Spirituosen Mixgetränke und die große Vielfalt von Aperol bis Whisky machen die Launenbesserer begehrt, trotz Inflation und Rezessionsgefahr
von Klaus Schachinger
Ob Tullamore Dew aus der Destillerie im irischen Tullamore oder Bushmills-Whiskey aus der Brennerei des gleichnamigen Orts in Nordirland: Große und kleine Destillerien in Irland freuen sich über ungetrübten Zuspruch ihrer Edelspirituosen. Noch nie waren die Aussichten der Iren so gut wie jetzt, den Abstand auf den Scotch, die größere Konkurrenz aus Schottland, im wichtigen amerikanischen Markt stark zu verringern. Mehr als 6,1 Millionen der typischen Neun-Liter-Fässer verschiffte Irland im vergangenen Jahr nach Amerika. Whisky im Wert von 1,4 Milliarden Dollar. Erstmals überschritt der Umsatz im US-Geschäft damit die Milliarden-Dollar-Marke: "Ein Meilenstein im Comeback des Irish Whiskey", trommelt William Lavelle, Direktor der Irish Whiskey Association, für noch mehr Tempo bei der Aufholjagd. Bis das einstige Lieblingsgetränk der beiden Zeitgenossen Königin Elisabeth I. und Zar Peter der Große bei den Auslieferungen nach Amerika mit dem Scotch gleichziehen kann, gibt es noch viel zu tun. Denn das vergangene Jahr war auch für den Scotch in den USA ein Rekordjahr, rund 7,7 Milliarden Dollar wurden mit Whiskey aus den schottischen Highlands erlöst.
Gründerdynastien, Glenfiddichs Weihnachtsgeschichte und die Riesen in der Welt der Hochprozenter
Nachkommen der Gründer von Destillerien, die größtenteils während des 18. und 19. Jahrhunderts entstanden, prägen weiterhin ein Geschäft, das auch von großen Geschichten einzelner Marken lebt. Zum Beispiel der von William Grant, der seinen ersten Glenfiddich-Whisky zu Weihnachten 1887 in dem bei Liebhabern bekannten Speyside-Tal in den schottischen Highlands destillierte. Zum Portfolio der Grants gehört heute auch der irische Tullamore Dew. Die größten Sammler von Whiskey-Marken sind allerdings Konzerne wie Diageo in London mit zuletzt mehr als 18 Milliarden Euro Umsatz und Pernod Ricard in Paris mit knapp elf Milliarden Euro Erlös. Jameson, der weltweit am meisten verkaufte irische Whiskey, dessen Erlöse derzeit am stärksten zulegen, lagert im Portfolio von Pernod Ricard. Während der ersten sechs Monate des laufenden Geschäftsjahres bis Juni setzten die Franzosen mit Jameson elf Prozent mehr um. Dabei hatte der Whiskey schon im Vorjahr ein Rekordniveau erreicht. Im größten Markt der Franzosen, den USA mit 40 Prozent des Gesamtumsatzes, schaffte die irische Whiskey- Marke plus acht Prozent.
Wechsel an der Spitze von Primus Diageo
Eine große und besonders kauffreudige Klientel in den größten Märkten China, USA und Großbritannien sorgt bei Spirituosen für hohe jährliche Zuwächse - im Gegensatz etwa zu Bier. Die börsennotierten Spirituosenhersteller - neben Diageo und Pernod Picard gehören auch der italienische Aperol-Produzent Davide Campari sowie Cognac-Spezialist Rémy Cointreau, können ihre höheren Kosten für Energie, Rohstoffe und Inflation über höhere Preise gut kompensieren. Diageo-Chef Ivan Menezes (63), seit zehn Jahren an der Spitze, hat den Anteil der Premiumspirituosen mit Preisen pro Flasche von 50 Dollar aufwärts deutlich ausgebaut, auf über die Hälfte des Umsatzes. Das Wachstum in den oberen Preissegmenten sei robust, weil diese Spirituosen für besondere Anlässe gedacht seien und im Vergleich mit anderen Luxusartikeln die Kosten für diese Edelgetränke einen kleinen Anteil der Haushaltsbudgets ausmachten, berichtet Menezes aus seiner Erfahrung.
Im Juli wird er an seine Kollegin Debra Crew (52) übergeben, die gegenwärtig das Tagesgeschäft verantwortet. Die Ex-Chefin des Tabakriesen Reynolds American wird den Ausbau von Diageos inflationsresistentem Premiumsegment fortsetzen. Bis 2025 will der Konzern zudem seinen Anteil am globalen Spirituosenmarkt von vier auf sechs Prozent erhöhen. Das muss Konzernlenkerin Crew dann liefern. Die Aussichten dafür sind gut. Denn nicht nur Whiskey, auch Spirituosen allgemein, Getränke mit mehr als 20 Prozent Alkoholgehalt wie Cognac, Wodka, Rum und Tequila bleiben begehrt.
