Nach einer zuvor starken Entwicklung seit Mitte März hat sich Gold seit dem am 6. August markierten Rekordhoch von gut 2.070 Dollar je Feinunze eine Auszeit gegönnt. Aktuell bewegt sich die Notiz dadurch wieder bei etwas niedrigeren 1.899 Dollar.

Weil wir nicht zuletzt auch dank der Coronavirus-Pandemie in Zeiten leben, die wir so früher nicht kannten, sind Preisprognosen derzeit mit noch mehr Unsicherheiten behaftet als das ohnehin bei Vorhersagen an den Finanzmärkten üblich ist. Es macht deshalb Sinn, sich Gedanken über die weiteren Aussichten dergestalt zu machen, indem man sich überlegt, wie die Rahmenbedingungen aussehen, was für Szenarien eintreten könnten und was diese dann jeweils für die Entwicklung beim Goldpreis bedeuten könnten.

Genau das hat der Vermögensverwalter WisdomTree in einer aktuellen Studie zu dem gelben Edelmetall getan. Der Emittent von Exchange Traded Products (ETPs), also passiv gemanagten, an der Börse handelbaren Wertpapieren, die sich auf die Kursentwicklung von Aktien, Anleihen, Rohstoffen oder Währungen beziehen, hat Prognosen für den Goldpreis bis zum 3. Quartal 2021 abgegeben.

In der Publikation zeigt das Institut eine Konsensprognose (basierend auf Konsensprognosen für alle makroökonomischen Inputs und der Annahme, dass die Investorenstimmung gegenüber Gold unverändert bleibt) auf und erklärt, wohin es mit dem Goldpreis in einem optimistischen und in einem pessimistischen Szenario gehen könnte. Demnach sind in einem Jahr Notierungen von 2.410 Dollar bzw. 1.325 Dollar denkbar.

BÖRSE ONLINE berichtet, was laut WisdomTree passieren muss, dass die Notierungen in den nächsten zwölf Monaten innerhalb der genannten Bandbreite entweder nach oben oder nach unten laufen.


Quelle: WisdomTree-Modellprognosen, Bloomberg Historical Data. Daten zum Handelsschluss am 23. September 2020. Sie können nicht direkt in einen Index investieren. Prognosen sind kein Indikator für die zukünftige Performance und jegliche Investitionen unterliegen Risiken und Unsicherheiten.

Unterstellte Goldpreisentwicklung im Rahmen der Konsens-Prognose



Am Anfang der Studie fasst WisdomTree zunächst das jüngste Handelsgeschehen zusammen. Das heißt, man konstatiert, dass nach dem Erreichen eines neuen Intraday-Höchststandes am 6. August 2020 von über 2.070 Dollar je Feinunze der Goldpreis bis zum 24. September 2020 um fast zehn Prozent gefallen ist. Trotzdem komme Gold im bisherigen Jahresverlauf noch immer auf ein Plus von 22 Prozent. Research-Direktor Nitesh Shah erinnert zum daran, dass Gold einer der wenigen Assets war, das in den schlimmsten Phasen der COVID-19-Krise einen Kursanstieg verbuchte.

Der jüngste Kursverfall ereigne sich zu einem spannenden Zeitpunkt: die Inflationserwartungen steige, der Dollar zeige Schwäche und die wirtschaftliche Ungewissheit, die durch die COVID-19-Pandemie verursacht wurde, liege noch nicht hinter uns. Die zyklischen Markteinbrüche des vergangenen Monats könnten defensive Werte wie Gold und US-Staatsanleihen unter Druck setzen, genauso wie es im März 2020 zu sehen war, so Shah.

Zur damaligen Zeit hätten Investoren liquide Werte aufgrund von Einbrüchen in anderen Teilen ihres Depots abgestoßen. Sehe man Gold nur als defensiven Wert, könnte sich ein zyklischer Aufschwung negativ auf den Kurs auswirken. Historisch gesehen sei Gold jedoch nicht nur als defensiver Wert zu betrachten. Der Kurs tendiere dazu, mit der in Phasen starken Wirtschaftswachstums entstehenden Inflation zu steigen. Solange der Aufschwung nicht durch eine aggressive Verschärfung der Geldpolitik begleitet werde, könne bei Gold mit weiteren Anstiegen gerechnet werden.

