Steuerexperte Daniel Schollenberger zu den Tücken bei der Pflichtaufgabe des Fiskus  Von Stefan Rullkötter

€uro: Seit Anfang Mai können Rentner in Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen eine "Erklärung zur Veranlagung von Alterseinkünften" nutzen. Woher stammt diese Idee der Finanzverwaltung?
Daniel Schollenberger: Das neue Angebot für Ruheständler basiert auf der vereinfachten Einkommensteuererklärung für Arbeitnehmer. Diese ist für Berufstätige gedacht, die lediglich Arbeitslohn, einschließlich Versorgungsbezüge, und gegebenenfalls bestimmte Lohnersatzleistungen wie Elterngeld, Arbeitslosengeld und Mutterschaftsgeld bezogen haben. Gleichzeitig dürfen bei ihnen nur die in der vereinfachten Erklärung bezeichneten Werbungskosten, Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und Steuerermäßigungen anfallen. Ist ein Arbeitnehmer verheiratet, darf die vereinfachte Steuererklärung nur eingereicht werden, wenn die Zusammenveranlagung beantragt wird.

Wie unterscheidet sich davon die vereinfachte Veranlagung für Ruheständler?
Der grundsätzliche Unterschied liegt darin, dass die Amtsveranlagung nur Rentner betrifft und die vereinfachte Steuererklärung nur einfache Arbeitnehmerfälle - jeweils ohne weitere Einkünfte. Bei der Amtsveranlagung für Rentner wird bisher nur auf die Einnahmen abgestellt, selbst Standardkosten wie beispielsweise Ausgaben für Krankheit oder Behinderung werden nicht berücksichtigt. Bei der "Erklärung zur Veranlagung von Alterseinkünften" wird zumindest ein Teil der Standardkosten beim Rentner abgefragt, so dass Rentner und Pensionäre zumindest einige Angaben machen können, die zum Steuernsparen beitragen.

Welche Vorteile kann dieses Angebot der Finanzverwaltung den Rentnern bringen?
Positiv ist, dass mit der "Erklärung zur Veranlagung von Alterseinkünften" versucht wird Ruheständler von Bürokratie zu entlasten, indem sie weniger Formulare ausfüllen müssen. Sie ist auf lediglich zwei Seiten aufgebaut wie ein normales Formular, das die Finanzverwaltung einscannen und verarbeiten kann. Dieser Umstand sowie die Einrichtung einer Projektgruppe im Bundesfinanzministerium lassen vermuten, dass diese Erklärung in naher Zukunft auch in ganz Deutschland eingereicht werden kann. Tatsächlich wäre die Steuererklärungspflicht damit vollständig erfüllt

Gibt es bei der Amtsveranlagung für Ruheständler auch Nachteile?
Kritisch sind drei Punkte: Zum Ersten handelt sich um einen Papiervordruck - eine Software oder Online-Anwendung wird nicht bereitgestellt. Zudem werden hier oft wesentliche Einnahmen und Ausgaben nicht berücksichtigt. Wer beispielsweise Unterhaltszahlungen leisten muss oder Einnahmen aus der Vermietung einer Immobilie hat, muss dann doch eine komplette Steuererklärung erstellen - ansonsten werden zu viele Steuern gezahlt oder die Erstattung fällt zu niedrig aus. Schließlich werden die an Finanzämter automatisch übermittelten Daten zu Rente, Pension und Krankenversicherung dem Steuerzahler als eigene Angaben zugerechnet. Was übermittelt wurde, sehen die Steuerpflichtigen aber erst im Steuerbescheid. Diesen müssen sie also besonders genau prüfen und im Fall fehlerhafter Angaben von sich aus das Finanzamt informieren.

Für welche Zielgruppe ist die vereinfachte Steuererklärung nicht zu empfehlen?
Für Rentner mit Kapitalvermögen über dem Sparer-Pauschbetrag oder bei denen die Abgeltungsteuer einbehalten wurde, ist sie keine Option. Das gilt auch für Rentner mit weiteren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung oder ausländischen Renten. Auch wenn spezielle außergewöhnliche Belastungen wie beispielsweise Unterhalt an Bedürftige oder Kosten für ein Altersheim mit der Berechnung der Haushaltsersparnis sowie im Bereich Sonderausgaben etwaige Unterhaltsverpflichtungen anfallen, ist die vereinfachte Steuererklärung nicht ratsam.

Wer haftet bei falschen Daten in der vereinfachten Veranlagung?
Bei falschen Daten kommt es drauf an: Hat ein Ruheständler vergessen, Kosten in seiner Erklärung anzugeben, kann er diese nachreichen oder - wenn sein Einkommensteuerbescheid bereits vorliegt - innerhalb der Einspruchsfrist beim Finanzamt geltend machen. Hat er Einnahmen vergessen, hilft meist nur eine Selbstanzeige.

Was ist in dem Zusammenhang besonders zu beachten?
Das Finanzamt darf die elektronischen Daten nicht ungeprüft übernehmen. Denn die elektronischen Meldungen von Arbeitgebern sind laut Bundesfinanzhof nur eine Information zur Kontrolle (Az. VII B 9/11). Finanzbeamte dürfen diese Daten nicht ungeprüft in den Steuerbescheid übernehmen. Das gilt auch für die Daten von Sozialleistungsträgern und Rentenversicherern. Wir raten daher grundsätzlich, Einspruch einzulegen - entsprechend der Pflicht des Ruheständlers, seine Daten zu prüfen.

Zur Person: Daniel Schollenberger ist studierter Finanz- und Steuerfachwirt. Seit 2013 ist er beim Steuersoftware-Anbieter Akademische Arbeitsgemeinschaft tätig und arbeitet als Steuerexperte für die Portale steuertipps.de und SteuerGoldies.de

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