"Das ist die Basis für alles Weitere. Darauf haben viele Investoren in Gesprächen mit uns über Wirecard immer wieder verwiesen." Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, die jahrelang die Bücher von Wirecard durchforstet hatte und nichts gemerkt hatte, äußerte sich in einem Kundenbrief ausführlich zu den Vorwürfen. "Auch wenn wir den Betrug erfolgreich enthüllt haben, bedauern wir, dass das nicht früher geschehen ist", schrieb EY-Chef Carmine Di Sibio.
Wirecard musste im Juni Insolvenz anmelden, nachdem bei einer Sonderprüfung durch den EY-Konkurrenten KPMG Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro entdeckt wurden. Die Aktien stürzten ab, private Investoren und Profianleger verloren Milliarden. Der Zahlungsabwickler aus dem Münchner Vorort Aschheim war zwei Jahre lang im deutschen Leitindex Dax gelistet und hatte dadurch weltweit Aufmerksamkeit.
Goldman-Sachs-Deutschlandchef Wolfgang Fink sieht bei Analysten, die Anlegern Wirecard-Aktien zum Kauf empfohlen haben, keine Schuld: "Natürlich verlassen sich Investoren und Marktteilnehmer auf das, was veröffentlicht wird, und dazu gibt es Wirtschaftsprüfer und Testate. Wenn die Information des Unternehmens grundsätzlich falsch ist und man hat aber Testate und Bilanzen, die die Richtigkeit bestätigen, wird es bei jedem Unternehmen schwierig sein, festzustellen, ob Betrug vorliegt oder etwas falsch lief."
Der EY-Chef wehrte sich in dem Brief gegen die Vorwürfe, bei der Prüfung versagt zu haben. Das "kriminelle Netz" sei darauf ausgelegt gewesen, die Akteure zu täuschen. So seien Belege wie Bankbestätigungen mit großem Aufwand gefälscht worden. Die Deutschland-Tochter von EY nahm ihre Mitarbeiter in Schutz: "Vor diesem Hintergrund weisen wir Anschuldigungen, welche bis zum Vorwurf der Mitwirkung reichen, entschieden zurück." Zahlreiche Anleger haben Schadensersatzklagen gegen EY angekündigt.
GRÜNE FORDERN MEHR SELBSTKRITIK VON BANKEN
Nach Ansicht von BdB-Präsident Peters braucht es strengere Regeln für die Wirtschaftsprüfer. "Es darf kein Stein auf dem anderen bleiben. Wenn die Prüfer - wie im Fall Wirecard - keinen Zugriff auf alle Daten und Dokumente bekommen, dürfen sie eine Bilanz auch nicht testieren." Die Banken wiederum sollten sich nicht nur auf das Urteil eines Dritten verlassen und selbst Nachforschungen anstellen.
Der Grünen-Politiker Danyal Bayaz erklärte, Banken müssten sich an die eigene Nase fassen. "Ein wenig mehr Selbstkritik in Sachen Wirecard würde auch der Bankenbranche gut tun." Es habe auch Banken gegeben, die trotz der Prüfberichte eine eigene, kritische Bewertung von Wirecard vorgenommen hätten. "Und dann gab es auf der anderen Seite Analysten bei Banken, die bis zuletzt die Wirecard-Aktie bis in den Himmel gelobt haben."
rtr