Der KPMG-Fachmann Christian Fischler über fiskalische Fallstricke bei Gold-Anlageprodukten Von Stefan Rullkötter
Börse Online: Warum setzt der Bundesfinanzhof Xetra-Gold mit physischen Anlageformen wie Barren und Münzen gleich?
Christian Fischler: Die entscheidende Frage, die der BFH zu klären hatte, war: Liegen sogenannte Kapitalforderungen vor, die haltedauerunabhängig der Abgeltungsteuer unterliegen? Das hat der BFH im Streitfall klar verneint und damit die Urteile der Vorinstanzen bestätigt. Denn die von der Deutsche Börse Commodities GmbH emittierten und börsengehandelten Inhaberschuldverschreibungen gewähren dem Inhaber allein das Recht auf Auslieferung eines Gramms Gold pro Stück - unter Einhaltung einer Lieferfrist von zehn Tagen. Um diesen Lieferungsanspruch bei Xetra- Gold jederzeit abzusichern, hat die Emittentin ihre Inhaberschuldverschreibung durch physisch eingelagertes Gold zu mindestens 95 Prozent gedeckt.
Börse Online: Welche Urteil-Details sind in dem Zusammenhang wichtig ?
Fischler: Neben diesem Anspruch auf Sachleistung steht dem Anleger gegen die Emittentin insbesondere kein Anspruch auf Auszahlung in bar (Geldleistung) zu. Dass viele Anleger anstelle der Auslieferung Xetra-Gold über die Börse veräußern, um hierdurch die Auslieferungskosten des physischen Goldes zu sparen, war für den BFH unerheblich. Der BFH hat mit seinen Entscheidungen daher bestätigt, dass diese Inhaberschuldverschreibungen nicht als Kapitalforderung der Abgeltungssteuer unterliegen, sondern Kursgewinne als private Veräußerungsgewinne nach einem Jahr Mindesthaltedauer ebenso steuerfrei sind wie Verkaufsgewinne aus anderen physischen Goldanlagen.
Börse Online: Gelten die neuen Urteile auch für andere Goldanleihen?
Fischler: Hier ist Vorsicht geboten: Maßgeblich war für den BFH, dass Xetra-Gold ausschließlich einen Anspruch auf Auslieferung von Gold (Sachleistung) und keinen Anspruch auf Geldleistung verkörpert. Zudem lag eine nahezu vollständige Goldbesicherung vor. Die am Kapitalmarkt angebotenen Zertifikate und Exchange Traded Commodities (kurz: ETC), die an die Wertentwicklung des Goldpreises gekoppelt sind, weisen jedoch teilweise unterschiedliche Merkmale auf. Es ist also jeweils produktbezogen zu prüfen, inwieweit die neue Rechtsprechung übertragbar ist.
Börse Online: Was bedeutet die neue Rechtsprechung für die Steuerpraxis der Finanzämter?
Fischler: "Die Finanzverwaltung muss sich jetzt neu positionieren, weil diese Urteile im Widerspruch zu einem Erlass des Bundesfinanzministeriums stehen, dem auch die deutschen Banken für den Abgeltungsteuerabzug folgen müssen". Denn der Fiskus unterstellt bisher pauschal für alle Goldzertifikate und Schuldverschreibungen, deren Wertentwicklung an den Goldpreis gekoppelt ist, dass eine "Kapitalforderung" vorliegt. Seit 2009 müssen die Depotbanken daher auch auf Kursgewinne aus Wertpapieren, die einen physischen Lieferanspruch verbriefen, 25 Prozent Abgeltungsteuer abführen.
Börse Online: Profitieren vergleichbar betroffene Anleger automatisch von den neuen Urteilen?
Fischler: Direkt davon profitieren alle Xetra-Gold-Anleger, deren Steuerveranlagung noch offen ist und die sich in ihren Steuererklärungen oder Einspruchsverfahren nun auf die BFH-Musterprozesse berufen können, um so eine Erstattung der einbehaltenen Abgeltungsteuer zu erreichen. Nicht auszuschließen ist ein "Nichtanwendungserlass" der Finanzverwaltung, der die neuen BFH-Urteile verwaltungsintern zu Einzelfallentscheidungen herabstuft. Jeder vergleichbar Betroffene müsste dann individuell klagen.
Börse Online: Kann die neue BFH-Rechtsprechung auch nachteilig für Anleger sein?
Fischler: Für die meisten Anleger ist die neue Rechtsprechung vorteilhaft, weil die depotführenden Banken auf realisierte Gewinne derzeit ja unabhängig von der Haltedauer Abgeltungsteuer einbehalten müssen. Die Urteile sind aber nicht für jeden Anleger positiv: Werden Kursgewinne mit Xetra-Gold innerhalb der Jahresfrist erzielt, ist die 25-prozentige Abgeltungsteuer oft niedriger als der persönliche Steuersatz, der auf Basis dieser Urteile zur Anwendung käme. Zudem wären Verluste innerhalb der Jahresfrist nur beschränkt verrechenbar - etwa mit Verlusten aus vermieteten Immobilien innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist. Und außerhalb von zwölf Monaten realisierte Verluste wären sogar steuerlich unbeachtlich.