BOERSE-ONLINE.de: Der Goldpreis ist 2019 stark gestiegen. Wie geht es im neuen Jahr weiter?
Ronald-Peter Stöferle: 2019 war wirklich ein gutes Jahr für Gold. Gold ist in Euro gemessen, aber auch in zahlreichen weiteren Währungen wie dem Kanadischen Dollar und dem Australischen Dollar auf neue Allzeithochs geklettert. Man könnte auch sagen, dass die Kaufkraft der erwähnten Währungen in Gold gemessen auf ein Allzeit-Tief gefallen ist. Und nichts deutet darauf hin, dass jene geldpolitischen, wirtschaftlichen und geopolitischen Faktoren, die den Goldpreis 2019 unterstützt haben, 2020 verschwinden werden. Das Gegenteil ist der Fall: die Zinsen dürften noch weiter sinken, jedenfalls aber nicht steigen. Wir sind so weit von einer Zinswende entfernt wie Österreich vom Gewinn der Fußball Weltmeisterschaft. Leider!
Zudem wird der Ruf nach fiskalischen Stimuli immer lauter, selbst hochrangige Zentralbanker wie die neue Präsidentin der EZB, Christine Lagarde, stimmen in diesen Chor ein; Ideen, die noch expansiver wirken, wie Helikoptergeld, QE for the people und die Modern Monetary Theory (MMT) erfreuen sich immer größerer Beliebtheit und die EZB möchte nun auch noch das Klima retten.
Erreicht der Goldpreis bald ein Limit? Wo liegt dieses?
Nein, meines Erachtens befinden wir uns erst am Anfang eines neuen Bullenmarktes, denn 2019 haben wir nun auch den Ausbruch auf USD-Basis gesehen, während sich der Bullenmarkt im sogenannten "Weltgoldpreis" schon länger angedeutet hat.
Langfristig steigt der Goldpreis schlicht deswegen, weil weniger zusätzliches Gold in Umlauf gelangt als staatliches Papiergeld. Im Schnitt wächst der Goldbestand pro Jahr um rund 1,6 Prozent, dies ist die natürliche Inflation der Goldmenge. Das gegenwärtige Geldsystem begrenzt dagegen das Geldmengenwachstum nicht mehr, daher gibt es letztlich für den Goldpreis - wie für alle anderen Preise - kein Limit. Die einzige Beschränkung ist das Vertrauen der Bevölkerung in das Fiat-Geld. Insofern ist der Goldpreis ein guter Indikator für den Grad des Vertrauens der Bevölkerung in den monetären Status Quo.
Welche Faktoren dürften 2020 den Goldpreis am meisten beeinflussen?
Die Realzinsen sind ein entscheidender Faktor für die langfristige Entwicklung des Goldpreises. Negative Realzinsen sind ein äußerst günstiges Umfeld für den Goldpreis, während der Goldpreis von positiven Realzinsen deutlich gebremst wird. Ein Ende der Phase negativer Realzinsen ist nicht in Sicht, trotz kürzerer Phasen mit leicht positiven Realzinssätzen in den USA. Die Zinssenkungen der vergangenen Monate begünstigen negative Realzinssätze zusätzlich.
Die zahlreichen geopolitischen Unsicherheiten können kurzfristig auf den Goldpreis einwirken, langfristig ist die von der Geldpolitik maßgeblich beeinflusste Realzinslandschaft aber entscheidend.
Welche Chancen und Risiken erwarten Sie?
Im derzeitigen Umfeld überwiegen die Chancen eindeutig die Risken. Ein Risiko für den Goldpreis sind eigentlich nur eine stärkere US-Konjunktur und steigende (Real-)Zinsen. Letzteres ist so gut wie ausgeschlossen, ersteres eher unwahrscheinlich.