Die internen Prognosen von WisdomTree für das kommende Jahr zeigten, dass der jüngste Kursverfall von Gold einen attraktiven Einstiegspunkt erzeugt habe, insbesondere für den Fall, dass die wirtschaftliche Ungewissheit anhalten sollte.

Die Konsensprognose von WisdomTree wurde an die neue Inflationszielregelung der Fed angepasst, bei der die Zentralbank die durchschnittliche Inflation betrachtet und sie über zwei Prozent steigen lässt, um Zeiträume zu kompensieren, in denen sie diese Marke unterschritten hat. Der Konsens geht davon aus, dass die Zinssätze im kommenden Jahr unverändert bleiben. Die Dotplots der Fed zeigen, dass die Zinspolitik bis 2023 auf Eis bleibt.

Der Konsens geht von einem starken Anstieg der Inflation über 2,0 Prozent bis auf 2,4 Prozent Mitte 2021 aus. Dies spiegelt die steigenden Energiepreise wider, die nach den starken Rückgängen Anfang 2020 zu verzeichnen waren. Doch selbst für die Kerninflation wird demnach ein Anstieg von aktuell 1,3 Prozent auf 1,7 Prozent im zweiten Quartal 2021 prognostiziert, was einen breit angelegten Preisanstieg suggeriert.

Der Markt erwartet der WisdomTree-Prognose eine Verdopplung der zehnjährigen US-Staatsanleihen vom Tiefpunkt von 0,50 Prozent, der im August 2020 erreicht wurde. Das spiegele in Teilen die steigende Verschuldung der US-Regierung wider. Dem Konsens nach sei eine Steuerung der Zinsstrukturkurve hierbei nicht eingepreist. Die Rendite für US-Staatsanleihen mit Inflationsschutz (Treasure Inflation Protected Securities, TIPS) verbleibe negativ an einem Tiefpunkt von -0,93 Prozent. Die wachsende Kluft zwischen den realen und nominalen US-Staatsanleiherenditen weise auf die Erwartung einer steigenden Inflation hin.

Obwohl der Konsens steigender US-Staatsanleiherenditen von einem Markt mit unveränderter Zinspolitik ausgehe, werde eine weitere Entwertung des Dollars erwartet. Diese Divergenz zwischen Dollar und US-Staatsanleihen füge sich in die Sorgen über eine wachsende Verschuldung ein.

Im Konsensszenario belässt WisdomTree die Positionierung in Gold-Futures grob unverändert (Netto-Long-Position von 250.000 Kontrakten) und preist daher keinen weiteren Optimismus für das Metall ein. In diesem Jahr hatte die Netto-Long-Positionierung bereits den Spitzenwert von fast 400.000 Kontrakten erreicht. Im unterstellten Konsens-Szenario könnte Gold auf 2.075 Dollar/Unze steigen und damit ein neues Rekordhoch erreichen (wenn auch nur knapp über der Bestmarke vom August 2020).


Quelle: Bloomberg, WisdomTree. Daten zum Handelsschluss am 24. September 2020. Sie können nicht direkt in einen Index investieren. Prognosen sind kein Maßstab für zukünftige Ergebnisse, und Anlagen jeglicher Art unterliegen Risiken und Unsicherheiten.

Goldpreis-Szenario bei fortlaufender wirtschaftlicher Unsicherheit



Der Konsens scheint nach Einschätzung von Wisdom Tree steigende wirtschaftliche Stabilität und die Fortsetzung des Konjunkturaufschwungs der vergangenen Monate einzupreisen. Angesichts steigender COVID-19-Fallzahlen und fortbestehender Social-Distancing-Regeln bis zur Entwicklung eines Impfstoffs müsse die Fed ihre Geldpolitik zusätzlich zum erwarteten Konjunkturprogramm möglicherweise weiter lockern. Ein möglicher Weg für die Fed bestehe dafür in der Steuerung der Zinsstrukturkurve. Dies dürfte US-Staatsanleiherenditen im Vergleich zur Konsenserwartung weiter einschränken.

