsraten. In 20 oder 30 Jahren soll der Sektor demnach bereits 150 Milliarden Dollar schwer sein.
Mit dem 65 Millionen Dollar teuren Einstieg bei Seres Therapeutics ist Nestle in diesem Jahr ein vielversprechender Deal gelungen. Die US-Firma will ein Präparat testen, das gegen eine spezielle Form der Darmentzündung wirken soll, die mit 700000 Patienten pro Jahr vor allem in den USA verbreitet ist - Tendenz steigend. Im Falle einer Zulassung des Präparats winken Nestle hohe Umsätze.
Nestle hat in den USA, Lateinamerika, Russland, der Ukraine und Türkei Preiserhöhungen durchgesetzt. Damit stehen die Chancen nicht schlecht, dies auch in anderen Ländern zu machen. Weitere Erfolge dürften den Aktienkurs erneut treiben.
Lange hat Nestle die Konsumgewohnheiten der Chinesen nicht aufmerksam genug studiert und dadurch schwache Geschäfte gemacht. Doch inzwischen hat der Konzern erkannt, dass die Menschen in der Volksrepublik sich weniger auf Kaffee, Süßigkeiten und Fertigmahlzeiten fokussieren, sondern mehr auf frische Lebensmittel und den Einkauf im Internet. Nestle zufolge habe man entsprechende Maßnahmen eingeleitet, die noch im Verlaufe des Jahres Wirkung zeigen sollten.
Risiken:
Wegen der jüngsten Währungsturbulenzen drohen Nestle dauerhafte Probleme auf dem zweitwichtigsten Markt China. Um die schwächelnde Wirtschaft der Volksrepublik anzukurbeln hat, die Regierung den Yuan in den vergangenen Tagen mehrfach abgewertet - und damit für schwere Unruhen an den Finanzmärkten gesorgt. Je weiter der Yuan fällt, desto stärker schmälert das die in Franken umgerechneten Einnahmen von Nestle.
Der Umbau vom Lebensmittel- zum Gesundheitskonzern birgt für Nestle neben den Chancen auch Risiken. Dazu zählen vor allem die Forschungsausgaben, die im Falle von Misserfolgen die Bilanz belasten könnten.
Nestle ist in mehrere Skandale verwickelt. In Indien brachte der Konzern angeblich mit Blei verunreinigte Maggi-Nudeln auf den Markt. Daraufhin wurde ein Verkaufsverbot ausgesprochen, das am Donnerstag wieder aufgehoben wurde. Für den Zwischenfall musste das Unternehmen 44 Millionen Euro berappen. Für die Bilanz spielt der Betrag zwar kaum eine Rolle, doch der Imageschaden dürfte bleiben.
Viele Lebensmittel von Nestle enthalten aus Form- und Haltbarkeitsgründen Transfette. Diese sollen jedoch ab Juni 2018 in allen Nahrungsmitteln, die in den USA hergestellt werden, verboten werden. Der Grund: Die US-Behörde FDA sieht in Transfetten die Hauptursache für Herzkrankheiten. Das stellt den Konzern vor große Herausforderungen, erwirtschaftet er doch 25 Prozent seines Gesamtumsatzes in den Vereinigten Staaten.
Fazit:
Nach Einschätzung von BÖRSE ONLINE wiegen die Chancen schwerer als die Risiken. Die Nachfrage in Europa zieht an und das Tiefkühlgeschäft in den USA gewinnt an Schwung. Zudem verkaufen sich Kaffeeprodukte und Tiernahrung in vielen Ländern glänzend. Das organische Umsatzwachstum lag im ersten Halbjahr bei ordentlichen 4,5 Prozent und die Prognose für das Gesamtjahr steht. Demnach erwartet Nestle ein organisches Wachstum von fünf Prozent. Die Margen und der währungsbereinigte Gewinn sollen sich verbessern.
Darüber hinaus sehen wir mehr Kurspotenzial als die meisten Analysten. Mit 80 Euro liegt unser Kursziel fünf Euro höher das der Experten. Das entspricht einer Steigerungsperspektive von 16,9 Prozent. Das sollte Anlegern genügen, um sich das Papier ins Depot zu legen, zumal ja auch noch eine Dividendenrendite von mehr als drei Prozent winkt. Die Nestle-Aktie bleibt damit ein gutes Investment für Langfristanleger.
Stoppkurs: 53,50 Euro
Kursziel: 80,00 Euro
Zum Autor: Nikolaus Hammerschmidt ist seit mehr als dreieinhalb Jahren Online-Redakteur bei boerse-online.de. Er schreibt über Aktien, insbesondere (Rück-) Versicherer. Zudem verfasst er das wöchentliche "Leserinvestment" in der Heftausgabe.