Fed vor Zinssenkungen, obwohl die Inflation steigt: Jeffrey Gundlach sieht am Anleihemarkt Warnsignale, die die Börse noch ignoriert.

Nach der Notenbanksitzung wird oft viel geredet – und wenig gesagt. Anders ist es, wenn Jeffrey Gundlach spricht. Der Gründer von DoubleLine Capital, von vielen als „Bond King“ bezeichnet, gilt als einer der schärfsten Beobachter der US-Zinslandschaft. 

Im Anschluss an die jüngste Fed-Sitzung zog Gundlach bei CNBC ein Fazit, das aufhorchen lässt: Die Inflation könnte steigen – und doch wird die US-Notenbank die Zinsen senken. Der Grund: Der Arbeitsmarkt beginnt zu kippen.

Fed-Chef Powell setzt auf „Abwarten“ – doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache

Gundlachs Analyse bei CNBC beginnt mit einem ernüchternden Vergleich: „Das war im Grunde eine Wiederholung der letzten Pressekonferenz – nur etwas glatter formuliert.“ Powell rede vom „Abwarten“, aber die Richtung sei klar: Die Lage verschlechtert sich – schleichend, aber erkennbar. Die Teuerung geht zwar zurück, doch der Basiseffekt werde in den kommenden Monaten für höhere Inflationszahlen sorgen. So fallen demnächst extrem niedrige Vorjahreswerte aus dem Verbraucherpreisindex (CPI) heraus – das allein könne 0,2 Prozentpunkte auf die Headline-Inflation aufschlagen.

Hinzu komme der Ölpreis, der seit Jahresbeginn um über 10 Dollar gestiegen sei. „Jeder Anstieg um 10 Dollar erhöht die Inflation rechnerisch um 0,4 Prozent – wenn der Preis hoch bleibt“, so Gundlach. Und dann wären da noch die Trump-Zölle, die Fed-Chef Powell als inflationär einschätzt.

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Gundlach glaubt an Priorisierung des Arbeitsmarkts

Das Dilemma der Fed: Sie soll sowohl Preisstabilität sichern als auch für Vollbeschäftigung sorgen. Beide Ziele stehen zunehmend im Widerspruch. „Irgendwann muss sich die Fed für eines der beiden entscheiden“, sagt Gundlach. 

Und seine Prognose ist eindeutig: Die Notenbank werde dem Arbeitsmarkt den Vorrang geben – und die Inflation dafür in Kauf nehmen. „Auch bei einer Inflationsrate von 3,5 Prozent wird die Fed die Zinsen senken, wenn die Arbeitslosigkeit steigt“, so der renommierte Anleihe-Investor.

Zinskurve warnt – Rezessions-Signale nehmen zu

Was Gundlachs Warnung besonders brisant macht: Die Anleihemärkte senden bereits klare Signale. Die Zinskurve zwischen 2- und 10-jährigen US-Staatsanleihen sei zuletzt nicht nur steiler geworden, sondern habe auch den 12-Monatsdurchschnitt übertroffen. Historisch betrachtet sei das „eines der treffsichersten Frühwarnsysteme“ für eine Rezession.

Zudem habe die offizielle Arbeitslosenquote (U-3) mit 4,2 Prozent erstmals ihren 3-Jahresdurchschnitt überschritten – ein weiteres Warnsignal, das in den letzten 35 Jahren oft am Beginn einer Abschwungphase stand. „Noch steigt die Quote nicht schnell – aber die weiter zunehmenden „continuing claims“ (laufende Arbeitslosenanträge) deuten darauf hin, dass sie bald anzieht.“

Keine Zinserhöhung mehr in Sicht – Markt stellt sich auf Lockerung ein

Was Gundlach die Vermutung stützt, dass die nächste Bewegung der Fed – ungeachtet inflationärer Tendenzen – nicht nach oben, sondern nach unten geht: „Es gibt überhaupt keine Diskussion mehr über Zinserhöhungen.“ Auch in der Pressekonferenz sei dieses Thema kaum angesprochen worden. „Alle im Fed-Offenmarktausschuss scheinen davon auszugehen, dass der nächste Schritt eine Zinssenkung sein wird.“

Gundlachs Botschaft ist klar: Die Fed kann die Realität nicht ignorieren – die Inflation bleibt, aber der Arbeitsmarkt schwächelt. Die steiler werdende Zinskurve, die steigenden Arbeitslosenindikatoren und die geopolitischen Unsicherheiten (Zölle, Öl, Nahost) zwingen Powell früher oder später zum Handeln. „Das Szenario lautet: Zinssenkungen (auch) bei über 3 Prozent Inflation – nicht, weil die Fed will, sondern weil sie muss.“

Was die Märkte daraus am Ende machen, ist die Multi-Billionen-Dollar-Frage. Einerseits werden Zinssenkungen oft als Rückenwind für die Aktienmärkte, andererseits geht ein Abgleiten in die Rezession fast nie geräuschlos an den Weltbörsen vorbei. Es könnte unter diesen Vorzeichen ein äußerst spannender Sommer an den Kapitalmärkten werden.  

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