Schon vergessen? Im Herbst des vergangenen Jahres preschte IWF-Chefin Christine Lagarde mit der charmanten Idee vor, jeden Haushalt in der EU, der über einen "positiven Vermögensstand" verfügt, mit einer einmaligen "Schuldensteuer" in Höhe von 10 Prozent zu belasten und das vereinnahmte Geld aus dieser Zwangsabgabe zur Begleichung der Forderungen von Banken und für den öffentlichen Schuldendienst zu verwenden.
Das war erst einmal nur einer jener kleinen Wetterballons, die man aufsteigen lässt, um die Resonanz des geneigten Publikums zu testen. Die Idee hatte ja bereits der ehemalige Euro-Gruppen-Chef und jetzige Spitzenkandidat der Christdemokraten für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten, Jean-Claude Juncker so nett skizziert: "Wir beschließen etwas, stellen es dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt."
Nun: Ein wenig Geschrei gab es nach Frau Lagardes Vorstoß. Aber eben nicht genug, um den Vorstoß wieder in der Schublade verschwinden zu lassen. Stattdessen startete der IWF ein "Forschungsprojekt". Und zu diesem trug auch der US-Ökonom Lawrence ("Larry") Summers bei, unter Bill Clinton einst US-Finanzminister. Er schlug vor, einfach das Bargeld abzuschaffen und auf die dann ja zwangsläufig unumgänglichen Guthaben auf Konten einen Negativzins zu erheben. Die "Vorteile": Staaten hätten theoretisch jederzeit Zugriff auf das Geld ihrer Bürger. Und: Die Konsumenten würden sich schon überlegen, ob sie ihr Erspartes nicht lieber ausgeben und damit das "Wachstum" ankurbeln wollten statt zuzusehen, wie ihr Guthaben vom Negativzins aufgezehrt wird.
Offiziell steht die Bundesregierung derartigen Plänen ablehnend gegenüber. Aufhorchen lassen sollte aber der Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom Januar. Denn dort findet sich u. a. folgende Passage: "In der Ausnahmesituation einer staatlichen Insolvenz könnte eine einmalige Vermögensabgabe günstiger abschneiden als die dann noch relevanten Optionen, […] denn höhere laufende Steuern oder eine massive Kürzung der Staatsausgaben könnten nicht ausreichen oder sich nicht durchsetzen lassen." Gibt es jedoch kein Bargeld mehr, lässt sich alles "durchsetzen". Vielleicht sollte man den segensreichen Beschluss der EU, ab 2016 jedem Bürger ein eigenes Basisgirokonto zu verschaffen, auch einmal aus diesem Blickwinkel bewerten. Wird in den Medien die Trommel für die Abschaffung des unhygienischen Bargeldes gerührt, sollten Sie ins Grübeln kommen. Im Übrigen haben Sie Ende Mai erfreulicherweise die Möglichkeit, Brüssel mittels eines kleinen Kreuzchens einmal über den Stand ihrer Zufriedenheit mit der EU-Politik in Kenntnis zu setzen.
Auf Seite 2: Überraschung auf Überraschung
Überraschung auf Überraschung
Das gute klassische Märchen hat es heute auch nicht mehr leicht. Was ist schon eine Müllerstochter, die aus Stroh Gold spinnen kann, verglichen mit Notenbanken, die aus Nichts Geld machen können? Und was sind Frau Holle oder Aschenputtel gegenüber dem, was uns jeden Abend als seriöse Nachrichten aufgetischt wird? Hier zumindest haben wir sie ja schon, die Zwangsabgabe, auch wenn sie sich nun Rundfunkbeitrag nennt.
Was sie da von wem in welcher Absicht geliefert bekommen, dazu hat gestern das Bundesverfassungsgericht ein richtungweisendes Urteil gefällt, das den Einfluss von Staat und Parteien auf das ZDF einschränkt. Denn im maßgeblichen "Verwaltungs- und Fernsehrat" des Senders muss der Anteil vom Politikern und "staatsnahen Personen" künftig von aktuell 44 Prozent auf ein Drittel gesenkt werden. Karlsruhe stellte damit klar, dass der Weg zum "Staatsrundfunk" nicht dem Grundgesetz entspricht. Vielleicht kommt damit künftig wieder etwas neue Würze in den medialen Einheitsbrei. Die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt.
Diesem Motto folgt auch die chinesische Wirtschaft. Und das, obwohl der Reigen negativer Konjunkturdaten länger und länger wird. Da wir es im Reich der Mitte schon einmal gar nicht mit freier, unzensierter Berichterstattung zu tun haben, darf dabei getrost davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Entwicklung noch ein Stückchen düsterer aussieht als die Daten. Und genau so sehen auch die chinesischen Aktienindizes aus.
Sehen Sie sich dieses Desaster an: Vom Hoch aus 2007 aus gemessen, hat der Shanghai Composite rund zwei Drittel seines Wertes eingebüßt. Und sollte die seit Ende 2012 etablierte, knapp unterhalb von 2000 verlaufende waagerechte Unterstützung unterbrochen werden, ist ein neuerlicher Test des Tiefs aus 2008 so gut wie sicher.
Beim HangSeng hingegen haben wir es mit einem riesigen "symmetrischen Dreieck" zu tun, an dessen unterer Begrenzungslinie der Index gerade knabbert. Auch hier ist mit einer größeren Abwärtsbewegung zu rechnen, falls die Formation tatsächlich signifikant nach unten durchbrochen werden sollte.
