Als Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter am 22. September das erste Fass Oktoberfestbier angezapft hat, beschäftigte die 6000 Besucher im Schottenhammel-Zelt und Millionen vor den TV-Schirmen vor allem eine Frage: Wie viele Schläge braucht das Stadtoberhaupt, um den Gerstensaft zum Strömen zu bringen? Es waren zwei Schläge. Schon davor stand fest, dass der Bierpreis auf dem weltgrößten Volksfest neue Superlative erreicht. Bis zu 11,50 Euro müssen die Besucher für einen Liter hinlegen. Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Maß damit um nahezu 40 Prozent verteuert. Dem Durst der Wiesnbesucher tat das keinen Abbruch. 2017 schenkten die Festwirte 7,5 Millionen Liter aus. Damit verfehlte das Oktoberfest den Spitzenwert von 2014 nur um 200 000 Maß. Die Münchner Bierlaune kommt den zwei größten Brauereikonzernen der Welt zugute. Die Oktoberfest-Lieferanten Spaten und Löwenbräu zählen zum Markenportfolio von AB InBev. Derweil hält Heineken eine Beteiligung an den Traditionsbrauern Paulaner und Hacker-Pschorr.

An der Börse hatten die Platzhirsche zuletzt einen schweren Stand. AB InBev büßte im bisherigen Jahresverlauf nahezu 18 Prozent ein. Dabei konnten sich die jüngsten Zahlen des belgischen Konzerns durchaus sehen lassen. Die Fußball-WM schob das Geschäft im zweiten Quartal an. Als offizieller Sponsor nutzte AB InBev das Turnier in Russland für die größte Marketingkampagne der Firmengeschichte. Die verstärkte Medienpräsenz bescherte dem Branchenprimus ein Umsatzwachstum von 4,7 Prozent. Da AB InBev im Zuge der Übernahmen des Rivalen SABMiller Kosten einsparen konnte und zudem mehr hochpreisiges Bier verkauft hat, legte der Betriebsgewinn überproportional um sieben Prozent zu.

An der Börse herrschte nach der Zahlenvorlage dennoch Katerstimmung. Investoren störten sich an der Entwicklung in den USA. Auf dem größten Einzelmarkt bremste den Konzern die sinkende Beliebtheit der Marken Budweiser und Budweiser Light aus. Gleichwohl blickt das Management optimistisch nach vorn und stellt für 2018 deutliche Verbesserungen bei Umsatz und Ergebnis in Aussicht. Analysten trauen AB InBev im kommenden Jahr sogar eine Wachstumsbeschleunigung zu. Auf Basis der aktuellen Schätzungen für 2019 beträgt das Kurs-Gewinn-Verhältnis beim "Bierkönig" weniger als 15. Hinzu kommt eine Dividendenrendite von nahezu fünf Prozent. Angesichts dieser Kennziffern sehen wir die Zeit gekommen, AB InBev auf "Kaufen" hochzustufen.



Derweil sollten Anleger Heineken allenfalls auf die Watchlist setzen. Nicht nur, dass die globale Nummer 2 einen Bewertungsaufschlag gegenüber AB InBev zeigt. Die Niederländer sorgten Ende Juli mit einer Gewinnwarnung für Verunsicherung. Konzernchef Jean-François van Boxmeer erwartet im laufenden Jahr einen Rückgang der operativen Gewinnmarge um 20 Basispunkte. Zuvor hatte er eine deutliche Verbesserung in Aussicht gestellt. Nach Ansicht der Berenberg Bank könnten steigende Kosten den Margendruck bei Heineken weiter verstärken. In einer aktuellen Branchenstudie hat die Privatbank die Aktie daher auf "Verkaufen" herabgestuft.

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Profiteure des Craft-Booms



Berenberg setzt sich in der Publikation intensiv mit dem Kostendruck im Sektor auseinander - vor allem die erhöhten Gersten- und Energiepreise lasten den Experten zufolge auf dem Profit. Diesem Trend kann sich auch Carlsberg nicht entziehen. Umso intensiver treibt Unternehmenschef Cees ’t Hart sein Sparprogramm voran. Beim Bierausstoß bescherte den Dänen die Fußball-WM eine Sonderkonjunktur. Im zweiten Quartal erhöhte Carls-berg auf dem seit Jahren schwächelnden russischen Markt das verkaufte Volumen um ein Zehntel. Insgesamt verbuchte der Konzern ein organisches Absatzwachstum von 3,4 Prozent. Vor allem die innovativen Craft-Biere waren gefragt. Außerdem profitieren die Dänen davon, dass immer mehr Chinesen zu den Premiummarken Tuborg, Carlsberg und 1664 Blanc greifen. Nach einem guten Start in das dritte Quartal schraubte ’t Hart die Prognose nach oben. Carlsberg soll 2018 beim operativen Ergebnis im hohen einstelligen Prozentbereich wachsen. Zuvor hatte der Chef eine mittlere einstellige Verbesserung erwartet. Insofern ist es nicht überraschend, dass sich die Carls-berg-Aktie dem schwachen Branchentrend entziehen kann und knapp unter ihrem Allzeit-hoch notiert - das operative Momentum spricht zudem für die Fortsetzung des Aufwärtstrends.

Mit der Boston Beer Company verdient sich auch ein US-Sektorvertreter derzeit das Prädikat "Outperformer". Im bisherigen Jahresverlauf steht für die Aktie ein Plus von mehr als 70 Prozent zu Buche. Das 1984 gegründete Unternehmen hat sich dem Craft-Bier-Trend verschrieben und stellt außerdem Apfel- und Schaumweine her. Damit trifft Boston Group den Geschmack der US-Konsumenten: Im ersten Halbjahr nahm der Ausstoß um 11,4 Prozent zu. Auch der Begeisterung vieler Amerikaner für die Münchner Wiesn trägt Boston Beer Rechnung. Von August bis November verkauft das Unternehmen ein "Octoberfest"-Bier. So sehr dieses Märzen zum Anstoßen einlädt: Das Potenzial der Boston-Beer-Aktie dürfte nach dem jüngsten Höhenflug ausgereizt sein.



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