Um die überfällige Erbschaftsteuer-Reform tobt ein nicht enden wollender Streit. Im Herbst könnte sich ein Zeitfenster öffnen, in dem alle Erbschaften und Schenkungen steuerfrei bleiben. Von Stefan Rullkötter
Bundestag und Bundesrat haben es nicht geschafft, die von Karlsruhe geforderte Erbschaftsteuerreform fristgerecht bis 30. Juni 2016 umzusetzen. Stattdessen streiten die Gesetzgebungsorgane munter weiter um Steuervorteile für Firmenerben, die auf Betreiben von CDU und CSU in modifizierter Form erhalten bleiben sollen. Die Privilegien für Unternehmensnachfolger sind an die Betriebsfortführung und den Erhalt von Arbeitsplätzen gekoppelt. Erst ab Betriebsvermögen von 26 Millionen Euro je Erbfall sollte es nach dem vom Bundesfinanzministerium erarbeiteten Gesetzesentwurf eine sogenannte Bedürfnisprüfung geben. Betroffene Erben hätten nachweisen sollen, dass sie die Zahlung der fälligen Erbschaftsteuer finanziell überfordern würde.
Dagegen hat am 8. Juli der Bundesrat sein Veto eingelegt und auf Initiative des rot-grün regierten Nordrhein-Westfalen den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat angerufen. Eine Einigung auf die überfällige Reform ist derzeit nicht absehbar.
Diese politischen Ränkespiele sind den roten Roben ein Dorn im Auge. Der erste Senat des Verfassungsgerichts wird sich deshalb ab 27. September erneut mit der Erbschaftsteuer befassen. Die Verfassungsrichter betonen zwar, dass die von ihnen für verfassungswidrig erklärten Vorschriften vorerst anwendbar bleiben. Sofern die Erbschaftsteuerreform bis zum Herbst nicht verabschiedet ist, könnten sie aber zumindest eine Übergangsregelung anordnen, in der die Steuervorteile für Firmenerben stark eingeschränkt werden. "Am wahrscheinlichsten ist, dass die Richter eine weitere Frist setzen, mit deren Ablauf das bisherige Gesetz wegfällt", sagt Paul Grötsch, Geschäftsführer des Deutschen Forums für Erbrecht.
Nicht auszuschließen ist aber, dass Karlsruhe das alte Erbschaftsteuerrecht für nicht mehr anwendbar erklären wird. Die Abgabe dürfte dann so lange nicht mehr erhoben werden, bis sich Bund und Länder über die Reform geeinigt haben. "Welche genauen Vorgaben das Gericht machen wird, ist völlig offen - das ist eine unzumutbare Unsicherheit", kritisiert Michael Bonefeld, Fachanwalt für Erbrecht in München.
"Gegen Steuerbescheide, die zwischenzeitlich ergehen und eine Rückwirkung mit negativen Folgen für die betroffenen Erben vorsehen, sollte notfalls gerichtlich vorgegangen werden", rät der Erbrechtspezialist.
Flat-Tax-Modell als Alternative
Mit den jüngst veröffentlichten Rekordzahlen beim Erbschaftsteueraufkommen - 6,3 Milliarden Euro bei übertragenem Vermögen von 102 Milliarden Euro im Jahr 2015 - gewinnt auch die Diskussion um das sogenannte Flat-Tax-Modell wieder an Fahrt: An die Stelle der derzeitigen Erbschaftsteuertarife mit Steuersätzen zwischen sieben und 50 Prozent sowie vielen Ausnahmen könnte ein einheitlicher Steuersatz treten. CDU-Finanzexperte Christian von Stetten etwa plädiert für einen Tarif von 12,5 Prozent. Unterstützt wird er von Grünen-Chef Cem Özdemir, der einen Einheitssteuersatz von 15 Prozent fordert. Bescheidener gibt sich der Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, Clemens Fuest, der sich für eine Erbschaftsteuer von "acht Prozent auf alles" ausspricht.
Bei Erbschaften und Schenkungen im Gesamtwert von 100 Milliarden Euro jährlich würde aber bereits eine Flat-Tax von sechs Prozent ausreichen, um das Steueraufkommen zu halten.
Fragwürdige Regionalisierung
Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) forciert noch ein anderes Erbschaftsteuermodell: Er will die Abgabe regionalisieren. Sein Argument: Das Aufkommen aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer fließt nicht dem Bund, sondern den Bundesländern zu - und im Grundgesetz ist nicht explizit geregelt, wer die Vorschriften für deren Erhebung erlassen darf.
Söder will deshalb im Alleingang die Steuersätze reduzieren und die Abgabe für Firmenerben noch freundlicher gestalten, als es in Schäubles Gesetzentwurf schon der Fall war. Große Chancen hat sein Modell nicht: Dem steht der Grundsatz entgegen, dass bundesweit einheitliche Lebensverhältnisse auch bei Steuern hergestellt werden sollen.