Ob Total, Royal Dutch oder BP, alle sind dabei, ihre Geschäftsmodelle auf die Post-Öl-Ära auszurichten. Der Löwenanteil der Investitionen fließt in den Bereich erneuerbare Energien. Die Exploration neuer Öl- und Gasquellen läuft dagegen auf Sparflamme. Das macht sich bereits bei der Fördermenge bemerkbar. Kürzlich hob Shell, die Nummer 2 der weltweit größten Ölkonzerne, den prognostizierten Rückgang der Fördermenge von zwei auf drei Prozent an. Doch die Nachfrage nach Erdöl ist nicht weniger geworden, tendenziell wird sogar mehr Öl nachgefragt.
Weil das Angebot knapp ist, sind die Preise für den fossilen Rohstoff gestiegen. Im Juli notierte die Ölsorte WTI bei 77 Dollar, das Jahreshoch wurde im Oktober bei über 85 Dollar erreicht. Die hohen Energiepreise heizen die Inflation an. Außerdem dämpft das die Konjunktur. Um dem entgegenzuwirken, lösten einige Staaten bereits strategische Ölreserven auf. Die USA forderten die OPEC-Staaten sogar auf, den Ölhahn weiter aufzudrehen. Allerdings ist billiges Erdöl nicht im Interesse der Ölförderstaaten rund um den Golf. Wie erwartet werden die OPEC-Staaten und ihre Partner ab Februar jeden Tag 400 ?000 Barrel Öl zusätzlich fördern, aber auch keinen Tropfen mehr.
Für strategische Anleger ergibt sich aus dieser Konstellation eine spannende Investmentgelegenheit. Wenn Europa und die USA ihre Investitionen in fossile Brennstoffe zurückfahren, die OPEC das Angebot knapp und so den Preis hoch hält, wird es für Dritte umso lukrativer, diese Lücke zu schließen.
Große Reserven
Diese Chance hat Brasilien für sich erkannt. Mit einem Anteil von drei Prozent am weltweiten Ölangebot sind die Südamerikaner der achtgrößte Produzent, der gleich nach den Vereinigten Arabischen Emiraten kommt. Gut möglich, dass Brasilien mit Petrobras schon sehr bald in die Top 5 aufsteigt. Der Ölkonzern, an dem der Staat mit rund 64 Prozent beteiligt ist, hat ein umfangreiches Investitionsprogramm beschlossen. Von 2022 bis 2026 will das Unternehmen 68 Milliarden Dollar investieren, um neue Ölquellen zu erschließen. Schon Anfang der Nullerjahre entdeckte Petrobras immense Vorkommen sehr tief unter dem Meeresboden.
Doch erst mit neuerer Technik lohnte sich der Aufwand, das Öl, das unter bis zu 2000 Meter dicken Salzschichten liegt, zu fördern. Entstanden ist das schwefelarme und hochwertige Pre-Salt-Öl vor 160 Millionen Jahren, als sich die Gondwana, ein erdgeschichtlicher Großkontinent, teilte, sodass sich unter anderem die heutigen Kontinente Südamerika und Afrika bildeten. Mit dem geschätzten Erdölvorkommen im Santos-Becken des Südatlantik hat Brasilien seinen Ölvorrat auf 50 Milliarden Barrel gesteigert. Rund die Hälfte der brasilianischen Fördermengen wird aus der Tiefsee gepumpt. Dabei hat es Petrobras geschafft, die reinen Fertigungskosten auf unter zehn Dollar pro Barrel zu senken.
Hohe Ausschüttungen
Zwischen 2016 und 2020 erzielte Petrobras einen freien Cashflow von 140 Milliarden Dollar, zweieinhalbmal so viel wie ExxonMobil im selben Zeitraum. Daran will auch der Staat seinen Anteil haben und verordnete dem Unternehmen eine üppige Ausschüttungspolitik, die an den Cashflow gebunden ist. So kamen die Anteilseigner 2021 mit mehreren Ausschüttungen insgesamt auf eine Dividendenrendite von rund 20 Prozent. Der Modus soll beibehalten werden. Angesichts der hohen Ölpreise ist das durchaus möglich und die Investition in die ertragreichen Offshore-Felder zahlt sich aus. Gleichzeitig hält Petrobras mit Verkäufen aus dem Portfolio die Verschuldung auf Niveau.
Allerdings haben die Brasilianer in der Vergangenheit mit Korruptionsskandalen Vertrauen verspielt. Die Aussicht auf eine üppige und verlässliche Dividende könnte eine erste vertrauensbildende Maßnahme sein. Trotzdem bleibt ein Engagement riskant, auch wegen der anstehenden Wahlen. Immer wieder werden Stimmen laut, die den Rückzug des Staates propagieren. Welche Auswirkung das auf die Aktie haben könnte, ist schwer einzuschätzen.
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