Alain, Frankreich erlebt in diesen Tagen einen Alptraum. Wie haben Sie die Terror-Anschläge am Freitag erlebt?

Ich saß zuhause im Wohnzimmer und habe das Fußballspiel Frankreich - Deutschland gesehen, als wir mitbekamen, dass etwas Unvorstellbares passiert ist. Es war ein Schock. Wir haben dann sehr schnell alle Ubisoft-Manager gebeten, ihre Mitarbeiter direkt zu kontaktieren, um sie zu fragen, ob alle wohl auf sind. Gott sei Dank ist ihnen nichts passiert. Wir sind in Gedanken bei den Opfern dieser furchtbaren Ereignisse und sprechen den Angehörigen unser aufrichtiges Beileid aus. Wir möchten uns auch für die große Solidarität und Empathie bedanken, die ihnen und uns weltweit entgegen gebracht wird. Das ist eine große Unterstützung.

In Deutschland wurde die geplante Ausstrahlung einer Doppelfolge der Krimi-Reihe Tatort mit dem deutschen Schauspieler Till Schweiger bereits verschoben. Hintergrund war eine Terrorattacke im Drehbuch. Ubisoft steht vor dem weltweiten Start mehrerer neuer Spiele. Müssen Sie ihre Planungen entsprechend anpassen und Starttermine eventuell verschieben?

Es stimmt: Wir haben mehrere wichtige Spiele, die in den nächsten Wochen und Monaten auf den Markt kommen sollen. Am 1. Dezember startet der Taktik-Shooters Rainbow Six, in dem es um eine Anti-Terroreinheit geht. Aber die Handlung ist reine Fiktion. Es gibt schon wegen des Zeitpunkts der Terroranschläge keine Bezüge zu den schrecklichen Attacken von Paris, auch geographisch nicht. Die Reihe ist seit 1998 auf dem Markt. Die Fans warten auf den Titel. Von daher bleibt es beim geplanten Starttermin.

Und bei den anderen geplanten Titeln?

Auch dort wird es keine Änderungen an den geplanten Startterminen geben.

Die Ubisoft-Aktie hat im laufenden Jahr über 60 Prozent zugelegt. Für Fantasie hat zuletzt vor allem der Einstieg von Vivendi gesorgt. Der Konzern hält inzwischen rund 10 Prozent der Aktien an Ubisoft. Wie beunruhigt sind Sie?

Wir betrachten diesen Einstieg von Vivendi als unerwünschten Angriff. Wir sind erfolgreich und schaffen Werte für unsere Aktionäre. Unsere Unabhängigkeit ist das Beste für Spieler, das Unternehmen und die Aktionäre. Das soll auch so bleiben.

Einem unbestätigten Zeitungsbericht zufolge sollen Sie die französische Investment-Boutique Lazard als Berater angeheuert haben, um sich gegen Vivendi zu verteidigen. Stimmt das?

Wir schauen uns alle Optionen und Möglichkeiten an, um unabhängig zu bleiben.

Dazu könnten auch neue, befreundete Investoren gehören, also so genannte weiße Ritter?

Noch mal: Wir prüfen alle Möglichkeiten. Dazu gehört auch die Frage, ob und in wieweit uns neue Investoren dabei helfen können, unsere Unabhängigkeit zu verteidigen.



Auf Seite 2: Wie der Start ins wichtige Weihnachtsgeschäft gelaufen ist





Das Weihnachtsgeschäft ist traditionell die umsatzstärkste Jahreszeit für die Branche. Wie zuversichtlich gehen Sie in die entscheidenden Monate des Jahres?

Das High-End-Spielesegment ist sehr stark. Die PS4 und die Xbox One verkaufen sich besser als erwartet. Auch die Nachfrage nach PC-Spielen ist hervorragend. Dafür sind wir gerüstet. Wir haben vor gut drei Wochen "Assassin’s Creed: Syndicate" gestartet und sind bislang sehr zufrieden. Die Kritiken waren klasse, die Verkaufszahlen stimmen, die Fans spielen länger. Das Momentum ist also gut. Das gilt auch für Just Dance 2016 oder unser Aufbauspiel Anno 2205. Wir haben einen guten Start in die Weihnachtssaison erwischt.

Mit "Far Cry Primal", "Rainbow Six" und "The Division" haben Sie für die nächsten Wochen noch drei weitere potenzielle Blockbuster in der Pipeline?

