Ende September meldet Österreich neben anderen Ländern erstmals Daten zu allen Konten, Depots und Lebensversicherungen an den deutschen Fiskus. Was Besitzern von unversteuerten Kapitalanlagen droht – und welche Auswege jetzt noch offenstehen Von Stefan Rullkötter
Am 30. September müssen Privatanleger mit Auslandskonten endgültig Abschied nehmen vom Traum einer "diskreten Geldanlage". 108 Staaten melden dann erstmals Daten zu sämtlichen Vermögen, die auf Konten, Wertpapier- und Lebensversicherungsdepots liegen, an den Fiskus der jeweiligen Heimatländer.
Basis dafür ist der Automatische Informationsaustausch (AIA). Er wurde im Jahr 2014 von der Staatengemeinschaft OECD und den G20-Mitgliedsländern beschlossen, startete 2017 und wird seitdem kontinuierlich erweitert. AIA sowie demnächst verschärfte Geldwäscheregeln (siehe unten) sollen Schwarzgeldanlagen unmöglich machen. Der AIA ermöglicht es den Vertragsstaaten, Auslandskonten ihrer Staatsbürger detailliert auszuwerten.
Die Datenströme, die jedes Jahr am Ende des dritten Quartals fließen, sind umfangreich. Alle Finanzdienstleiter sind verpflichtet, die persönlichen Stammdaten sogenannter Steuerausländer automatisch der zuständigen Finanzverwaltung zu übermitteln.
Unter die Meldepflicht fallen Name, Anschrift, Geburtsdatum, Steueridentifikations- und Kontonummern des Anlegers. Zudem müssen Banken auch die Jahresendsalden der Konten, Zins- und Dividendeneinnahmen sowie Erlöse aus Veräußerungsgeschäften mit Aktien und anderen Wertpapieren preisgeben.
Diese Informationen bekommt der deutsche Fiskus mittelbar nicht nur von Banken und Sparkassen, sondern auch von Depotverwahrstellen, Stiftungen, Trusts im Ausland und Versicherungen. Letztere müssen auch Einnahmen aus rückkauffähigen Lebens- und Rentenversicherungen sowie deren Barwert oder Rückkaufwert melden.
Datenauswertung läuft seit Juli
Sämtliche Daten laufen zunächst bei den nationalen Steuerverwaltungsstellen auf. Zuständig in Deutschland ist das Bundeszentralamt für Steuern. Bei dieser unscheinbaren Behörde mit Sitz in Bonn sind in den vergangenen zwei Jahren bereits mehr als zehn Millionen solcher Datensätze eingegangen.
Anfang Juli wurde dort mit der Auswertung der Daten von Auslandskonten begonnen. Die dafür erforderliche Software soll nach erheblichen Anlaufproblemen inzwischen einsatzfähig sein. Das Computerprogramm kann Angaben, die ausländische Finanzbehörden im Rahmen des AIA übermitteln, Steuerpflichtigen automatisch zuordnen.
Die so gefilterten Informationen werden in einem weiteren Schritt an die Finanzverwaltungen der Bundesländer weitergeleitet. Die Finanzämter vor Ort gleichen sie schließlich mit den Steuerakten ab. Ergibt die Auswertung, dass in den Steuererklärungen keine Angaben zu den identifizierten Auslandskonten gemacht wurden, erhalten die ertappten Bankkunden ein Schreiben des Finanzamts mit der Aufforderung, die offensichtlich unversteuerten Kapitaleinkünfte nachzudeklarieren - oder überhaupt eine Steuererklärung für das betreffende Jahr abzugeben.
Auch kleine Guthaben betroffen
Hauptadressaten der unerwünschten Post vom Fiskus dürften Deutsche mit Konten und Depots in Österreich sein. Dorthin wurden in den vergangenen Jahren viele Guthaben verlagert, seit Schweizer Geldinstitute ihre im Ausland lebenden Kunden 2014 massiv dazu gedrängt hatten, alle Schwarzgeldguthaben dem Finanzamt zu melden. Nach Erhebungen der Österreichischen Nationalbank liegen derzeit noch mehr als zehn Milliarden Euro "deutscher Provenienz" auf Konten in der Alpenrepublik. Ein Schatz, den deutsche Steuerfahnder gern heben möchten. Dabei hilft ihnen, dass am 30. September in Österreich, aber auch in der Schweiz und in Liechtenstein die nächste AIA-Meldestufe in Kraft tritt.
Wurden im Vorjahr lediglich Vermögensdaten zu Konten, Wertpapier- und Lebensversicherungsdepots von mehr als einer Million US-Dollar übermittelt, sind jetzt auch geringere Summen erfasst: Gemeldet werden ab sofort auch Guthaben unter der Millionengrenze.
Wer in diese Zielgruppe fällt und noch unversteuertes Austria-Vermögen hat, kann mit einer Selbstanzeige beim Finanzamt ohne Strafe aus der Sache herauskommen. Wegen der seit 2014 verschärften Anforderungen ist deren Zahl aber stark rückläufig.