Als Chance für den Goldpreis sind zu nennen: die aufziehenden Rezessionswolken, die weiteren geldpolitischen Lockerungen - und womöglich Zinssenkungen - wahrscheinlicher machen; die zunehmenden Unsicherheiten an den Finanzmärkten, die sich in Q4/2018 bereits einmal deutlich entladen haben; die Instabilität einzelner Banken beziehungsweise des Bankensektors, denn die FED- und EZB-Beschlüsse im September waren zu einem guten Teil Stützungsmaßnahmen für die Banken, ebenso das fortlaufende Bail-out-Programm am US-amerikanischen Interbankenmarkt, nachdem es ursprünglich geheißen hatte, diese Intervention wäre nur eine einmalige beziehungsweise kurzfristige Notfallmaßnahme; die sich fortsetzenden Goldkäufe der Zentralbanken, die 2019 voraussichtlich das Rekordjahr 2018 übertreffen werden. Bemerkenswert ist, dass die Zentralbanken in ihren Presseaussendungen und Publikationen Gold nicht mehr als "barbarisches Relikt" einzustufen. Ganz im Gegenteil: Die niederländische Zentralbank DNB bezeichnet Gold etwa als "Vertrauensanker", der selbst in Krisenzeiten seinen Wert erhält, die ungarische Zentralbank MNB hebt hervor, dass Gold vertrauensbildend und stabilisierend wirkt.
Wo sehen Sie den Goldpreis Ende 2020?
Wir haben kein konkretes Kursziel, aber definitiv höher als zu Jahresbeginn, sowohl für den Euro als auch den US-Dollar. Ein neues Allzeithoch wird der Goldpreis in US-Dollar 2020 allerdings nicht erreichen.
Das Jahr 2019 stand ganz im Zeichen von Niedrigzins. Mittlerweile sind nicht mehr ausschließlich Banken von Strafzinsen betroffen, sondern auch Privatanleger müssen teils ab dem ersten Cent zahlen. Auch von Krediten mit Negativzinsen ist inzwischen die Rede. Wie wird sich diese Entwicklung im nächsten Jahr auf den Goldpreis auswirken?
Für den Goldpreis sind, wie bereits erwähnt, negative Realzinsen ein positives Umfeld. Gut verzinste Termineinlagen sind für Gold durchaus eine Konkurrenz, eine Konkurrenz, die allerdings noch auf längere Zeit wegfallen dürfte. Wir haben in unserem Buch "Die Nullzinsfalle" ausführlich beschrieben, wieso in absehbarerer Zeit nicht mit Zinsanstiegen zu rechnen ist. Die mittlerweile drei Zinssenkungen in den USA in den vergangenen Monaten bestätigten die globale Tendenz zu immer niedrigen Zinsen. US-Präsident Trump hat in einem Tweet die Federal Reserve sogar aufgefordert, die Zinsen auf null zu senken.
Gold gilt als krisensichere Währung. Würden Sie dennoch davon abraten, das Vermögen ausschließlich in Gold anzulegen?
Es ist bei Veranlagungen immer riskant, alles auf ein Pferd zu setzen. Daher sollte man sich aus Diversifikationsgründen bei der Veranlagung breitbeinig aufstellen. Innerhalb des Edelmetallsektors gibt es weitere interessante Anlagemöglichkeiten wie Silber (hohes G/S-Ratio) und die Minenaktien, die sich relativ zu Gold auf einem sehr niedrigem Niveau bewegen. In unserem In Gold We Trust-Report 2019 haben wir ausführlich beschrieben, dass Gold ein exzellenter Hedge gegen Rezessions-, Inflations- und Aktienmarktrisiken darstellt. Wenn man diese drei Bereiche als Risikofaktoren für sein Depot sieht, und diese Risken sind nicht unerheblich, sollte man eine Versicherung in Form von Gold abschließen.
Wie hoch sollte der Goldanteil 2020 im Depot sein?
Die Antwort auf diese Frage hängt letztlich von den persönlichen Umständen ab. Zumindest 10 Prozent sollte der Anteil von Gold allerdings schon sein.