Deutsche Wohnen und Brenntag können Attacken gerade noch abwehren. Qiagen, Vonovia und Adidas neue Ziele?
Aktivistische Aktionäre sind in Europa und insbesondere in Deutschland auf dem Vormarsch. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der US-Investmentbank Lazard. 2023 sei in diesem Zusammenhang eines der aktivsten Jahre in Europa überhaupt gewesen, erläuterte Lazard-Manager Christian Kames. Zu den bevorzugten Zielen zählen demnach vor allem niedrig bewertete Unternehmen, die hohes Kurssteigerungspotenzial versprechen, beispielsweise durch Auf- und Abspaltungen oder Übernahmen.
Jüngste Beispiele sind der Chemikalienhändler Brenntag und der Wohnkonzern Deutsche Wohnen. Bei Brenntag hat der Hedgefonds Primestone mit einem Aktienanteil von zwei Prozent eine Aufteilung in die Bereiche Spezialchemie (wachstumsstark) und Basischemie (weniger dynamisch) gefordert, um Profitabilität und Aktienkurs zu steigern. Zudem sollten eigene Kandidaten im Aufsichtsrat platziert werden.
An Deutsche Wohnen wiederum hat sich der Hedgefonds Elliott des berüchtigten US-Aktivisten Paul Singer (Bild) beteiligt. Wegen eines zwei Milliarden Euro schweren Kredits von Deutsche Wohnen an den Großaktionär Vonovia wollte Elliott auf dem Aktionärstreffen am 15. Juni eine Sonderprüfung durchsetzen. Der Kredit, so der Vorwurf, sei zu ungünstigen, nicht marktgerechten Konditionen vergeben worden. Dadurch sei Deutsche Wohnen geschädigt worden.
Höhere Durchschlagkraft
Beide Aktivisten konnten sich auf den Aktionärstreffen in der vergangenen Woche zwar nicht durchsetzen, doch zeigen die Vorgänge eine neue Qualität in der Durchschlagskraft der Attacken. Zum einen erhielten die von Brenntag ins Rennen geschickten Aufsichtsratskandidaten Zustimmungsquoten von lediglich 62 und 63 Prozent — für Hauptversammlungsverhältnisse sind das außergewöhnlich mickrige Mehrheiten.
Zum anderen erhielten die Aktivisten erstmals auch Unterstützung von institutioneller Seite. Die beiden einflussreichen US-Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis hatten sich hinter deren Forderung gestellt. Viele institutionelle Investoren folgen diesen Empfehlungen. Die Aktivistenforderungen erhalten dadurch mehr Gewicht, wie sich auch an den Abstimmungsergebnissen bei Brenntag gezeigt hat.
Zu den bekannteren Vertretern der Aktivisten zählt der britische Hedgefonds Petrus Advisers, der nach Engagements bei Comdirect und Aareal Bank nun bei Teamviewer und der Deutschen Pfandbriefbank für Unruhe sorgt. Die Angreifer haben derzeit leichteres Spiel, weil die Marktbewertung vieler Unternehmen nach Corona-Krise und Russland-Ukraine-Krieg niedrig ist. Gleichzeitig ist nach Beobachtungen von Lazard aber auch die Bereitschaft der Unternehmen gestiegen, sich mit den Forderungen der Aktivisten auseinanderzusetzen.
Die wiederum befassen sich auch mit geplanten Übernahmen oder Fusionen und prüfen, ob der Deal wirklich Mehrwert für die Aktionäre schafft. Davon könnten dann auch die übrigen Aktionäre profitieren. Gleichzeitig warnen Kritiker vor der oft nur kurzfristig ausgerichteten Gewinnmaximierungsstrategie der Aktivisten.
Die nächsten Ziele
Ein Blick auf die Eigentumsverhältnisse bei den DAX-Konzernen zeigt, wer zu den potenziellen Zielen der Angreifer zählen könnte — nämlich jene mit einer Kombination aus hohem Streubesitzanteil und hohem Anteil internationaler Investoren. Laut einer Studie des Investor-Relations-Verbands DIRK ist der Anteil institutioneller Investoren aus Nordamerika und Asien an DAX-Firmen in den vergangenen Jahren gestiegen.
Zu den DAX-Konzernen mit dem höchsten Auslandsanteil zählen Qiagen (82 Prozent), Deutsche Börse (82 Prozent), Brenntag (82), Infineon (82), Vonovia (81), MTU (80), Bayer (77) und Adidas (74).
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