Dass die neuen, zuletzt nahezu ausschließlich negativen Wirtschaftsdaten immer als "überraschend" bezeichnet werden, sind wir ja bereits gewohnt. Und wahrscheinlich werden auch alle wieder überrascht sein, falls sich herausstellen sollte, dass die wirtschaftliche Abkühlung der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft haben wird. Aber da das Reich der Mitte nach Frankreich und den Niederlanden der drittgrößte Handelspartner Deutschlands ist, sollten Sie die beiden Charts im Auge behalten!
Auf Seite 3: Wall Street: Grüne Welle
Wall Street: Grüne Welle
In den vergangenen Wochen hatte ich wiederholt davor gewarnt, schon jetzt auf eine große Trendwende an den Aktienmärkten zu setzen. Mein Argument war und ist für Sie ein guter alter Bekannter: Solange die Wall Street die Nase über Wasser hält, kann es an anderen Börsenplätzen zwar zu kurzfristigen Irritationen kommen, keinesfalls aber zu einer "autonomen" Baisse. Und in New York weisen die Richtungspfeile aktuell (noch) in allen Zeitfenstern nach oben. Sehen Sie selbst:
Sieht das etwa nach Trendwende aus? Nein. Der S&P 500, in dem über drei Viertel des gesamten an der Wall Street gelisteten Aktienkapitals versammelt sind, ist eher das Gegenteil. Denn die Kurse befinden sich nach wie vor oberhalb der oberen Begrenzung des vor recht genau fünf Jahren gestarteten Aufwärtstrendkorridors. Der Trend des S&P 500 ist damit nicht als "bullish", sondern sogar "superbullish" zu bezeichnen. Aber:
Bitte beachten Sie in diesem Wochenchart auch einmal den abgebildeten Momentum-Indikator. Vor der Aufwärtstrendwende 2009 wies er nach oben, heute weist er nach unten. Das ist noch KEIN Verkaufssignal. Denn das entsteht erst bei einem Rutsch des Indikators unter 100.
Was den Nasdaq 100 betrifft, sieht es ähnlich aus. Auch dieser Index befindet sich oberhalb seines langjährigen Haussekanals, während der Momentum-Indikator nicht mehr mitzieht. Fazit auch hier: Der Schwenk nach unten befindet sich in der Pipeline, ist bis jetzt aber nur Phantasie der Bären. Kommt der unausweichliche Dreh nach unten, dürfen wir uns auf ein Abwärtspotential von mindestens 20 Prozent freuen. Wird den Anlegern dabei jedoch einmal klar, was die Notenbanken treiben, kann sich die Sache auch erheblich nach unten ausweiten, zumal der Hauptteil des Handels heute ja nicht mehr von Gehirnen, sondern von Computern gesteuert wird. Die Kurs-Katastrophen seit 2000 sollten den meisten Anlegern präsent sein.
Auf Seite 4: Edelmetalle: Bullen ohne Hörner
Edelmetalle: Bullen ohne Hörner
Noch bis vorletzte Woche hatte es so ausgesehen, als ob der Goldpreis mit dem Anstieg über das Augusthoch ein wunderschönes, klassisches "Doppeltief" vollenden könnte. Aber ich hatte Sie gewarnt: Wenn das "Krisenmetall" auf die Situation in der Ukraine so gut wie gar nicht reagiert, muss die Solidität des Kursaufschwungs in Frage gestellt werden.
Und wie Sie im Chart erkennen, musste der Goldpreis in der vergangenen Woche seine gesamten Gewinne der Vorwoche wieder preisgeben. Und: Jetzt ist der Unzenpreis nach unten aus einer typischen charttechnischen "Flagge" nach unten ausgebrochen. Das bedeutet nichts anderes als ein neuerliches Verkaufssignal.
Dazu passt auch, dass der Prozentsatz bullish gestimmter Gold-Analysten zum Wochenende ganz exakt bis an die seit 2010 bestehende Abwärtstrendgerade vorgerückt ist. Dass sich die Einschätzung von Experten in dermaßen perfekten Trends bewegt, mag manchen überraschen, aber es ist nun einmal so. Und da Trends bis zum Beweis des Gegenteils als intakt zu gelten haben, ist ein Dreh der Analystenmeinung nun weitaus wahrscheinlicher als ein Ausbruch nach oben.
Noch spannender sieht es bei Silber aus. Das Metall war zuletzt genau bis an die aus 2011 stammende Abwärtstrendgerade vorgerückt, die nur im September 2011 einmal ganz kurz überboten werden konnte. Aktuell nähert sich der Preis wieder der knapp unter 19 USD/oz. verlaufenden horizontalen Unterstützung an. Sollte sie durchbrochen werden, wird es für Silber vermutlich dramatisch werden. Noch haben die Bullen bei den Edelmetallen nicht verloren, aber das milde Wetter hat die Bären zweifellos bereits aus dem Winterschlaf geweckt.
Anders als 2013 dürfte das laufende Jahr sowohl bei den Aktienmärkten als auch bei den Edelmetallen und den Devisen zu richtig großen Trendwenden führen. Und die werden sich mit ganz einfachen charttechnischen Mitteln dingfest machen lassen. Wenn Sie meine Beiträge immer schon samstags lesen mögen, melden Sie sich einfach unter https://www.private-profits.de/newsletter.html zum Bezug meines kostenlosen wöchentlichen Newsletters an. Mehr als Ihre E-Mail-Adresse brauchen Sie dazu nicht.
Viel Erfolg und beste Grüße
Axel Retz