Deutschland ist ein Paradies - zumindest für reiche Erben und Schenker. Welche Fakten, Regeln und aktuellen Urteile bei Vermögensübertragungen zu beachten sind. Von Stefan Rullkötter

Rücke vor bis auf Los und ziehe Erbschaften und Schenkungen ein." Die Generation Vermögensnachfolge ist in Deutschland auf dem Vormarsch. 2018 registrierten die Finanzämter Erbschaften und Schenkungen in Höhe von 84,7 Milliarden Euro, für das noch nicht ausgewertete Vorjahr werden rund 90 Milliarden Euro erwartet. Diese Summen sind jedoch nur der Teil des übertragenen Vermögens, der steuerlich erfasst wird. Das gesamte Erb- und Schenkungsvolumen schätzt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) auf 300 Milliarden Euro pro Jahr.

Die Finanzverwaltungen der Bundesländer, denen die Erbschaft- und Schenkungsteuer zufließt, nahmen mit diesen Abgaben zuletzt aber lediglich rund sieben Milliarden Euro pro Jahr ein. "Sie ist eine reine Mittelstandsteuer", sagt der Münchner Rechtsanwalt Anton Steiner, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht. "Kleine Erbschaften werden wegen hoher Steuerfreibeträge für Angehörige - richtigerweise - nicht belastet, die Empfänger sehr großer Erbschaften können sich in Steuerbefreiungen für Betriebsvermögen flüchten."

Laut DIW erbt die Mehrheit der Deutschen nichts oder nur geringe Vermögen. 45 Prozent der Erben können über 50 000 Euro erwarten, mehr als 200 000 Euro aber nur acht Prozent. Und lediglich 0,1 Prozent der Deutschen erhalten mehr als fünf Millionen Euro. Die Gruppe der hochvermögenden Erben gehört zu den großen Gewinnern dieses fiskalischen Monopolys.

Reiche Firmenerben profitieren

Nach Auskunft der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei erhielten rund 600 Deutsche im Jahr 2018 zusammen 31 Milliarden Euro, auf die im Schnitt nur fünf Prozent Erbschaft- und Schenkungsteuern fällig wurden. Zwei Drittel der knapp 40 Bürger, die 100 Millionen Euro und mehr erbten oder geschenkt bekamen, gingen komplett steuerfrei aus. Und wer 100 Millionen Euro oder mehr geschenkt bekam, zahlte im Schnitt nur einen Steuersatz von 0,2 Prozent.

Dass Deutschland ein Erbschaftsteuerparadies für Firmenerben ist, wurde schon 2009 gesetzlich zementiert. Kernpunkt der damaligen Erbschaftsteuerreform waren Übertragungen von Unternehmen auf die nächste Generation, bei denen möglichst keine Arbeitsplätze verloren gehen sollen. Erben von Betrieben mit bis zu fünf Beschäftigten zahlen deshalb grundsätzlich keine Erbschaftsteuer. Nachfolger größerer Firmen können sich die Abgabe ebenfalls ersparen: Seit 2009 bleibt Betriebsvermögen - nach Abzug eines extra Steuerfreibetrags von 150 000 Euro - zu 85 Prozent von Erbschaft- oder Schenkungsteuer verschont, wenn die Firma mindestens fünf Jahre fortgeführt wird und die Summe der Löhne und Gehälter von Mitarbeitern in diesem Zeitraum mindestens 400 Prozent der bisherigen Lohnsumme erreicht. Führen die Erben eine Firma mindestens sieben Jahre lang weiter, könnten sie das Betriebsvermögen sogar komplett erbschaftsteuerfrei stellen lassen. Eine vom Bundesverfassungsgericht angemahnte Modifizierung sieht zwar vor, dass seit 1. Juli 2016 grundsätzlich auch das Privatvermögen der Begünstigten bei der Zahlung der Erbschaftsteuer auf Betriebe herangezogen werden kann - allerdings erst ab einem übertragenen Betriebsvermögen von 26 Millionen Euro.

Zumindest muss in diesen Fällen stets individuell geprüft werden, ob Erben großer Betriebe nicht wenigstens einen Teil der Steuer aus ihrem Privatvermögen bezahlen können. Erst ab einem Firmenerbe von 90 Millionen Euro ist keine "Verschonung" bei dieser Abgabe mehr möglich.

