In deutschen Metropolen, aber auch in prosperierenden Mittelstädten ist die Wohnungsknappheit das beherrschende Thema. Michael Ost, Vorstandschef der Deutsche Bank Bauspar AG, plädiert für Sofortmaßnahmen. Von Stefan Rullkötter
Börse Online: Herr Ost, wie groß ist nach ihrer Einschätzung der konkrete Neubaubedarf in Deutschland?
Michael Ost:
Dazu hat das Pestel-Institut kürzlich neue Zahlen veröffentlicht. Bis 2025 müssten jährlich 314 000 Wohnungen fertiggestellt werden. Nicht von ungefähr hat sich die große Koalition vorgenommen, in der laufenden Legislaturperiode 1,5 Millionen neue Wohnungen zu bauen.Kann dieses ehrgeizige Ziel tatsächlich erreicht werden?
Darauf deutet nichts hin. Unternehmen, die Wohnungen schaffen wollen, verzweifeln an überforderten Bauämtern und langwierigen Genehmigungsverfahren. Dass Baufirmen und Handwerksbetriebe auf Monate hinaus ausgelastet sind, erschwert die Situation weiter.
Was schlagen Sie als Sofortmaßnahme vor?
Städte und Gemeinden müssen alles daran setzen, ihre Bauämter wieder voll handlungsfähig zu machen. Viele Kommunen haben ihre Ämter personell ausgedünnt, weil über Jahre hinweg der Neubau auf niedrigem Niveau verharrte. Entsprechend schwierig ist es für die verbliebenen Mitarbeiter, die gestiegene Zahl der Bauanträge zu bearbeiten. Nötig ist deshalb ein Programm der aktiven Personalrekrutierung, das die öffentliche Hand als attraktiven Arbeitgeber in den Blickpunkt rückt.
Kann das allein schon ausreichen?
Voraussichtlich nicht. Deshalb sollte ein Vorschlag des ZIA (Zentraler Immobilien Ausschuss) zumindest geprüft werden: Warum soll die Erstellung von Bebauungsplänen - selbstverständlich unter Einhaltung aller gesetzlicher Vorgaben - nicht an externe Planungsbüros vergeben werden können?
Wird bundesweit derzeit genug Bauland ausgewiesen?
Wir brauchen mehr Bauland. Das kann die Ausweisung neuer Baugebiete bedeuten, aber auch die Aktivierung der in vielen Städten noch immer beträchtlichen innerstädtischen Baulandreserven. Großzügige Innenhöfe, ehemalige Bahn- und Gewerbeareale - überall können Wohnungen entstehen, ohne dass deswegen wertvolles innerstädtisches Grün im Übermaß geopfert werden müsste. Auch die zahlreichen suboptimal genutzten Grundstücke - man denke an die eingeschossigen Supermärkte in den Innenstädten - bieten noch viel Raum für eine dichtere Bebauung.
Auf Seite 2: Ist in puncto Regulierung auch der Gesetzgeber gefragt?
Ist in puncto Regulierung auch der Gesetzgeber gefragt?
Deutschland muss den Mut aufbringen, die Bauvorschriften zu vereinfachen und zu reduzieren. Nach Erhebungen des ZIA hat sich deren Zahl seit dem Jahr 1990 auf rund 20 000 fast vervierfacht. Schallschutz, Brandschutz, Tierschutz, Baumschutz, Energieeffizienz sind zwar alles wichtige Anliegen. Sie sind mittlerweile aber von einem derart dichten Regelwerk durchzogen, dass Architekten und bauwillige Unternehmen nicht selten verzweifeln.
Hat die Politik in diesem Punkt versagt?
Besonders ärgerlich ist, dass die Verantwortlichen das Problem der überbordenden Regelungsdichte längst erkannt haben, ohne erkennbare Konsequenzen daraus zu ziehen. Schon 2015 hat die vom Bundesbauministerium eingesetzte Baukostensenkungskommission einen 181 Seiten dicken Bericht mit zahlreichen sinnvollen Vorschlägen für den Abbau überflüssiger oder schädlicher Regeln vorgelegt. Und im vergangenen September hat der von Bundeskanzlerin Angela Merkel einberufene Wohngipfel bekräftigt: "Technische Standards und Normen sowie Gesetze dürfen nicht dazu führen, dass Bauen und damit auch Wohnen unerschwinglich wird. Die Kosten-Nutzen-Prüfung muss in Zukunft eine wesentliche Rolle spielen."
Kann die Lösung allein der Neubau von Mietwohnungen sein?
Die Politik darf das Augenmerk nicht ausschließlich auf den Mietwohnungsbau richten. Immerhin tragen die Deutschen in punkto Wohneigentum noch immer die rote Laterne in Europa und lassen damit ein wichtiges Instrument der persönlichen Altersvorsorge einerseits, aber auch ein durchaus relevantes Vehikel zur Beseitigung des eklatanten Wohnraummangels andererseits ungenutzt. Denn auch Eigenheime (seien es Einfamilienhäuser oder Eigentumswohnungen für den Eigenbedarf oder zur Fremdnutzung) vergrößern das Wohnungsangebot und reduzieren den Mangel.
Sind mehr staatliche Förderprogramme nötig?
Und das in einem nicht zu unterschätzenden Umfang. Mit dem Baukindergeld hat die Bundesregierung einen ersten Schritt getan, um Familien den Weg ins Eigentum zu ebnen. Dabei darf es aber nicht bleiben. Es braucht weitere Anreize in Form einer klugen Unterstützung wie beispielsweise eines KfW-Bürgschaftsprogramms zur Stärkung der Eigenkapitalbasis. Auch ein Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer beim erstmaligen Erwerb von Baugrundstücken für Familien wäre ein begrüßenswert konsequenter Schritt in die richtige Richtung.
Wie schnell können die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen wirken?
Allesamt sicherlich nicht von heute auf morgen. Aber die Verantwortlichen müssen sie heute in Angriff nehmen, damit sich die bereits Realität gewordene Wohnkrise mit ihren vieldimensionalen sozialen Brennpunkten in Zukunft nicht noch verschlimmert.
Zur Person: Michael Ost ist seit 2017 Vorstandschef der Deutsche Bank Bauspar AG. Der gelernte Banker startete seine Karriere 1991 bei der Deutschen Bank und verantwortete von 2013 bis 2016 das DB-Privatkundengeschäft in der Zentrale Frankfurt