Grund seien die gesetzlichen Rahmenbedingungen. In den USA sind die Grenzwerte bei den durch "Dieselgate" auch hierzulande stärker ins Bewusstein gerückten Stickoxiden schärfer als in Europa. VW hatte diese Hürde zu umgehen versucht und musste vor gut einem Jahr auf Druck der US-Umweltbehörden zugeben, die Abgaswerte mit einer speziellen Software manipuliert zu haben.
Die Entschädigung der Kunden und Händler sowie Wiedergutmachungen für die Umweltbelastung kosten die Wolfsburger in den USA bis zu 16,2 Milliarden Dollar. Weitere Kosten dürften durch eine Geldbuße auf den Konzern zukommen, über die Volkswagen derzeit mit dem US-Justizministerium verhandelt.
Der Skandal hat dem Ruf des deutschen Autobauers in Amerika massiv geschadet, die Verkaufszahlen sind seither auf Talfahrt. Dazu trug auch bei, dass VW den Verkauf von Dieselautos, die zeitweise ein Viertel zum US-Absatz beitrugen, im vergangenen Herbst einstellen musste. Um auf dem nach China zweitgrößten Pkw-Markt nicht vollends ins Abseits zu geraten, macht VW nun reinen Tisch und nimmt Dieselmotoren offenbar ganz aus dem Programm. Unter dem früheren Konzernchef Martin Winterkorn hatte Volkswagen versucht, in den USA mit dem Selbstzünder aus der Nische herauszukommen und sich hohe Zuwächse versprochen. Da die Umweltvorgaben jedoch nicht eingehalten wurden, verfiel man auf den Trick mit der Motorsteuerung. An der Aufklärung der Hintergründe und Verantwortlichen arbeitet seit circa einem Jahr eine von Volkswagen beauftragte US-Anwaltskanzlei.
"ATLAS" SOLL US-ABSATZ ANSCHIEBEN
Künftig wollen die Niedersachsen in den USA mit großen SUV und Limousinen punkten. Den Anfang macht der Geländewagen "Atlas", den VW jüngst auf der Automesse in Los Angeles präsentierte. Später sollen Elektroautos auf den Markt kommen, ab 2021 lokal produziert. In den kommenden Jahren werde Volkswagen dort erheblich in die Elektro-Infrastruktur investieren.
Ein Neustart in den USA ist - neben der Sanierung des Geschäfts in Südamerika und Einsparungen in Europa - wichtig, um die Milliarden freizuschaufeln, die VW für den Schwenk in die Elektromobilität benötigt. "Volkswagen muss sich in Nordamerika von einem Nischenanbieter zu einem relevanten und profitablen Volumenhersteller entwickeln." Ab 2020 wolle man in Nordamerika zumindest wieder schwarze Zahlen schreiben, "und das dauerhaft", kündigte Diess in Wolfsburg an. "Die USA sind nicht nur ein sehr großer, sondern vor allem auch ein sehr gewinnträchtiger Automarkt." Nirgendwo sonst werde im Autogeschäft mehr Geld verdient. "Wir wollen nicht nur in Europa und China profitabel sein, sondern haben uns vorgenommen, bis 2020 in allen großen Märkten positive Ergebnisse zu erwirtschaften." Bis VW in den USA den Anschluss an die Platzhirsche wie General Motors, Ford oder Toyota hat, dürften allerdings wohl zehn Jahre vergehen.
rtr