Für einen kleinen Inselstaat mit einer Fläche so groß wie Baden-Württemberg und etwa 23 Millionen Einwohnern sorgt Taiwan vergleichsweise häufig für Schlagzeilen. Der Grund: Das Land sieht sich als souveräner Staat, während China Taiwan als abtrünnige Provinz einstuft. Immer wieder kommt es deshalb zu Spannungen. Zumal die USA aufseiten Taiwans stehen und eine Zuspitzung des Konflikts daher viel Zündstoff birgt.

Zudem findet Taiwan deshalb viel Beachtung, weil es sich um einen wichtigen Technologiestandort handelt. Das gilt insbesondere für den Halbleiterbereich. So ist Taiwan Semiconductor (TSMC) mit einem Marktanteil von 57 Prozent der größte unabhängige Auftragsfertiger für Halbleiterprodukte.

Wegen des hohen Stellenwerts von Chips für die Weltwirtschaft und eines ohnehin derzeit vorherrschenden Angebotsengpasses in diesem Bereich ist eine termingerecht funktionierende Taiwan- Produktion von globaler Bedeutung. So Aus diesem Grund war die Nervosität groß, als es Mitte Mai auf der Insel im Westpazifik plötzlich zu einem deutlichen Anstieg der Coronaviruserkrankungen kam. Denn aufgrund von Produktionseinschränkungen drohten zusätzliche Verwerfungen in der ohnehin angespannten weltweiten Lieferkette.

Daher sind die kürzlich wieder gesunkenen Covid-19-Zahlen auch für den Rest der Welt eine gute Nachricht. Denn wie es scheint, macht sich abermals ein gutes Krisenmanagement bezahlt. Und offenbar kommt auch die lokale Wirtschaft ungeschoren davon. Die Regierung hob jedenfalls in der Vorwoche dank boomender Exporte ihre Prognose für das diesjährige Plus beim Bruttoinlandsprodukt von 5,4 Prozent auf 5,8 Prozent leicht an. Die erstmals abgegebene Schätzung für 2022 sieht einen niedrigeren, aber immer noch soliden Zuwachs von 3,6 Prozent vor.

Allerdings ändert das nichts daran, dass die Hausse am lokalen Aktienmarkt ins Stocken geraten ist. So tendiert der MSCI-Taiwan-Index auf Dollarbasis schon seit der zweiten Januarhälfte lediglich seitwärts. Geschuldet ist das vermutlich einem normalen Konsolidierungsbedarf, nachdem dieser Index seit Mitte März 2020 in der Spitze um fast 130 Prozent zugelegt hatte. Die Bewertung ist trotzdem noch kein allzu großes Hindernis. Denn das geschätzte KGV beim MSCI-Taiwan-Index bewegt sich mit gut 15 im internationalen Vergleich auf unverdächtigem Niveau.

TSMC dominiert den Index

Anleger, die über ein Investment nachdenken, sollten sich hier die Marktstruktur vergegenwärtigen. Beim MSCI-Taiwan-Index etwa, der mit 87 Mitgliedern rund 85 Prozent der Marktkapitalisierung abdeckt, kommen allein die TSMC-Aktien auf ein hohes Gewicht von über 43 Prozent. Addiert man dazu die Anteile der beiden anderen Halbleitervertreter unter den Top-10-Indexmitgliedern - Mediatek mit 4,2 Prozent und United Microelectronics mit 2,0 Prozent -, macht dieser Sektor sogar gut 50 Prozent der Gewichtung aus.

Der jüngste Seitwärtstrend bei den Leitindizes ist daher auch der Auszeit geschuldet, die sich das Indexschwergewicht TSMC zuletzt genommen hat. Allerdings wird der Vorzeigekonzern seine technologische Vorreiterstellung wohl behaupten können. Dank Kostenvorteilen und immateriellen Vermögenswerten verfügt TSMC über einen breiten wirtschaftlichen Schutzgraben. Aus Sicht von BÖRSE ONLINE ist die Aktie derzeit eine Halteposition - bei der man insbesondere den Stopp beachten sollte. Neue Investments sind erst opportun, wenn die Charttechnik ein prozyklisches Kaufsignal gibt. Dies wäre beim Erreichen eines neuen Rekordkurses der Fall.

Ein ähnliches Vorgehen ist auch bei Hon Hai Precision anzuraten; das Unternehmen war in früheren Ausgaben unser zweiter Kauftipp auf Einzelwertebasis. Will sagen: Bestehende Positionen halten und die eingefahrenen Gewinne laufen lassen. Neuengagements sollten aber nur bei neuen Zwischenhochs eingegangen werden.

Auch für diesen Wert spechen die führende Marktstellung unter den elektronischen Fertigungsdienstleistern sowie die Aussicht auf steigende Gewinnspannen. Hinzu kommt eine attraktive Bewertung zum einfachen Buchwert und einem geschätzten KGV von rund zehn. Das Geschäftsmodell ist aber auch mit hohen Risiken verbunden, weshalb ein Neueinstieg erst bei einem wieder verbesserten Chartbild angebracht erscheint. Zudem plant Hon Hai Precision, ebenso wie TSMC, erhebliche Investitionen, die sich erst einmal bezahlt machen müssen.

Die sonstige Auswahl an in Deutschland handelbaren Taiwan-Aktien ist sehr begrenzt. Auch dieser Umstand bringt für Taiwan-Interessierte als Alternative ein Indexzertifikat wie den Lyxor MSCI Taiwan ETF ins Spiel. Doch auch hier gilt: Neue Positionen erst bei einem Ende des jüngsten Seitwärtstrends aufbauen. Schon früher war die Börse in Taiwan lange Zeit nur ein Tradermarkt mit relativ häufigen Richtungswechseln.

 


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