"Wenn man nichts anderes zu greifen hat, stillt das den Hunger", sagt Schneider. "Ich habe einen kleinen Eigenvorrat hier. Meine Lieblingssorten sind - gut gekühlt - Walderdbeere oder Waldfrucht." Ab September muss der 50-Jährige wohl auf andere Muntermacher umsteigen. Dann heuert er beim weltgrößten Lebensmittelkonzern Nestle an. Im kommenden Jahr übernimmt er bei dem Unternehmen mit Sitz in Vevey am Genfer See den Chefsessel.

Für den großgewachsenen, drahtigen Manger ist es ein gewaltiger Karrieresprung. Nestle ist an der Börse derzeit rund 230 Milliarden Dollar wert - etwa sechs mal so viel wie Fresenius. Investoren hoffen, dass Schneider bei den Schweizern für frischen Wind und mehr Wachstum sorgen wird - unter anderem im Geschäft mit Gesundheitsprodukten. Analysten setzten zudem darauf, dass er - wie bei Fresenius - große Übernahmen wagt und dabei eine höhere Verschuldung in Kauf nimmt. "Er ist der richtige Mann am richtigen Ort", sagt Analyst Alain-Sebastian Oberhuber von der Investmentbank Mainfirst.

Als Vorstandschef bei Fresenius hat Schneider in den vergangenen 13 Jahren mit zahlreichen Milliarden-Übernahmen für Schlagzeilen gesorgt. Heute ist das Unternehmen, das aus der Frankfurter Hirsch-Apotheke hervorgegangen ist, ein global aktives Firmenkonglomerat in der Gesundheitsbranche.

MEGA-DEALS RAUBEN SCHNEIDER DEN SCHLAF



Für Schneider sind große Übernahmen persönlich immer eine Qual. "Es sind ziemlich viele Nächte, die sie darüber nicht schlafen." Grundsätzlich ist er jedoch das Ansicht, dass Firmenchefs vor Risiken nicht zurückschrecken dürfen. "Wenn sie ein Unternehmen führen nach Fehlervermeidung, dann haben sie eine Behörde - das will niemand."

In Europa würde sich Schneider, der einen deutschen und amerikanischen Pass besitzt, manchmal mehr Unternehmergeist wie in der US-Ideenschmiede Silicon Valley wünschen. "Spielerischer mit Fehlern umzugehen, ganz im Schumpeter'schen Sinne, ist der Motor von Marktwirtschaft - und der darf nicht kaputtgehen", hat er mal auf einer Konferenz gesagt. "Und wer unternehmerisch entscheidet, der liegt früher oder später falsch."

Bei Fresenius hat Schneider jedoch meist ein gutes Händchen bewiesen. Die Übernahmen der Klinikkette Helios sowie von zahlreichen Krankenhäusern des Konkurrenten Rhön haben sich ebenso also Glücksgriff erwiesen wie der Kauf des US-Arzneimittelherstellers APP. Der Umsatz des Gesundheitskonzerns hat sich seit Schneiders Amtsantritt vervierfacht, der Gewinn mehr als verzwölffacht. "Er hat das Unternehmen geprägt", betont Aufsichtsratschef Gerd Krick.

DER VORSTANDSCHEF WECHSELT DIE BETTWÄSCHE



Schneider wird in der Kleinstadt Neuwied in Rheinland-Pfalz geboren. Er studiert Wirtschaftswissenschaften an der Universität St. Gallen und in Harvard. Anschließend arbeitet er für den Pharmahändler Gehe und den Mischkonzern Haniel. 2001 wechselt er als Finanzvorstand zur Fresenius Dialyse-Tochter FMC, zwei Jahre später übernimmt er die Führung des Mutterkonzerns Fresenius.

Als Schneider Vorstandschef wird, bittet ihn der damalige Pressechef, etwas über sich als Mensch zu erzählen. Da Schneider nichts über sein Privatleben preisgeben will, sagt er, er laufe gerne - und bestätigt auf Nachfrage, auch schon mal einen Marathon absolviert zu haben. Von manchen Medien bekommt Schneider in den folgenden Jahren den Zusatz "Marathonläufer" und "passionierter Marathonläufer" verpasst, dabei ist er die 42 Kilometer letztmals Anfang des Jahrtausends gelaufen. Seit er Vorstandschef ist, fehlt dafür schlicht die Zeit. Und Schneider ist obendrein der Ansicht, dass Marathonlaufen in seinem Alter für Sehnen und Kochen nicht mehr das beste ist.

Ansonsten gibt sich der Manager bodenständig. Ins Büro fährt er in der Regel selbst - alle Vorstände und Aufsichtsräte müssen sich bei Fresenius einen Chauffeur teilen. Ein bis zwei mal im Jahr arbeitet er zudem in einem Helios-Krankenhaus mit, um zu sehen, wie es vor Ort zugeht. "Ich mache Krankentransporte, wechsle Bettwäsche und teile Essen aus." Und auch mit Produkten seines neuen Arbeitsgebers kommt er hin und wieder in Kontakt. Wenn er am Wochenende Akten durcharbeitet, genehmigt er sich hin und wieder eine Tiefkühlpizza.