Leser fragen – die Redaktion antwortet Von Stefan Rullkötter
Für mich als langjährigen Aktionär ist es ein Dauerärgernis: Meine bei Aktienverkäufen erlittenen Verluste kann ich nicht mit anderweitigen Kapitaleinkünften wie beispielsweise Dividenden und Zinserträgen verrechnen, sondern ausschließlich mit realisierten Aktiengewinnen. Die Begründung des Gesetzgebers für diese Verrechnungsbeschränkung klingt in meinen Ohren absurd: Damit sollen "durch Spekulationsgeschäfte abstrakt drohende Haushaltsrisiken" vermieden werden. Könnte sich das jemals ändern?
Euro am Sonntag: Dieses Verlustverrechnungsverbot wackelt tatsächlich. Der Bundesfinanzhof hält es in einem Beschluss für verfassungswidrig (Az. VIII R 11/18) und legte dem Bundesverfassungsgericht einen Musterfall zur Entscheidung vor. Geklagt hat ein Ehepaar, das bei der Veräußerung von Aktien 4.819 Euro Verluste erlitten hatte und das in der Einkommensteuererklärung mit seinen anderweitig erzielten positiven Kapitaleinkünften (insgesamt 3.400 Euro) verrechnen wollte.
Jetzt wurde das Aktenzeichen des Verfahrens zur "konkreten Normenkontrolle" bekannt gegeben (2 BvL 3/21). Der Rosenheimer Steuerberater Anton Götzenberger rät: "Anleger, die neben Aktienverlusten auch positive Kapitaleinkünfte erzielt haben, sollten unter Hinweis auf das aktuelle Verfahren vor dem Verfassungsgericht Einspruch gegen das Verlustverrechnungsverbot einlegen."
Auch die auf 20.000 Euro pro Jahr gedeckelte Verlustverrechnung bei Termingeschäften ist verfassungsrechtlich bedenklich. Gleiches gilt für Totalverluste bei Wertpapieren. Weil es zu diesen Themen erst in den Jahren 2020 und 2021 Gesetzesänderungen gab, werden Musterklagen vor den Finanzgerichten aber noch einige Zeit auf sich warten lassen. "Davon betroffene Anleger sollten hier ebenfalls Einspruch gegen ablehnende Steuerbescheide einlegen", rät Götzenberger.