Firmenbewertung nach Zufallsprinzip

"Diese Neuregelung hat die Übertragung von Betrieben seit Mitte 2016 noch komplizierter gemacht, ohne dass irgendwer davon einen greifbaren Nutzen hätte", moniert Erbexperte Steiner.

Probleme bereitet in der Praxis beispielsweise die Abgrenzung zwischen "bösem" Verwaltungsvermögen und "gutem" Produktivvermögen. Eine volle Befreiung von der Erbschaftsteuer ist seit der Neuregelung nur möglich, wenn das Verwaltungsvermögen nicht über 20 Prozent des Betriebsvermögens ausmacht. Schwierigkeiten bereitet auch ein starrer "Kapitalisierungsfaktor", mit dem die Finanzverwaltung die Höhe der Steuer für Firmenerben berechnet. Dazu wird das Betriebsergebnis des Unternehmens mit 13,75 multipliziert - unabhängig davon, ob der maßgebliche Zeitraum ein geschäftlicher Ausnahmezeitraum oder eher ein Durchschnittsjahr war. Die bislang letzte Erbschaftsteuerreform sieht aber auch Maßnahmen zur Bekämpfung rechtsmissbräuchlicher Gestaltungen vor: "Cash-GmbHs", mit denen große Geldvermögen im Firmenmantel seit 2009 abgabenfrei übertragen werden konnten, sind seitdem rechtlich nicht mehr zulässig.

Zudem werden Freizeit- und Luxusgegenstände wie Oldtimer, Yachten und Kunstwerke, die im Betriebsvermögen gehalten werden, dem Verwaltungsvermögen zugerechnet. Damit sind diese Vermögenswerte beim Schenken und Vererben steuerlich nicht mehr begünstigt.

Privilegien für Familien und Landwirte

Zwei Gruppen erhalten weitere Steuervorteile unter Auflagen: Erben von Familienunternehmen können eine zusätzliche Freistellung des Betriebsvermögens von bis zu 30 Prozent erwirken, wenn sie sich nach Abzug der Ertragsteuer nicht mehr als 37,5 Prozent des Gewinns aus dem Familienunternehmen ausschütten lassen oder aus dem Betrieb entnehmen.

Und wer land- und forstwirtschaftliche Betriebe geerbt hat, kann einen Freibetrag für Finanzmittel in Höhe von 15 Prozent des Betriebsvermögens beanspruchen - sofern er das Unternehmen haupt- beruflich weiterführt.

Kritiker stufen auch die modifizierten Verschonungsregeln für Firmenerben in Gänze als verfassungsrechtlich bedenklich ein. Bisher sind dazu aber keine weiteren Verfahren in Karlsruhe anhängig. "Für viele Bürger ist nicht nachvollziehbar, wieso es manchmal einfacher ist, Firmenvermögen in Millionenhöhe steuerfrei zu übertragen, ,normales‘ Vermögen aber nicht", kritisiert Michael Bonefeld, Fachanwalt für Erbrecht in München.

Das bekommen auch Erben von nicht selbst genutzten Häusern und Eigentumswohnungen zu spüren. "Besonders bitter ist die Erbschaftsteuer für Immobilieneigentümer in Metropolregionen mit stark gestiegenen Verkehrswerten - die Erbschaftsteuerfreibeträge sind hier auch für nahe Angehörige sehr schnell überschritten", weiß Rechtsanwalt Steiner aus seiner beruflichen Praxis.

Die Folge: Betroffene Erben geraten regelmäßig in Liquiditätsprobleme, wenn sie die fälligen Abgaben entrichten müssen. Als Ausweg bleibt dann den Betroffenen in vielen Fällen nur, die geerbte Immobilie möglichst schnell zu verkaufen.

Streitthema im nächsten Wahlkampf

Gute Gründe für die Parteien, ihre Erbschaftsteuerkonzepte für den nächsten Bundestagswahlkampf 2021 zu befeuern. Da die Wiedereinführung einer Vermögensteuer, wie sie Linke und Grüne fordern, schon wegen des hohen Verwaltungsaufwands nur schwer durchsetzbar erscheint, könnte die nächste Bundesregierung erneut an der Erbschaftsteuerschraube drehen. Beim Wähler sind Erbschaftsteuererhöhungen nicht beliebt. Auch deshalb sperren sich CDU und CSU in der Großen Koalition, bereits versteuertes Vermögen bei Übertragung mit höheren Abgaben zu belegen. "Das Erbschaftsteueraufkommen könnte verdoppelt werden, wenn die überzogenen Privilegien für Wohlhabende reduziert werden", sagt dagegen DIW-Ökonom Stefan Bach. Er schlägt unter anderem vor, Unternehmensübertragungen von mehr als zehn Millionen Euro Verkehrswert mit einem Satz von mindestens zehn Prozent zu besteuern. Dies würde die Unternehmen nicht in ihrem Bestand gefährden.