Der Trailer zu "Far Cry Primal" wurde in zehn Tagen 16 Millionen Mal aufgerufen. Das haben wir bislang bei keinem anderen Ubisoft-Spiel geschafft. Auch der Shooter "The Division" ist eine neue Marke, die schon im Vorfeld für ungewöhnlich viel Aufmerksamkeit gesorgt hat. "The Division" ist unser erstes rollen-basiertes Action-Multiplayer-Spiel (RPG). Wir glauben, dass wir mit diesem Spiel hier Gold in den Händen haben. Von daher sind wir hier für die zweite Hälfte unseres Geschäftsjahrs sehr, sehr zuversichtlich.

Rückenwind kommt ja auch noch von der Hardware-Seite. Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft haben Sony und Microsoft die Preise für ihre Konsolen gesenkt. Darüber ist in der Branche keiner böse, oder?

Im Gegenteil: Wir sind darüber natürlich super happy (lacht). Je mehr Fans sich eine Konsole leisten können, umso besser.

Nun hat die PS4 sich gegenüber der Xbox One einen riesigen Vorsprung erarbeitet. Wie stark fühlen Sie sich der Xbox One-Plattform denn noch verpflichtet, wenn die installierte Basis weltweit so viel kleiner ist als bei der PS4?

Wir sind plattform-neutral und stellen alle unsere Titel auf allen relevanten Plattformen bereit - ob das die PS4 ist, die Xbox One oder eine andere Plattform. Und vergessen Sie bitte nicht: In den USA ist die Xbox One deutlich populärer als etwa in Europa.

Seit gut einem Jahr dürfen auch in China Spiele-Konsolen verkauft werden. Sie sind seit dem Januar im Reich der Mitte präsent. Wie läuft das Geschäft?

Wir sind bislang sehr zufrieden. Es gibt eine wachsende Nachfrage nach High-end-Konsolen in China. Das Geschäft entwickelt sich hervorragend. Dazu kommt, dass wir neue Spielersegmente erschließen können, die bislang vor allem auf PC zocken. Wir sehen in China für die nächsten Jahre insgesamt noch viel Potenzial.



Auf Seite 3: Wie Ubisoft künftig neue Erlösquellen erschließen will





Ubisoft hat inzwischen ein breites Portfolio. Aber ausgerechnet im umsatzträchtigen Sportsegment sind Sie bislang nicht präsent. Wie lange bleibt das noch so?

Im Sportsegment kommt es darauf an, zur richtigen Zeit die richtige Möglichkeit zu identifizieren. Es gibt nicht so viele Sportarten, die weltweit wirtschaftlich interessant sind, also prüfen wir, was getan werden kann. Parallel sehen wir Chancen im eSports-Bereich, also Turnieren mit bestimmten Games. Viele spielen hier, viele schauen auch zu. Aus unserem Portfolio hat Rainbow Six sicher gute Aussichten in diesem Segment. Das ist ein interessanter Markt für unsere Fans, die Sichtbarkeit und das Marketing und mittelfristig wird das auch mit Blick auf das Umsatzpotenzial interessant.

Ubisoft plant für 2020 gemeinsam mit einem Projektentwickler mit einem Partner die Eröffnung eines Vergnügungsparks in Malaysia. Wird es ein solches Projekt auch in Europa geben?

Wir schließen da nichts aus. Wir haben starke Marken und wollen unser Geschäft weiter diversifizieren. Ein Weg dazu sind Filme. Dazu haben wir bereits Hollywood-Studios wie Warner oder Columbia an Bord - oder eben über solche Projekte. Wichtig ist, dass man die richtigen Partner hat.

Im kommenden Jahr wird Ubisoft 30 Jahre alt. Werden Sie Ihr Jubiläum als unabhängiges Unternehmen feiern?

Das ist unser Ziel. Wir waren 29 Jahr unabhängig und dabei sehr erfolgreich. Es gibt keinen Anlass daran zu rütteln. Schauen Sie: Vor drei, vier Jahren haben wir gesagt, dass wir massiv in die neue Konsolengeneration investieren werden. Damals haben viele Experten Konsolen das Sterbeglöckchen geläutet und uns aufgefordert, uns stärker auf Smartphones und Tablets zu konzentrieren. Wir haben uns davon nicht beirren lassen. Heute sieht man: Diese Entscheidung war richtig. Ende 2015 werden weltweit 50 Millionen Konsolen der neuen Generation verkauft sein, 2017 rund 100 Millionen. Das ist ein riesiger Markt, und er wächst schneller als früher. Wir stehen am Anfang einer neuen Wachstumsphase. Diese Chance wollen wir nutzen - als unabhängiges Unternehmen.