von Herausgeber Frank-B. Werner

Bei den Tarifverhandlungen sollten die Gewerkschaften den volkswirtschaftlich neutralen Verteilungsspielraum voll ausnutzen, lässt sich Bundesbank-Chefvolkswirt Jens Ulbrich vernehmen. Wie bitte? Bislang hielt sich die Bundesbank in Sachen wirtschaftspolitische Empfehlungen aus guten Gründen zurück. Schließlich setzt sie die Entscheide der Europäischen Zentralbank in Deutschland um - und deren vornehmste Aufgabe ist die Sicherstellung der Geldwertstabilität. Einen Großteil ihrer Glaubwürdigkeit bezieht die Institution aus ihrer Neutralität in allen anderen Fragen. Über Nacht macht sich die Bundesbank nun die Auffassung zu eigen, die Konjunktur ließe sich über die Beeinflussung makroökonomischer ­Aggregate steuern. Das ist nicht nur umstritten, die Bundesbank verletzt damit auch ihre Neutralität.

Am Dienstag wurde Karl Albrecht zu Grabe getragen. 94 Jahre wurde er alt, überlebte seinen Bruder Theo um vier Jahre, mit dem er zusammen aus dem ererbten Lebensmittelgeschäft der Eltern Albrecht-­Discount, kurz Aldi, schuf. Gut geht auch günstig, war der Ansatz der Albrechts, die ein eigenes Handelsformat entwickelten, mit spartanischer Einrichtung und einer überragenden Bedeutung von Handels­marken. Erst spät schafften auch einige bekannte Marken wie Coca-Cola den Sprung in die Regale des Harddiscounters, der auch in der Werbung ganz eigene Wege ging. Bis heute gibt es von Aldi keinen einzigen TV-Spot, sondern nur Prospekte und Anzeigen in der Tagespresse. Es ist eine der großen unternehmerischen Erfolgsgeschichten der Bundesrepublik Deutschland, die schließlich aus den Albrecht-Brüdern die - gemessen an der "Forbes"-Liste - reichsten Deutschen machte. Man erfuhr wenig über sie, und nach der Entführung von Theo im Jahr 1971, der erst nach Zahlung eines Lösegeldes von sieben Millionen Mark wieder freikam, schotteten sich die Brüder von der Außenwelt regelrecht ab. Sie nahmen keine Ehrungen an, gaben keine Interviews, hielten sich von der Politik fern und tauchten im öffentlichen Raum praktisch nicht auf. Von Karl ist bekannt, dass er in Donaueschingen Golf spielte und als tiefreligiöser Mensch wohl ein großzügiger Spender war. Jetzt liegt er neben seinem Bruder auf dem Essener Friedhof.