Die Inflation könnte einen Höchstwert knapp unter drei Prozent erreichen, da die Maßnahmen der Fed die wirtschaftliche Nachfrage steigerten, während das Angebot aufgrund von COVID-bedingten Lieferkettenengpässen beschränkt bleibe. Die Lockerung der Geldpolitik könnte den US-Dollar außerdem weiter schwächen als vom Konsens erwartet.

Während die Zentralbank weiter mit neuen geldpolitischen Werkzeugen experimentiere und der Dollar an Wert verliere, wende sich die Investorenstimmung gegenüber Gold positiv und die Positionierung in Gold-Futures wachse auf eine Netto-Long-Position von 350.000. Je stärker die realen Renditen fielen, desto attraktiver werde Gold im Gegenzug.

In diesem Szenario könnte Gold auf 2.410 Dollar je Feinunze steigen - ein Zuwachs von 30 Prozent im Vergleich zum Kursniveau im September 2020.


Quelle: Bloomberg, WisdomTree. Daten zum Handelsschluss am 24. September 2020. Sie können nicht direkt in einen Index investieren. Prognosen sind kein Maßstab für zukünftige Ergebnisse, und Anlagen jeglicher Art unterliegen Risiken und Unsicherheiten.

Goldpreis-Szenario bei einer restriktiven US-Notenbank



Beim nächsten Szenario spielt WisdomTree den Advocatus Diaboli (deutsch Anwalt des Teufel): Was, wenn sich die wirtschaftlichen Bedingungen verbessern und die Fed bestrebt ist, die Inflation unter zwei Prozent zu halten, um die langfristigen Erwartungen abzusichern?

Angesichts der Tatsache, dass die Fed ihre Inflationsregelung kürzlich geändert habe, sei dieses Szenario das unwahrscheinlichste, angesichts seiner Implikationen jedoch eine Besprechung wert.

Zunächst verbleibe die Inflation für den Prognosehorizont unter zwei Prozent. Dank steigender Zinsen könnten die zehnjährigen US-Staatsanleiherenditen auf zwei Prozent steigen. Das würde eine Vervierfachung des Niveaus vom August 2020 bedeuten.

Der Dollar könnte ebenfalls an Wert gewinnen, wenn die Fed die Zinsen aggressiver als andere Zentralbanken straffen sollte. Die Ängste über eine Dollarentwertung würden abebben.

Davon ausgehend, dass eine tatsächliche Konjunkturerholung stattfinde, die nicht inflationär sei und der Markt die Handlungen der Fed nicht für einen Fehler halte, könnte sich die Positionierung in Gold-Futures dem historischen Durchschnitt nähern.

In diesem Szenario könnte Gold auf 1325 Dollar je Feinunze fallen und damit zurück auf ein Niveau, das man zuletzt in der ersten Hälfte 2019 gesehen habe.

Allgemein glaubt WisdomTree, dass die wirtschaftliche Unsicherheit während dieser ungewöhnlichen und noch nicht vollständig überstandenen Pandemie anhalten wird. Obwohl bereits das Konsensszenario einen Weg aufzeige, bei dem Gold verlorenen Boden gutmachen könne, glaubt man, dass das Edelmetall bei wirtschaftlicher Unsicherheit sogar noch stark steigen könnte.

Das Szenario eines maßgeblichen Wirtschaftsaufschwungs sei zwar nicht außer Acht lassen. WisdomTree zweifelt jedoch daran, dass sich die Fed sehr restriktiv verhalten könnte und weist diesem Szenario daher eine geringe Wahrscheinlichkeit zu.


Quelle: Bloomberg, WisdomTree. Daten zum Handelsschluss am 24. September 2020. Sie können nicht direkt in einen Index investieren. Prognosen sind kein Maßstab für zukünftige Ergebnisse, und Anlagen jeglicher Art unterliegen Risiken und Unsicherheiten.