Auch der Stadtstaat Singapur hat mit dem Coronavirus zu kämpfen. Doch wie es aussieht, bekommt man dort die Epidemie viel besser in den Griff als in Europa. Auch in Singapur hat man das tägliche Leben seit gut drei Monaten umgekrempelt - aber dort ist im Gegensatz zum Westen kein Museum, kein Theater, kein Kino geschlossen. Dafür wird an jeder Ecke sehr strikt Fieber gemessen.
Singapur profitiert im Vorgehen gegen das Coronavirus - ebenso wie Hongkong und Taiwan - von Sicherheitsmechanismen, die infolge des SARS-Ausbruchs 2003 aufgebaut wurden. Dabei setzt man massiv auf digitale Überwachung. In Big Data sieht man ein riesiges Potenzial gegen die Epidemie. So wird man beispielsweise per SMS informiert, wenn Infizierte in der Nähe sind.
Außerdem sind in Singapur die Grenzen dicht. Für Menschen aus Risikogebieten - also aus China, dem Iran, Italien - waren schon vor Wochen Einreisesperren verhängt worden. Inzwischen ist der Flughafenbetrieb bis auf wenige Ausnahmen gestoppt. Ein- oder Durchreisen gibt es so gut wie keine. Immerhin sind Frachtflieger noch erlaubt. Singapore Airlines ist daher nur noch mit neun Flugzeugen der 147 Maschinen starken Flotte unterwegs. Man stehe vor "der größten Herausforderung seit Unternehmensgründung".
Rezession statt Wirtschaftsboom
Das gilt auch für die anderen Unternehmen des Landes. Auch wenn man im Kampf gegen das Virus recht erfolgreich ist, so ist der Wirtschaftsknotenpunkt von der Pandemie dennoch hart getroffen, schließlich ist man stark von Außenhandel und Tourismus abhängig.
Das Land könnte in eine Rezession abrutschen, sagte gerade Premierminister Lee Hsien Loong. Nach neuesten Schätzungen des Ministeriums für Handel und Industrie wird die Wirtschaft im laufenden Jahr wohl um mindestens 0,5 Prozent schrumpfen. Noch im November ging das Ministerium als Reaktion auf das Abklingen des Handelskonflikts zwischen China und den USA von einem Wachstum von bis zu 2,5 Prozent aus.
Um dem Abschwung vorzubeugen, hat Singapur daher ein vier Milliarden Dollar schweres Konjunkturprogramm verkündet. Man will mit aller Macht auch weiterhin eine wichtige - und bisweilen unterschätzte - Triebkraft des asiatischen Wirtschaftswunders sein.
Dass Singapur in der westlichen Welt oft als eher autoritäres Regime wahrgenommen wird, könnte gerade jetzt ein Vorteil sein. Ein Staat wie Singapur ist schon kulturell - bedingt durch den Konfuzianismus - eher autoritär. "Die Menschen sind folg- und gehorsamer als in Europa. Sie haben mehr Vertrauen in den Staat. Und das Alltagsleben ist wesentlich strenger organisiert", sagt der Philosoph Byung-Chul Han.
Gut zu sehen ist das am Umgang mit der Pandemie: Der Premierminister etwa wendet sich im Fernsehen direkt an die Bevölkerung. Anders als in der Volksrepublik China erscheint er nicht in heldenhafter Pose neben Rettungskräften. Er ist nüchtern und klar, es wird nichts beschönigt oder verschwiegen. Das Vertrauen in die Kompetenz der Politik und der Behörden ist daher hoch. Der Sonderweg Singapurs "liegt in einer pragmatischen Kultur der Verantwortung und des Vertrauens, wie sie nur eine kleinräumige Autonomie hervorzubringen vermag", erklärt Rahim Taghizadegan, ein österreichischer Ökonom und Publizist.
Ganz pragmatisch ist die für 2021 geplante Erhöhung der Verbrauchersteuer bis auf Weiteres ausgesetzt worden. Und die Zentralbank, die Monetary Authority of Singapore will "flexibel" auf das markant verschlechterte wirtschaftliche Umfeld reagieren. Sie nimmt über die Steuerung des Wechselkurses Einfluss auf die Konjunktur.
Einfluss nimmt auch der Staatsfonds Temasek, die Holding der Regierung, deren Ziel es ist, Unternehmen mit guten Wachstumsaussichten zu fördern. Temasek hatte schon im Oktober angekündigt, weitere 30 Prozent an Keppel aufzukaufen und seinen Anteil damit auf 51 Prozent aufzustocken. Keppel ist ein Mischkonzern und in den Bereichen Immobilien- und Bauwesen tätig. Dazu kommen Werften, Telekommunikation sowie Offshoreprojekte im Energiesektor, die wegen des stark gefallenen Ölpreises jetzt unter Druck stehen. Das Interesse Temaseks dürfte den Kurs allerdings unterstützen. Weiter aussichtsreich bleibt auch Jardine Matheson, wie Keppel ein Mischkonzern mit Schwerpunkten im Bereich Immobilien, Hotels, Bau, Einzelhandel, Finanzdienstleistung und Fahrzeughandel.