Steuerflatrate als Alternative

"Unser Vorschlag einer Abgabenflat- rate mit einem niedrigen Einheitssteuersatz zwischen zwei und sieben Prozent, dafür aber ohne Erbschaftsteuerfreibeträge, ist nach wie vor aktuell - und die einzig praktikable Lösung für einen Weg aus der bestehenden Misere", entgegnet Erbrechtsforum-Chef Steiner.

Geringe Erbschaftsteuersätze könnten zudem die Bewertungsdiskussionen entschärfen und teure Umgehungskonstruktionen unattraktiv machen. "Kombiniert mit Stundungsregelungen führt dies dazu, dass niemand im Erbfall seine Firma oder auch eine Immobilie verkaufen muss", wirbt Steiner. Und unter dem Strich würde der Fiskus bei Erbschaft- und Schenkungsteuern mindestens so viel Geld einnehmen wie bisher.

Sollte es nach dem Jahr 2021 zu einer weiteren Erbschaftsteuerreform kommen, ist ein Effekt absehbar: Vermögensnachfolgen hierzulande werden vorgezogen, damit Betroffene noch von günstigeren Steuerregeln profitieren. So war es von 2014 bis 2016, als steuerrelevantens Vermögen von insgesamt mehr als 100 Milliarden Euro pro Jahr übertragen wurde - weitaus mehr als in den drei Jahren danach.

 


Aktuelle Steuerurteile zu Erbschaften

Begünstigte haben ab Kenntnis des Erbfalls sechs Wochen Zeit, um eine Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen. Auch andere Aktivitäten von Erben können ungeahnte finanzielle Folgen haben:

Erbfallkostenpauschale

Eine Nacherbin (indirekte Erbin), die nicht die Beerdigungskosten, aber andere Aufwendungen getragen hat, darf eine Pauschale von 10 300 Euro geltend machen - unabhängig von der Höhe der tatsächlichen Kosten (Finanzgericht Münster, Az. 3 K 3549/17).

Nachlassverbindlichkeiten

Hatte ein Verstorbener noch Steuerschulden zu begleichen, können die Erben diese als Nachlassverbindlichkeiten bei der Ermittlung der Erbschaftsteuer abziehen. Dies gilt auch für eine noch nicht endgültig festgesetzte Einkommensteuer des Erblassers,etwa bei Einspruchsverfahren, so der Bundesfinanzhof (BFH) (Az. II R 34/15).

Räumungskosten

Ausgaben für die Räumung einer Eigentumswohnung des Verstorbenen sind für die Erben nicht steuerlich abzugsfähig. Diese Kosten mindern nicht die Erbschaftsteuer, urteilte das Finanzgericht Baden-Württemberg (Az. 7 K 2712/18).

Steuerberatungskosten

Die Erben sind für sämtliche nicht abgegebenen oder falschen Einkommensteuererklärungen des Erblassers verantwortlich. Kosten für einen in dieser Angelegenheit beauftragten Steuerberater mindern aber die Erbschaftsteuer (Finanzgericht Baden-Württemberg, Az. 7 K 2712/18). Endgültig entscheiden wird erst der BFH, bei dem das Revisionsverfahren (Az. II R 30/19) anhängig ist.

Sozialwidriges Verhalten Wer eine Erbschaft verschwendet und dadurch seine Hilfebedürftigkeit "in missbilligenswerter Weise" selbst herbeiführt, darf Grundsicherungsleistungen nicht behalten, entschied das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen. Erfolglos geklagt hat ein Erbe, der in zwei Jahren 200 000 Euro Immobilien- und Wertpapiervermögen verprasst hatte (Az. L 13 AS 111/17).

Vermögensweiterleitung

Wer ein Erbe antritt, muss darauf grundsätzlich Erbschaftsteuer entrichten. Diese Erfahrung musste ein Pfarrer machen, der eine Erbschaft an seine Kirchengemeinde weitergeleitet hatte. Auch wer eine Erbschaft veräußert oder verschenkt, ist erbschaftsteuerpflichtig, urteilte der BFH (Az. II R 4/17).