von Florian M. Roebbeling, Leiter des €uro Instituts
Transparenz wird von vielen als das effektivste Allheilmittel in sämtlichen Belangen propagiert. Das betrifft nicht nur den Finanzmarkt, sondern auch das tägliche Leben. Die Idee dahinter: Wenn etwas transparent ist, also allen Akteuren die gleichen Informationen zur Verfügung stehen, ist Machtmissbrauch faktisch nicht mehr möglich. Seit Montag vergangener Woche weist die Schweizer Großbank UBS für alle von ihr emittierten Bonus-, Cap-Bonus-, Discount-Zertifikate-Plus-, Aktienanleihen-Plus-Papiere und Knock-out-Zertifikate die Wahrscheinlichkeit für den Barrierebruch aus. Bald soll es die Kennziffer auch für Express- sowie Reverse-Bonuszertifikate geben. Je nach Ausstattung der Papiere kann eine Verletzung der Barriere für den Anleger hohe Einbußen oder sogar den Totalverlust bedeuten.
Die UBS sorgt durch die Veröffentlichung von Eintrittswahrscheinlichkeiten für Produkte mit Barriere aber nicht nur für die Prävention von potenziellem Macht- oder Marktmissbrauch. Sie bringt den Anleger bei vielen Produkten erstmals in die Situation, überhaupt eine sinnvolle Anlageentscheidung treffen zu können. Bei einfachen Bonuszertifikaten reicht vielleicht noch eine Marktmeinung: "Ich bin der Meinung, dass die Aktie XY nicht unter Level Z fällt, also suche ich mir ein Bonuszertifikat, bei dem die Barriere unter diesem Level Z liegt, und habe ein passendes Produkt
für mich." Fein. Aber bei Multistrukturen, die mehrere Basiswerte haben? Ohne eine Eintrittswahrscheinlichkeit weiß der Anleger nicht, ob ein potenzieller Kupon sich lohnt oder eben nicht. Schön, wenn ein Produkt einen Zins von zehn Prozent hat. Aber wenn ich nicht weiß, wie wahrscheinlich es ist, dass ich diese zehn Prozent auch bekomme, kann ich nicht sagen, ob sich das Produkt (für mich) lohnt.
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Der Emittent kennt die Eintrittswahrscheinlichkeit seiner Barriereprodukte. Durch die Veröffentlichung dieser Prozentzahl wird die Informationsasymmetrie zwischen Investor und Produktanbieter aufgehoben. Der grundsätzlichen Idee von Transparenz kommen die Schweizer damit aber auch nach. Einen Marktmissbrauch, wie etwa die Konstruktion eines strukturierten Produkts mit einem optisch schicken Kupon von 25 Prozent, aber einer Eintrittswahrscheinlichkeit dieses Kupons von weniger als einem Prozent, wird die UBS jetzt wohl kaum noch wagen. Denn Medien und Anleger könnten ja nun auf einen Blick erkennen, dass ein solches Produkt grober Unfug ist.
Deshalb ist auch der Ansatz der UBS, die Eintrittswahrscheinlichkeit für sämtliche Produkte mit Barriere zu veröffentlichen, sehr lobenswert. Zwar fehlen derzeit neben Expressen noch ein paar
"strukturelle Exoten", aber für über 95 Prozent der Barriereprodukte ist die Zahl schon verfügbar. Auch sinnvoll ist die Berechnung: Die Eintrittswahrscheinlichkeit wird bei Hebelprodukten jeweils für die kommenden zehn Tage berechnet, bei Anlageprodukten bis zum Laufzeitende. Da Anleger zum Beispiel
Bonuszertifikate gern bis zum Laufzeitende halten, hilft ihnen diese Kennzahl auch nur bei Berechnung bis zum Ende des Produkts. Hingegen ist die durchschnittliche Haltedauer bei Turbozertifikaten
wesentlich kürzer, ergo ist hier die Zehn-Tages-Betrachtung besser geeignet.
Der UBS sei zu dem Entschluss gratuliert, diese längst überfällige Kennzahl vernünftig - also auf täglicher Basis und für alle Produkte berechnet - zu veröffentlichen. Was in anderen europäischen Ländern schon per Gesetz von Emittenten verlangt wird, macht sie in Deutschland aus reiner Überzeugung. Sie hat nicht nur erkannt, dass bessere Transparenz für die gebeutelte Finanzindustrie ein Gebot der Stunde ist. Sondern sie hat auch verstanden, dass die Anleger im aktuellen - und sicherlich noch lang anhaltenden - Niedrigzinsumfeld dringend Werkzeuge brauchen, die zur richtigen Produktauswahl führen. Hoffen wir, dass sich diese Erkenntnis auch ohne Zwang durch den Regulator bei den anderen Produktanbietern durchsetzt.
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Florian M. Roebbeling
Seit dem Beginn seiner Karriere beim E-Broker-Pionier DAB beschäftigt er sich mit verbrieften Derivaten.
Nach Stationen bei der Société Générale in Paris und JP Morgan in London war er federführend verantwortlich für die Emission von Zertifikaten bei Macquarie Bank. Heute leitet er das €uro Institut für
Medien- und Finanzmarktinformationen, das Dienstleister und Partner der Finanzindustrie ist.