Warren Buffett genießt Kultstatus als Langfristinvestor. Kurzfristige Rückschläge interessieren ihn kaum. Deshalb bleibt der Starinvestor trotz eines leichten Gewinnrückgangs im ersten Quartal optimistisch. "Alles in allem laufen die Geschäfte großartig", erklärte er auf der Hauptversammlung seiner Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway vor 38 000 Aktionären, die am vergangenen Wochenende nach Omaha im US-Bundesstaat Nebraska gepilgert waren.
Der Grund für Buffetts Zuversicht: Obwohl der Nettogewinn bei Berkshire im Vergleich zum Vorjahresquartal - vor allem wegen einer geringeren Anzahl von Neuverträgen im Versicherungsgeschäft - um vier Prozent auf 4,7 Milliarden US-Dollar gesunken ist, verbesserte sich der Buchwert je A-Aktie seit Jahresbeginn um 2,6 Prozent auf 138 426 US-Dollar. Umgerechnet auf die erschwinglichere B-Aktie entspricht das 92,28 Dollar oder 66,50 Euro. Da Buffett angekündigt hat, aggressiv eigene Aktien zurückzukaufen, sobald das Kurs-Buchwert-Verhältnis auf 1,2 sinkt, ist Berkshire ein Investment mit Airbag.
Von einem Börsencrash geht der legendäre Investor nicht aus: "Wir befinden uns aber nicht in einer Blase", trat Buffett Medienberichten entgegen, wonach er die Märkte für überbewertet halte und sich bereits für einen Crash wappne. "Mindestens für die ersten zwölf Jahre nach meinem Tod bin ich bullish wie eh und je", scherzte in einer außergewöhnlichen Situation, der 83-Jährige, der noch lange nicht ans Aufhören denkt: Gemeinsam mit seinem 90-jährigen Co-Vorstand Charlie Munger will er im kommenden Jahr zum 50. Mal die Berkshire-Hauptversammlung leiten.
Im Anschluss an das Aktionärstreffen hatte BÖRSE ONLINE Gelegenheit, mit Buffett zu sprechen. Dazu hatten wir unsere Leser gebeten, Fragen einzusenden, die sie dem Investor gern stellen würden. Er beantwortete fast alle bereitwillig in der ihm eigenen Weise - humorvoll, tiefgründig und stets kurz und prägnant.
Raimund Klapdor: Mal angenommen, Sie müssten als Investor noch einmal neu anfangen, würden Sie dann - mit all Ihrer heutigen Erfahrung - erneut größere Aktien wie IBM, Coca-Cola oder American Express kaufen oder eher kleine, unbekannte Unternehmen mit massiver Unterbewertung, die mehr den Kriterien Ben Grahams entsprechen?
Warren Buffett: Wenn ich noch einmal mit
kleinen Summen starten würde, wären es
die unterbewerteten Aktien, die mein Lehrer
Benjamin Graham immer gesucht hat. Dieser
Ansatz funktioniert bei kleinen Werten besonders
gut. Ich glaube also, ich könnte am
meisten damit erreichen, nach kleinen, von
den Kennzahlen her günstig bewerteten
Graham-Investments zu suchen.
André Unger: Hat man es als Value-Investor
heute schwerer als damals, als Sie anfingen?
Ich glaube nicht. Es ist für mich persönlich
schwieriger, weil ich heute sehr viel größere
Summen anlegen muss. Wenn man mit kleineren
Summen anfängt, findet man heute
aber genauso viele gute Gelegenheiten wie
damals - und das wird auch so bleiben.
André Unger: Gibt es denn etwas, das Sie gern
anders machen würden?
Das Wichtigste ist, dass Sie die richtige Philosophie haben. Damit werden Sie über alle Zeiten langfristig erfolgreich sein. Wenn Sie die falsche Philosophie haben, geraten Sie früher oder später in Schwierigkeiten - auch das ändert sich nie.
Heinrich Schütte: Berkshire Hathaway ist größter Aktionär von Coca-Cola. Dieses Unternehmen will nun großzügig Optionen an Mitarbeiter und Management ausgeben, was bei Aktionären für einigen Ärger sorgt. Kritiker sagen, dass dadurch bis zu ein Sechstel des Unternehmens an die Mitarbeiter gehen könnte und die Anteile der bisherigen Aktionäre verwässert werden. Haben Sie gegen diesen Plan protestiert?
Es liegt nicht im Interesse von Berkshire,
einen Krieg mit Coca-Cola anzufangen. Daher
haben wir uns bei der Abstimmung über
diesen Plan enthalten. Ich hatte aber Gespräche
mit Coca-Cola-Chef Muhtar Kent, auch
eines hier in Omaha. Ich habe ihm klargemacht,
dass ich die Pläne für exzessiv halte.
Wir werden sehen, was nun geschieht.
Erich Bezzel: Halten Sie an Ihrer Coca-Cola-
Beteiligung fest, wenn sich an diesen Plänen
nichts ändert? Oder stocken Sie gar bei niedrigeren
Kursen auf?
Nein, es gibt keine Überlegungen, unseren
Anteil zu verändern - in keine Richtung.
Berkshire
hält seit mehr als 20 Jahren etwa
400 Millionen Aktien. Das wird so bleiben.
Thorsten Völz: Sie halten zehn Prozent Anteile
an Munich Re. Halten Sie es für möglich, dass
sich der Kurs in den nächsten zwei bis drei
Jahren verdoppelt, was dann einer Börsenkapitalisierung
von 60 Milliarden Euro entspräche?
Aus meiner Sicht ist das möglich, wenn
die Wirtschaft weitere zwei bis drei Jahre
deutlich wächst und die Gewinne der Unternehmen
weiter anziehen.
Viel Glück!
Petra Hahn: In Europa sind die Meinungen zur Eurokrise geteilt. Sie haben lange Zeit den Euro eher skeptisch gesehen. Glauben Sie, dass die Krise jetzt überwunden ist?
Die Situation hat sich zumindest stark verbessert.
Das geht auf den Moment zurück,
als EZB-Chef Mario Draghi sagte, er werde
alles tun, um den Euro zu retten. Das war
ein sehr weiser Schritt, denn die EZB hat ja
tatsächlich die Macht, alles zu tun, was nötig
ist. Es gibt immer noch einige Dinge, die
getan werden müssen, aber Draghis Statement
war ein ganz wichtiger Wendepunkt.
Stefan Ohr: Wie sollen sich Investoren verhalten,
wenn die Staatsverschuldung in den
nächsten 20 Jahren hoch bleibt?
Per se ist ein Staatsdefizit nichts Furchterregendes.
Solange ein Defizit nicht über einen
längeren Zeitraum schneller ansteigt, als die
Wirtschaft wächst, ist es wenig bedrohlich. Hier in den USA machen wir derzeit ziemlich
gute Fortschritte, wenn man sich die Staatsschulden
in Prozent des Bruttoinlandsprodukts
anschaut.
Stefan Ohr: Gibt es Mindestanforderungen,
die ein Land oder ein Markt erfüllen muss,
damit Sie dort investieren?
Investoren sollten sich nicht zu viele Gedanken um volkswirtschaftliche Daten machen. Kaufen Sie sich einfach in ein gutes Unternehmen ein und vergessen Sie alles andere für zehn Jahre.