Gin, die 20 Milliarden Dollar Marktnische - auch für Aufsteiger spannend
Gin, das Destillat aus Wacholder, feiert als Mixgetränk mit einer großen Vielfalt an regionalen Tonic-Water-Marken in Gin-Bars seit geraumer Zeit ein Comeback. In dem rund 20 Milliarden Dollar schweren Gin-Markt, dem Marktforscher Euromonitor bis 2026 jährliche Zuwächse von sechs Prozent zutraut, führen Diageo, Pernod Ricard und Bacardi mit zusammen 54 Prozent des Marktes. Gordon’s und Tanqueray, die beiden größten Marken, gehören zu Diageos Portfolio. Weil Gin jedoch nicht nur aus Wacholder destilliert wird, sondern auch mit zusätzlichen Kräutern oder frischen und getrocknete Früchten, haben auch Aufsteiger in diesem Markt gute Chancen.
Tatoos und Millionen für "Don Papa" Rum
Bei hochpreisigen Spirituosen zunehmend angesagt ist inzwischen auch Rum aus exotischen Destinationen wie Venezuela (Pampero), Guatemala (Zacapa) oder von den Philippinen (Don Papa). Die auch in Deutschland populäre Rum-Marke Don Papa gründete Stephen Carroll, einst Marketingchef des französischen Cognac-Spezialisten Rémy Cointreau, 2012 mit einem Partner auf den Philippinen und verkaufte die Kultmarke zu Jahresbeginn für angeblich mindestens 400 Millionen Euro an Diageo. Inspiriert wurde die Marke von der Geschichte des philippinischen Plantagenarbeiters Papa Isio, der 1890 einer der Anführer der Revolution gegen die Kolonialmacht aus Spanien war. In Deutschland lassen sich einige Fans der in Fässer aus amerikanischer Eiche gereiften Edelspirituose Tatoos des Don-Papa-Logos stechen. Anfang des Jahres schloss der für seinen „Jack-Daniels“-Whisky bekannte Konzern Brown-Forman aus Louisville im US-Bundesstaat Kentucky den 725-Millionen-Dollar-Kauf der ebenfalls venezolanischen Edelrum-Marke Diplomático ab. Das Segment ist neben Whisky und Tequila eine weitere vielversprechende Spirituosen-Nische.
Camparis Aperol, Pernods Lillet
Unterhalb des Hochprozenter-Segments mit zehn bis 18 Prozent Alkoholgehalt kommen Klassiker wie Camparis Aperol und neue Bestseller wie Lillet von Pernod Ricardals Mixgetränke auch bei der jungen und vor allem weiblichen Generation sehr gut an. Der Name Aperol ist ein Synonym für die französische Bezeichnung von Aperitif. Das Destillat aus Rhabarber, Chinarinde, Gelbem Enzian und Bitterorange ist im italienischen Familienunternehmen Davide Campari mit rund 22 Prozent von zuletzt 2,7 Milliarden Euro Umsatz die größte Marke. Auch weiterhin rechnet Campari hier mit einem zweistelligen jährlichen Wachstum, auch im 19. Jahr nach dem Kauf der Marke. In Zukäufe investierte Campari in zehn Jahren 2,9 Milliarden, mehr als die Firma im vergangenen Jahr erlöste. Campari könne sich dennoch weitere Zukäufe leisten, sagt Bloomberg-Analyst Duncan Fox, auch wenn die Deals voraussichtlich nicht günstig sein werden. Zuletzt zahlten die Italiener für den Kauf des Orangenlikörspezialisten Grand Marnier im Jahr 2016 mit 648 Millionen Euro fast das 4,5-Fache des Umsatzes. Der millionenschwere Deal hat sich dennoch gelohnt.
DAVIDE CAMPARI Gewinn-Cocktail
Mit Aperol, Campari und Grand Marnier, die 22, elf und sieben Prozent des Umsatzes ausmachen, hat Davide Campari drei starke Marken unterhalb der hochprozentigen Spirituo- sen im Portfolio, die für Mixgetränke begehrt sind. Damit sprechen die Italiener eine breite und jüngere Kundschaft mit einem höheren Anteil weiblicher Konsumenten an, ein Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Mit 2,9 Milliarden Euro Umsatz für 2023 erwarten Analysten ein Plus von knapp zehn Prozent.
DIAGEO Ehrgeizige Ziele
Bis Mitte 2025 will Diageo seinen Markt- anteil von vier auf sechs Prozent erweitern. Debra Crew, die im neuen Geschäftjahr ab Juli Chef Ivan Mendez ablöst, der in den Ru- hestand geht, wird dessen Strategie fortset- zen: den Ausbau des Geschäfts mit hochwer- tigen Spirituosen, die inzwischen etwa die Hälfte des Umsatzes liefern. Kurzfristig muss der Vorstand für mehr Schwung im US-Geschäft sorgen. Für 2023 erwarten Analysten 19,6 Milliarden Euro Gesamtumsatz, knapp acht Prozent mehr als im Vorjahr.
PERNOD RICARD Renditepotenzial
Bis 2025 sollte Pernod Ricard mit vier bis sie- ben Prozent mehr Umsatz pro Jahr und einer jährlichen Verbesserung der Profitabilität um mindestens einen halben Prozentpunkt weiter überzeugen. Die Nettoschulden liegen bei dem 2,5-Fachen des Ebitda. Zukäufe und Ak- tienrückkäufe sind somit möglich. Mit 12,2 Milliarden Euro Erlös im laufenden Geschäftsjahr wird ein Plus von 14 Prozent erwartet.