"Zunächst ist zu prüfen, ob es Ausschlussgründe für eine Selbstanzeige gibt", sagt der Rosenheimer Steuerberater Anton Götzenberger. Diese können vorliegen, wenn Meldungen aus Österreich bereits übermittelt und ausgewertet wurden. Eine Steuerstraftat gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als entdeckt, wenn "bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist". Die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeitsprognose dürfen allerdings nicht übertrieben werden.
Zumindest das baden-württembergische Finanzministerium stellt nach Medienberichten Bürgern, die beim Datenabgleich zu Auslandskonten herausgefiltert werden, auch danach noch eine Selbstanzeigemöglichkeit in Aussicht. "Auf diese Aussage des Ministeriums dürfte Verlass sein", meint Steuerstrafrechtsexperte Philipp Külz, Partner der Sozietät Ebner Stolz in Köln. "Ich habe es in meiner Beratungspraxis noch nie erlebt, dass eine Finanzbehörde die Möglichkeit einer Selbstanzeige ausdrücklich zulässt und sich später dennoch auf eine Tatentdeckung beruft."
Betroffene müssen aber beachten, dass sie für eine wirksame Selbstanzeige vollständige Steuerunterlagen für mindestens die vergangenen zehn Kalenderjahre, also bis 2009 zurück, vorlegen müssen. "Speziell in Österreich werden Konto- und Depotunterlagen zehn Jahre rückwirkend nicht mehr erhältlich sein, da dort die Aufbewahrungsfrist nach sieben Jahre abläuft", warnt Götzenberger, der auf die Legalisierung von Auslandsvermögen spezialisiert ist. Ein Ausweg bei fehlenden Unterlagen sind plausible und nachvollziehbare Ertragsschätzungen.
Fiskus in der Verjährungsfalle
Unerwartete Schützenhilfe für viele Schwarzgeldbesitzer der Vergangenheit könnte es von der Finanzverwaltung selbst geben. Denn sowohl die USA als auch die EU-Staaten haben dem deutschen Fiskus schon vor Start des AIA Daten zu Auslandskonten geliefert. Für rund 1,2 Millionen Datensätze aus der EU läuft die Verjährungsfrist aber bereits Ende dieses Jahres ab. Ob die Finanzämter in der Lage sind, die Informationen fristgerecht auszuwerten und zu verarbeiten, ist noch fraglich.
Geldwäsche-ABC:
Das Vorhaben: Die Bundesregierung muss auf Druck der EU auch den Kampf gegen Geldwäsche ausweiten. Darauf zielt ein Gesetzentwurf ab, der Ende Juli im Kabinett verabschiedet wurde. Er sieht vor, dass die Antigeldwäscheeinheit des Bundes mehr Kompetenzen bekommt und die Präventionsregeln erheblich verschärft werden.
Der Hintergrund: Nach Schätzungen des Antikorruptionsverbands Transparency International werden 15 bis 30 Prozent aller Gelder aus kriminellen Aktivitäten weltweit in Immobilien investiert. Auch Deutschland ist betroffen. Rund 100 Milliarden Euro Schwarzgeld werden hierzulande jährlich gewaschen, ein großer Teil im Immobiliensektor. Demgegenüber wird nur eine verschwindend geringe Zahl von Verdachtsfällen gemeldet: 2018 gingen bei der zuständigen deutschen Financial Intelligence Unit lediglich rund 78.000 Verdachtsmeldungen ein. Die weitaus meisten kamen aus dem Finanzdienstleistungssektor, nur 31 Meldungen stammten von Immobilienmaklern - und nur acht von Notaren.
Die Vorwürfe: Kritiker bemängeln, dass die Bafin als Geldwäscheaufsicht bei Verdachtsfällen bisher nicht entschlossen genug durchgreife. Sie sehen zudem Vollzugsdefizite bei Notaren, Immobilienmaklern und Wirtschaftsprüfern. Auch das 2017 eingeführte Transparenzregister für Firmen enthält Schlupflöcher bei den Meldepflichten. Daher ist die Qualität der Daten bezüglich der tatsächlich wirtschaftlich Berechtigten in Unternehmen erheblich eingeschränkt.
Die Folgen: Mehr Berufsgruppen als in der Vergangenheit sind künftig verpflichtet, einen Verdacht auf Geldwäsche zu melden. Im Immobilienbereich betrifft die Verschärfung Makler und Notare. Sie sollen in Zukunft auch die Vermittlung von Mietverträgen melden, falls die monatliche Miete mindestens 10.000 Euro beträgt. Für Edelmetallhändler soll die Meldegrenze bei Bargeschäften von 10.000 Euro auf 2.000 Euro sinken. Zudem soll das Transparenzregister künftig öffentlich einsehbar werden.