Preisdruck, Billigexporte aus China und Überkapazitäten beim Stahl verhagelten Thyssenkrupp-Chef Hiesinger in diesem Jahr die Prognose. Eine Erholung der Stahlsparte könnte im neuen Geschäftsjahr für Auftrieb sorgen.

"Stahl wird der größte Treiber für die Aktie im neuen Geschäftjahr sein", sagte der Warburg-Research-Analyst Björn Voss. Die Technologiebereiche entwickelten sich insgesamt gut, wenngleich im Anlagenbau die Auftragseingänge verbessert werden müssten. Wegen der schwachen Stahlpreise in den ersten Monaten des Geschäftsjahres 2015/16 werde die Sparte wohl im Berichtszeitraum einen Gewinnrückgang verbuchen. Inzwischen hat sich die Lage aber geändert. Die Spotmarktpreise für Stahl seien seit Februar deutlich gestiegen. "Thyssenkrupp hat zu 80 bis 90 Prozent Kontraktgeschäft mit Halbjahresverträgen oder länger. Die höheren Preise haben daher erst ab Juli richtig durchgeschlagen", erklärt der Experte. Allerdings hatte Weltmarkführer ArcelorMittal kürzlich berichtet, dass die Preise in den USA schon wieder unter Druck gerieten. Zudem ziehen die Rohstoffkosten, insbesondere für Kokskohle, an.

THYSSENKRUPP MUSSTE PROGNOSE ZURÜCKSCHRAUBEN



Hiesinger hatte im Mai nach Einbrüchen im Werkstoffgeschäft die Gewinnprognose für 2015/16 gekappt. Ursprünglich hatte er einen operativen Gewinn von 1,6 bis 1,9 Milliarden Euro nach 1,7 Milliarden im Vorjahr angepeilt, später lag das Ziel nur noch bei mindestens 1,4 Milliarden Euro. Dies dürfte Thyssenkrupp nach Ansicht von Analyst Voss erreicht haben. Die Dividende könne wie im Vorjahr bei 15 Cent je Aktie liegen. Für das neue Geschäftsjahr traut er dem Konzern einen operativen Gewinn von 1,8 Milliarden Euro, rund 490 Millionen könnte die Stahlsparte dazu beitragen. Als Ausschüttung seien 35 Cent je Aktie möglich.

Fraglich ist, ob es in der kommenden Woche Neuigkeiten zu den Fusionsgesprächen mit dem Konkurrenten Tata Steel gibt. Hier war es in letzter Zeit ruhig geworden. Die hohen Pensionsverpflichtungen von Tata in Großbritannien sowie das verlustreiche Werk Port Talbot gelten als Hindernisse. Auch der Führungswechsel beim Mutterkonzern Tata Sons dürfte die Gespräche nicht leichter gemacht haben. "Ob es aber wirklich im Fall einer Fusion so viele positive Aspekte gibt, ist offen", betont Stahlexperte Voss. Die Betriebsräte würden sich wohl gegen einen Abbau von Überkapazitäten wehren. Stahlbetriebsratschef Günter Back hat Hiesinger bereits davor gewarnt, den Verbleib die Stahlsparte im Konzern infrage zu stellen: "Dann kann das nicht mehr unser Mann sein."

ABSCHIED VON PANNENWERK IN BRASILIEN GEPLANT



Im verlustreichen Stahlgeschäft in Brasilien stehen die Zeichen schon länger auf Abschied. Insidern zufolge verhandelt Thyssenkrupp über einen Verkauf der Anlage mit dem Konkurrenten Ternium. Das Werk, das dem Essener Konzern wegen Pleiten, Pech und Pannen Milliardenverluste und eine Existenzkrise einbrockte, steht noch mit rund 2,2 Milliarden Euro in den Büchern. Bei einem Verkauf drohen hohe Abschreibungen. Der Markt würde trotz eines etwaigen Buchverlusts einen Verkauf für mehr als eine Milliarde Euro wohl positiv aufnehmen, erklären jedoch die Experten der Commerzbank.

rtr