Norwegische Männer, so das Klischee, sind coole Typen, verschlossen und wortkarg. Sie tragen Bärte, dicke Wollpullover, sind trinkfest und sitzen am liebsten am Fjord und angeln. Wikinger halt, wie ihre Ahnen. Einer, der diesem Klischee so ganz und gar nicht entspricht, ist Petter Stordalen. Der 57-jährige Entrepreneur ist ein gnadenloser Selbstvermarkter, Darling der skandinavischen Boulevardpresse. Ein Abenteurer, der in derselben Liga spielt wie Richard Branson oder Elon Musk, wenn es um den Glamour-Lifestyle, waghalsige Stunts und die Leidenschaft für Big Deals geht.
Die Stunts des topfitten Ex-Triathleten Stordalen, der jeden Morgen zusammen mit seinem deutschen Schäferhund zehn Kilometer joggt und den ersten bioethanolbetriebenen Ferrari der Welt fährt, nutzen vor allem seinen Unternehmen. Seine Hoteleröffnungen sind legendär. So ließ er sich zur Eröffnung des Clarion Hotel Arlanda Airport am Flughafen von Stockholm per Hubschrauber auf dem Hoteldach absetzen und rannte dann kopfüber die 57 Meter hohe Front des Gebäudes angeseilt hinab. Tausende Zuschauer jubelten ihm zu - ein schlagzeilenträchtiges Event. Für sein 200 Millionen Dollar teures Clarion Hotel Post in Göteborg schwebte der Hausherr bei der Eröffnung in einer gigantischen Discokugel auf die Bühne. Und bei der Eröffnung seines Luxushotels Clarion Hotel & Congress in Malmö bretterte er in bester James-Bond-Manier in einem schwarzen Smoking auf einem Jetski durch die Kanäle, um dann auf der Laderampe des Hotels etwas unsanft mit einem Salto zu landen. "Richard Branson allerdings hätte dabei wahrscheinlich noch ein nacktes Model auf den Schultern getragen", mokierte sich das "Manager Magazin". Die Bruchlandung bezeichnete er später als "den größten Arschklatscher des Jahrhunderts". Ihre mediale Wirkung verfehlte die Aktion nicht, das Video war ein riesiger PR-Erfolg. Stordalen: "Auch wenn ich scheitere, funktioniert es."
"Heute brauchen Hotels gar keine Broschüren mehr. Wenn Gäste auf Tripadvisor die Leistungen meiner Angestellten honorieren, ist das effektiver und ehrlicher als alles Marketing", behauptet Stordalen, der mit einem eigenen Blog und seinem Twitter-Account die Klaviatur der sozialen Medien bravourös beherrscht. Er wirbt dafür, dass in seinen Hotels "Gäste wie Rockstars und Rockstars wie Gäste behandelt werden".
Der Erdbeerkönig
Petter Stordalen kam 1962 in der norwegischen Hafenstadt Porsgrunn als Sohn eines Gemüsehändlers zur Welt. Bereits mit zehn Jahren musste er im elterlichen Geschäft mithelfen und zwei Jahre später in den Sommerferien allein auf dem Markt Erdbeeren verkaufen. Er bewies dabei schon früh unternehmerische Qualitäten und wurde von der Presse als "Norwegens bester Erdbeerverkäufer" ausgezeichnet. Die Erdbeere wurde übrigens später zum Logo seines Hotel-Imperiums - er ließ es sich sogar auf seinen Oberkörper tätowieren.
Er lernte damals auch eine Lektion, die sein ganzes späteres Leben beeinflussen sollte. Als er sich einmal bei seinem Vater beklagte, dass seine Erdbeeren kleiner und grüner seien als jene der Marktfrauen, antwortete dieser: "Du musst die Erdbeeren verkaufen, die du hast, denn es gibt keine anderen, die du verkaufen kannst." Immer das Beste aus dem zu machen, was man hat - dies sollte später eines seiner Erfolgsgeheimnisse werden.
Nach der Highschool führte er kurzzeitig den Laden seines Vaters und begann dann ein Marketingstudium. Er war erst 24, als er Chef von City Syd in Trondheim wurde, damals die größte Shoppingmall Norwegens. 1992 gelang es ihm, zusammen mit einer Investorengruppe das legendäre, aber bankrotte Warenhaus Steen & Strøm in Oslo zu ersteigern. Innerhalb von vier Jahren baute er die marode Firma zum größten Shoppingunternehmen Skandinaviens aus. Ein Zerwürfnis mit dem Hauptaktionär Stein Erik Hagen resultierte 1996 in seiner Entlassung.
Noch im gleichen Jahr erwarb Stordalen mit einem Partner für 100 Millionen norwegische Kronen 68 Prozent der skandinavischen Choice-Hotelkette, die damals acht Hotels besaß. Er eröffnete in den darauffolgenden drei Jahren alle zwei Wochen ein neues Hotel und stellte alle zehn Tage 50 neue Mitarbeiter ein.
Über seine Firma Home Invest ist er heute alleiniger Eigentümer von Nordic Choice Hotels, einem Imperium von über 190 Häusern in Norwegen, Schweden, Dänemark, Litauen und Lettland. Weitere Expansionspläne über die nordischen Länder hinaus hat er nicht: "Ich bin lieber ein großer Fisch im kleinen Becken als ein kleiner Fisch im großen."
Stordalen mag der Rockstar der Branche sein. Aber er ist auch ein Philanthrop und Umweltaktivist. Mit seiner "Stordalen Foundation" kämpft er für eine bessere Welt und setzt einen bedeutenden Teil seines Firmengewinns für den Kampf gegen die Klimaerwärmung ein.
Unterstützt wird er von seiner Frau Gunhild Stordalen, Ärztin und ehemaliges Model, die er 2010 heiratete. Die Hochzeitsfeier fand in Marrakesch im historischen Palasthotel La Mamounia statt. Rockmusiker und Umweltaktivist Bob Geldof organisierte die Feier mit 240 Gästen. Gunhild Stordalen kümmert sich unter anderem um das Nachhaltigkeitsmanagement im Hotelimperium ihres Ehemanns. Im November 2019 gaben Petter und Gunhild Stordalen indes ihre Trennung bekannt.
Was ist sein Erfolgsgeheimnis? "Ein Unternehmer muss die Fähigkeit haben, niemals aufzugeben, unter keinen Umständen. Und er muss die Angst vor dem Scheitern überwinden können."