Mit dem Wasserstoff ist das so eine Sache. Der Rohstoff gilt als unverzichtbarer Baustein der Energiewende und könnte sich Experten zufolge in den kommenden Jahrzehnten zu einem der wichtigsten Energieträger entwickeln. Will man allerdings Wasserstoff auf eine umweltfreundliche Art und Weise gewinnen, wird die Herstellung teuer. Selbst unter besten Bedingungen kostet die Produktion von grünem Wasserstoff etwa zehnmal so viel wie russisches Erdgas. Die hohen Herstellungskosten sind einer der Hauptgründe dafür, weshalb bislang in noch keinem Land der Welt eines der visionären Konzepte großflächig erfolgreich umgesetzt werden konnte. Deutschland will dies zukünftig ändern und greift dafür mit einem 700 Millionen Euro schweren Förderprogramm tief in die Tasche. Bis 2030, so sehen es die Pläne vor, sollen hierzulande Erzeugungskapazitäten von bis zu fünf Gigawatt entstehen - das wären 50-mal mehr als die 100 Megawatt heute.
Große Pläne
In der deutschen Industrie sind die Signale der Politik bereits angekommen. Der Industriegasehersteller Linde stellt Wasserstoff in großen Mengen her. Mit Investitionsplänen im Volumen von bis zu 100 Milliarden Euro will der Konzern das Wasserstoffgeschäft in den nächsten Jahren vervierfachen. Bislang bilden die Industriegase noch das Kerngeschäft des Unternehmens, das ein zweistelliges Gewinnwachstum in Aussicht stellt und Anfang des Jahres ein neues Aktienrückkaufprogramm im Volumen von bis zu fünf Milliarden US-Dollar bis 2023 aufgelegt hat. Auch der Essener Industriekonzern Thyssenkrupp treibt mit dem Bau von Anlagen zur Produktion von Wasserstoff den Konzernumbau weiter voran.
Geht es nach den Experten, sind die milliardenschweren Investitionen gut angelegtes Geld. Die britische Großbank HSBC etwa rechnet per 2050 mit einem Marktvolumen von einer Billion US-Dollar. Die Bank of America hält gar 2,5 Billionen US-Dollar für erreichbar. Entsprechend spektakulär sind vor diesem Hintergrund die Potenziale der reinen Wasserstoffunternehmen, um die im vergangenen Jahr an der Börse ein regelrechter Hype entstanden war. So konnte sich der Aktienkurs von Nel ASA von Anfang 2020 bis Anfang 2021 auf zeitweise 3,30 Euro mehr als verdreifachen. Das Unternehmen kann auf eine jahrzehntelange Erfahrung zurückblicken und ist heute Marktführer bei Wasserstofftankstellen. Operativ konnten die Norweger im vierten Quartal mit einem Umsatzzuwachs um 30 Prozent und einem Anstieg des Auftragsbestands um 90 Prozent weiter Tempo machen. Der Aktienkurs fiel zuletzt hingegen um rund ein Drittel auf 2,56 Euro zurück. Damit steht die Aktie stellvertretend für die gesamte Branche. Auch der Branchenindex Solactive E-Mobilität Wasserstoff Index büßte gegenüber dem Ende Januar erreichten Rekordhoch rund 40 Prozent ein.
Nach Ansicht der HSBC ist damit der Zeitpunkt für einen Neueinstieg in den Sektor gekommen. Die Experten haben das Rating für die Nel-ASA-Aktie von "Halten" auf "Kaufen" nach oben gesetzt und sehen ein Kurspotenzial von 50 Prozent. Auch die Einschätzung für den Branchenkollegen ITM Power haben die Analysten angehoben. Gerade erst haben die Briten mit der Power Gigafactory in Sheffield die nach eigenen Angaben weltweit größte Produktionsanlage eröffnet, deren Kapazität mittelfristig von 350 Megawatt auf ein Gigawatt ausgebaut werden soll. Allein auf dem europäischen Kurszettel finden sich zahlreiche weitere interessante Wasserstofftitel, wie etwa die schwedische Powercell oder die britische Ceres Power. Beide Gesellschaften forschen intensiv mit dem deutschen Traditionsunternehmen Bosch.
Entspannt investieren per ETF
Mit Blick auf Volatilität, Bewertung und Anzahl der Titel bewegen sich Anleger mit Einzelinvestments im Wasserstoffsektor in anspruchsvollem Terrain. Wer sein Risiko minimieren will, greift daher alternativ auf börsengehandelte Indexfonds zurück, wie den L & G Hydrogen Economy UCITS ETF. Er bildet die Wertentwicklung des Solactive Hydrogen Economy Index ab. Im Index selbst sind etwa zur Hälfte Börsenschwergewichte enthalten, die häufig bislang nur einen vergleichsweise kleinen Teil ihrer Umsätze und Gewinne im Wasserstoffsektor erwirtschaften.
Die spekulativere Variante ist der Vaneck Vectors Hydrogen Economy UCITS ETF, der mit zahlreichen Wasserstoffspezialisten gespickt ist und voll auf den potenziellen Megatrend der kommenden Jahrzehnte setzt.