Rechtsanwalt Rainer Klassen, Geschäftsführer der Kanzlei Spanish Legal Reclaims, erklärt die rechtlichen Details Von Stefan Rullkötter
Börse Online: Warum kann die spanische Erbschaftsteuer überhaupt zurückgefordert werden?
Rainer Klassen: Als "Nicht-Ansässige" mussten deutsche Haus-Nachfolger bis Ende 2014 weitaus mehr spanische Erbschaftsteuer für Immobilien entrichten als Erben, die vor Ort leben. Wenn der Lebensmittelpunkt und der Hauptwohnsitz der Erben in Deutschland waren, stand für sie unter dem Strich eine höhere Steuerbelastung von bis zu 34 Prozent. Diese Ungleichbehandlung verstößt nach einem von unserer Anwaltskanzlei miterstrittenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen geltendes EU-Recht (Az. C-127/12, Anmerkung der Redaktion).
Börse Online: Welche Verjährungsfristen müssen Erben beachten, wenn sie ihre Rückforderungsansprüche geltend machen?
Rainer Klassen: Durchsetzbar sind Ansprüche von nichtansässigen Bundesbürgern, die in Spanien eine Erbschaft- oder Schenkung angetreten und dafür Erbschafts- oder Schenkungssteuer in den letzten 4,5 Jahren gezahlt haben. Zudem sind alle bereits vor dem 1. Januar 2015 gestellten Rückforderungsanträge wirksam. Um die Verjährungsfrist zu berechnen, ist das Todesdatum des Erblassers oder das Datum der Schenkungsannahme maßgebend.
Börse Online: Bei welchen Behörden können betroffenen Erben die Rückerstattung die spanische Erbschaftsteuer beantragen?
Rainer Klassen: Zuständig dafür ist die Steuerzentralverwaltungsstelle in Madrid, und, falls danach gegen einen ablehnenden Steuerbescheid geklagt wird, das Landgericht Madrid, gestellt. Welche Erstattungsbetrag unter dem Strich steht, ist auch abhängig vom Ort, an dem die geerbte Ferienimmobilie belegen ist: In Spanien gelten auf nationaler und regionaler Ebene gesonderte Schenkung und Erbschaftsteuersätze.
Börse Online: Muss der Antrag zwingend auf spanisch erfolgen oder ist er auch in deutscher Sprache möglich?
Rainer Klassen: Da Reklamationen nicht beim deutschen Fiskus, sondern ausschließlich bei spanischen Finanzbehörden möglich sind, werden sie nur in Landesprache akzeptiert.
Börse Online: Ist mit dem Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlter spanischer Erbschaftsteuer auch ein Zins-Nachzahlungsanspruch verbunden?
Rainer Klassen: Das spanische Finanzamt ist gesetzlich verpflichtet, Zinsen auf dem Nachzahlungsbetrag zu entrichten. Dieser Zinsanspruch berechnet sich ab dem Zahlungsdatum bis zum Datum der Rückzahlung. Die Berechnung dieses Zinswertes schreibt das spanische Parlament jedes Jahr in den allgemeinen Staatshaushaltsplänen fest. Der durchschnittliche Zinseszins der letzten 4,5 Jahre betrug etwa 4,5% jährlich.
Börse Online: Muss bereits mit dem Erst-Antrag konkret beziffert werden, in welcher Höhe eine Rückforderung geltend gemacht wird?
Rainer Klassen: In der Regel kennt man ja den Steuer-Betrag, den man zurückfordert. Der Betrag der Zinsen ist nicht genau zu berechnen, da man nicht im voraus weiß, wann die Finanzbehörden den Betrag zurückzahlen. Bis jetzt beträgt der durchschnittliche Zinsbetrag für unsere Kunden bei rund 20 Prozent.
Börse Online: Besteht Anwaltszwang bei diesem Antrag?
Rainer Klassen: Nein, es ist aber wegen der Kompliziertheit des Verfahrens unbedingt ratsam, auf diesem Gebiet spezialisierte Fachanwälte zu beauftragen, ansonsten besteht die Gefahr, dass das Finanzamt die Reklamation aufgrund formaler oder inhaltlicher Fehler verweigert. Damit ist die Möglichkeit einer Rückzahlung für immer verloren.
Börse Online: Warum ist die Einschaltung eines sach- und ortskundigen Anwalts empfehlenswert?
Rainer Klassen: Die Rückforderung ist viel komplexer als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Nur sehr wenige Anwälte kennen wirklich die detaillierte Prozedur für diese Fälle. Wer als betroffener deutscher Erbe im behördlich Erstattungsverfahren auf professionelle Hilfe verzichtet, kann zudem keinen weiteren rechtlichen Schritte einlegen - und schneidet sich damit den gegebenenfalls notwendigen Klageweg in Spanien ab.
Rainer Klassen ist Geschäftsführer der Kanzlei Spanish Legal Reclaims in Barcelona, die rund 500 betroffene Erben im Steuererstattungsverfahren unterstützt