Steuerpflichtige müssen immer länger auf ihre Bescheide warten. Steuerexperte Felix Bodeewes, Geschäftsführer des Software-Anbieters Forium, erklärt die Hintergründe. von Stefan Rullkötter
BÖRSE ONLINE: Wie lange müssen Bürger hierzulande auf ihre Steuerbescheide und im Schnitt 900 Euro Erstattung warten?
Felix Bodeewes: Nach einer anonymen Auswertung von mehr als 300 000 Steuerpflichtigen, die im Jahr 2018 ihre Steuererklärungen über unserer Portal lohnsteuer-kompakt.de erstellt haben, lag die bundesweite Bearbeitungsdauer bei 56,1 Tagen. Das sind 0,7 Tage mehr als im Vorjahr. Im Vergleich zu 2015 verlangsamte sich Bearbeitungszeit sogar um 3,6 Tage.
Wo geht es hierzulande am schnellsten?
Das Saarland hatte derzeit die schnellsten Finanzämter Deutschlands. Seine Finanzämter brauchten 2018 im Schnitt nur 48,7 Tage, um Steuererklärung zu bearbeiten und Bescheide zu erstellen. Danach folgen die Stadtstaaten Berlin und Hamburg.
Und welches Finanzamt liegt im Gesamt-Ranking an der Spitze?
Deutschlands schnellstes Finanzamt kam 2018 aus Nordrhein-Westfalen. Das Finanzamt Wuppertal-Barmen braucht für die Bearbeitung einer Steuererklärung im Schnitt nur 34,3 Tage.
Welche Bundesländer tun sich besonders schwer mit der raschen Bearbeitung von Steuerklärungen?
Am längsten mussten Steuerpflichtige in Niedersachsen auf eine mögliche Steuererstattung warten. Erst nach durchschnittlich 65,7 Tagen gab es dort im vergangenen Jahr den Steuerbescheid. Am längsten brauchten 2018 indes die Finanzbeamten des hessischen Finanzamtes Hersfeld-Rotenburg, Verwaltungsstelle Bad Hersfeld, mit einer durchschnittlichen Bearbeitungsdauer von 89,6 Tagen.
Was sind die Ursachen dafür, dass die Finanzämter noch langsamer sind als im Vorjahr?
Der Grund liegt meines Erachtens vor allem im steigenden Arbeitsaufkommen für die Finanzämter: Immer mehr Rentner sind verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben, gleichzeitig gibt es weniger zusammenveranlagte Paare - und mehr Studenten, die mögliche Vorteile einer Verlustfeststellung erkennen. Auch die verstärkte Einführung elektronischer Systeme bedingt organisatorische Maßnahmen, die kurzfristig behindern.
Auf welche Größenordnung summiert sich das "zinslose Darlehen", das Bürger dem Fiskus durch die länger werdenden Bearbeitungszeiten geben?
Laut statistischem Bundesamt gab es 2014 in Deutsch-land rund 24,1 Millionen unbeschränkt Steuerpflichtige, die ausschließlich Ein-nahmen aus nicht-selbständiger Arbeit und eventuell Kapitaleinkünfte erzielten. 13,3 Millionen dieser Steuerpflichtigen ließen sich zur Einkommensteuer veranlagen, davon erhielten 11,6 Millionen eine Steuererstattung von 974 Euro. Somit wird dem Staat ein Darlehen von rund 11 Milliarden Euro für die von uns berechneten 56 Tage gewährt. Noch mehr profitiert der Staat von weiteren 9,5 Milliarden Euro pro Jahr, die Angestellte sich nicht durch die Abgabe einer Steuererklärung sichern. Für Steuerpflichtige ist es auch deshalb umso ärgerlicher, dass die Bearbeitungsdauer der Steuererklärungen im Schnitt immer länger wird.