Die Insolvenz der Windkraftfirma Prokon hat die Politik auf den Plan gerufen. Hier zeichneten Tausende Kleinanleger Genussscheine über den Grauen Kapitalmarkt. Jetzt stehen noch mehr Regulierung und ein mögliches Verbot von bestimmten Finanzprodukten im Raum. Das deckt sich mit dem Gefühl, dass die Finanzbranche noch mehr reguliert werden müsste. So sind nach einer Allensbach-Umfrage, die noch vor der Prokon- Pleite durchgeführt wurde, fast drei Viertel der Befragten der Meinung, dass Banken noch immer wenig oder kaum bis gar nicht reguliert werden. Das ist erschreckend, bedenkt man all die Regulierungsinitiativen der vergangenen Jahre, die Kreditinstitute betreffen, beschäftigen und in erheblichem Maß auch belasten.
Die bisherigen Maßnahmen haben dazu geführt, dass viele Banken bei ihren Eigenkapital- und Liquiditätsreserven heute besser dastehen als vor der Finanzkrise. Auch der umstrittene Eigenhandel wurde eingedämmt. Selbst bei oft kurzen Übergangsfristen gelingt es der Branche, politische Rahmenbedingungen umzusetzen. Trotzdem lassen Europäische Union und Bundesregierung kaum eine Gelegenheit aus, neue Regeln anzukündigen.
Aber wie schlagen die oft nicht einmal konkret benannten "Regulierungsmaßnahmen" tatsächlich auf die Anleger durch? Nur ein Beispiel: Beratungsprotokolle werden von den Kundenberatern vor Ort als Hemmschuh im Kundengespräch empfunden. Auch die Kunden werden durch die Protokolle eher verunsichert, als dass Vertrauen wächst. Inzwischen meiden Vermögensberater bei Privatkunden das Wertpapiergeschäft, und das bei einer erfreulich positiven Marktentwicklung. Das Wertpapiergeschäft war bei vielen Instituten 2013 deutlich rückläufig - zum Teil mit einem Minus von über 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Wie Prokon zeigt, weichen Kunden auf weniger regulierte Produkte und Anbieter aus, die nicht von Bundesbank, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (Bafin) oder Europäischer Zentralbank kontrolliert werden. So führt die Regulierungsdichte heute dazu, dass das Schattenfinanzsystem blüht, der Graue Kapitalmarkt wächst und sich der hochregulierte Finanzdienstleister vom Markt verabschiedet. Die angestrebte "bessere Regulierung" ist damit definitiv noch nicht erreicht. Dies ist umso ärgerlicher, als die neuen Regulierungsanforderungen in ihrer Gesamtheit für Kreditinstitute teuer sind - laut einer Studie von KPMG kosten sie etwa zwei Milliarden Euro pro Jahr.
Deshalb brauchen die Finanzmärkte eine international abgestimmte Regulierung. Deshalb sind Gesetze so zu gestalten, dass sie transparente Produkte und Marktplätze stärken, statt ständig danach zu suchen, welche Lücke im vorangegangenen Gesetz geschlossen werden muss. Der Regulierungsansatz ist zu ändern. Es gilt, die Stärken des Finanzsystems zu fördern. Es gilt, einfache Produkte - wie Aktie, Pfandbrief, Unternehmensanleihe - zu fördern. Produktverbote ändern nichts daran, dass es andere Produkte von Produktverkäufern gibt, die aus einem Land, wo sie nicht verboten sind, weltweit vertrieben werden. Der einzelne Staat kann in der globalen Wirtschaftsordnung die Fantasie der Menschen auf der Suche nach Wohlstand und maximaler Rendite nicht allumfassend reglementieren. Eine solche Kontrollillusion sollten weder Gesetzgeber noch Anleger oder Emittenten haben.
Deshalb ist jeder Einzelne gefordert, das Chance-Risiko-Profil seiner Geldanlage genau zu prüfen. Der Staat kann dies nicht leisten - egal, wie viel er noch reglementiert. Finanzthemen müssen positiv wahrgenommen werden und dürfen nicht lästig sein wie ein Zahnarzttermin. Deshalb ist ein Handel über die Börsen zu fördern. Diese sind am meisten reguliert und transparent in Bezug auf Unternehmensdaten und Nachrichten. Börsen sind so ausgestattet, dass jedes Geschäft unabhängig überprüft werden kann. Deshalb ist es richtig, seinem Bankberater zu vertrauen, der über die Börse handelt, und nicht den Rattenfängern nachzulaufen, die auf dem Grauen Kapitalmarkt Flöte spielen.
Andreas Schmidt
1994 begann Schmidt seine Laufbahn an der Bayerischen Börse als Assistent der Geschäftsführung sowie als stellvertretender Leiter der Handelsüberwachungsstelle. 1997 wurde er zum stellvertretenden, 1998 zum Geschäftsführer der Börse ernannt. Zuvor war der studierte Jurist Referent für Banken, Börse und Versicherungen im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie.