Immer mehr Einnahmen werden am Fiskus vorbeigeschleust. Ein Finanzplatz des Nahen Ostens rückt nun in den Fokus von Steuerfahndern Von Stefan Rullkötter
In Deutschland werden nach einer aktuellen Auswertung des Bundesfinanzministeriums immer mehr Steuern hinterzogen. Die im Vorjahr in 7153 Gerichtsurteilen und Strafbefehlen verifizierte Summe hinterzogener Steuern lag bei 1,25 Milliarden Euro.
Das ist eine deutliche Steigerung gegenüber 2019. Damals wurden insgesamt 745 Millionen Euro hinterzogene Abgaben festgestellt. Überführte Straftäter mussten neben der Nachzahlung der vorenthaltenen Steuern und Hinterziehungszinsen Geldstrafen von zusammen 44,9 Millionen Euro begleichen.
Auffällig ist aber, dass die Zahl von 53 977 Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung stark rückläufig ist. Vor fünf Jahren lag diese Zahl noch bei 83 307 entsprechenden Verfahren.
Ursache dafür ist zum einen, dass strafbefreiende Selbstanzeigen mit zuletzt 5770 entsprechenden Einstellungen immer seltener abgeben werden. Denn die Rahmenbedingungen für dieses Rechtsinstrument sind seit 2015 immer komplexer geworden. "Der Fiskus akzeptiert bei Selbstanzeigen nur noch hinterzogene Summen von bis zu 25 000 Euro, zuvor waren es immerhin 50 000 Euro", sagt die auf Steuerstrafrecht spezialisierte Münchner Rechtsanwältin Alexandra Kindshofer.
Fallen bei Selbstanzeigen
Außerdem müssen reuige Steuerhinterzieher hier noch weitere Rechtsfristen beachten: Die strafrechtliche Verjährungsfrist läuft fünf Jahre, in besonders schweren Fällen sind es zehn Jahre. Die steuerliche Festsetzungsverjährung kann sogar erst nach 13 Jahren enden, falls entsprechende Steuererklärungen nicht abgegeben wurden.
Zum anderen schwimmen immer mehr dicke Fische im Strom der Steuerbetrüger. Sogenannte Umsatzsteuerkarrusselle und "Cum-Ex-Geschäfte", bei denen Finanzämter nicht oder nur einmal gezahlte Abgaben mehrfach erstatten müssen, verursachen massive Steuerschäden.
Datenkauf in Dubai
Massenhaften Steuerbetrug wittert Bundesfinanzminister Olaf Scholz auch in einem arabischen Emirat. In seinem Auftrag kaufte das Bundeszentralamt für Steuern nun umfassende Datensätze über Vermögenswerte deutscher Staatsbürger in Dubai an. In der Vergangenheit hatten nur einzelne Bundesländer entsprechende Steuer-CDs erworben. Federführend war hier bis 2017 Nordrhein-Westfalen unter dem damaligen Finanzminister und jetzigen SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans.
Ins Visier geraten sind Tausende deutsche Steuerpflichtige, die unter anderem über Grundstücke und Wohnimmobilien im Golfemirat verfügen. Die Daten sollen den Steuerbehörden vollständige Einsicht bei allen grenzüberschreitenden Geschäften ermöglichen, um Steuerausfall zu verhindern.