Walter Oberhänsli möchte eine Branche verändern, die keinen Wandel kennt. Mit den Arzneiversendern Zur Rose und DocMorris will der Schweizer das Internet in den Apothekenmarkt bringen. Der Rechtsanwalt plant, die "europäische Marktführerschaft im Arzneimittelversand forciert auszubauen", und brachte die Zur-Rose-Gruppe im Juli in Zürich an die Börse.

Unverändert dominieren hierzulande stationäre Apotheken den 45 Milliarden Euro schweren Markt für rezeptpflichtige Medikamente. Erst 1,3 Prozent aller ärztlich zu verordnenden Präparate werden online verkauft. Bei den 6,5 Milliarden Euro Umsatz mit frei erhältlichen Mitteln liegt die hiesige Internetquote bei 15 Prozent. Zur Rose ist auf dem Schweizer Heimatmarkt die führende Versandapotheke. DocMorris wiederum betreibt sein Geschäft von den Niederlanden aus und ist in Deutschland der bekannteste Onlinepharmazeut. Die Gruppe hat damit beste Ausgangsbedingungen, um von dem erwarteten Marktwachstum zu profitieren.

Beobachter gehen davon aus, dass der Onlinehandel auch vor dem stark regulierten Apothekengeschäft nicht Halt macht. In der Schweiz werden, auch dank dem elektronischen Rezept, bereits neun Prozent aller verschreibungspflichtigen Medikamente über das Internet verkauft. Für Deutschland wird erwartet, dass der E-Commerce-Anteil bis 2021 in beiden Medikamentengruppen um mindestens 14 Prozent pro Jahr wächst.

Oberhänsli vergleicht die Zur-Rose-Gruppe daher gerne mit Amazon, Zalando oder Nespresso. Allerdings hat der Manager mit deutlich weniger Schwächen des E-Commerce zu kämpfen als seine Vorbilder. Pillen und Tabletten kommen in kleinen Packungen und sind entsprechend günstig im Versand. Zudem werden DocMorris fast keine Präparate zurückgeschickt, während 94 Prozent aller Erstkäufer erneut ordern.

In Sachen Marktbearbeitung setzt Zur Rose seit dem Börsengang auf ein im Onlinehandel bewährtes Mittel: viel Werbung.

Von den beim IPO eingesammelten 203 Millionen Euro fließen mindestens 44 Millionen ins Marketing. "Wir legen mit einem deutlich erhöhten Marketing-Effort die Basis für nachhaltig profitables Wachstum", so Oberhänsli. Weil der hiesige Markt mehr als zehnmal so groß ist wie in der Schweiz, fokussieren die Eidgenossen ihre Anstrengungen dabei auf Deutschland. Im vergangenen Jahr stammte noch etwa die Hälfte der 773 Millionen Euro Einnahmen aus dem Heimatmarkt.



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Erst wachsen, dann verdienen



Um die Stellung der Gruppe auszubauen, geht dem Konzern Umsatz vor Rendite. In diesem Jahr wird der Gewinn dem Ausbau von Marktanteilen geopfert. 2018 will Oberhänsli dann beim Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) wieder schwarze Zahlen schreiben. Mittelfristiges Ziel ist eine Ebitda-Marge von vier bis fünf Prozent. Die Berenberg Bank schätzt, dass Zur Rose seine Einnahmen bis 2019 so aus eigener Kraft im Schnitt um rund 14 Prozent auf dann gut 1,1 Milliarden Euro steigert. Zusätzlich will Oberhänsli Zur Rose mit Übernahmen für 53 bis 70 Millionen Euro stärken. Ein erstes Kaufziel ist gefunden, aktuell läuft die Buchprüfung.

Wichtig für die steigende Internet-Penetration des Apothekenmarkts ist der Pillenpreis. DocMorris schätzt, dass die Topseller der rezeptfreien Medikamente im eigenen Shop im Schnitt 40 Prozent weniger kosten als in der Apotheke. Auch verschreibungspflichtige Mittel gibt es billiger. Vergangenen Oktober erklärte der Europäische Gerichtshof, dass für ausländische Versandapotheken das hiesige Festpreissystem nicht gilt. Das Urteil legalisierte die von DocMorris bereits zuvor gewährten Boni von bis zu fünf Euro.

Als Reaktion fordern der Apothekenverband und Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ein Versandverbot für rezeptpflichtige Medikamente. Der Vorstoß scheiterte bislang an der SPD, könnte nach der Bundestagswahl aber wiederbelebt werden. Allerdings meldeten schon beim ersten Versuch nicht nur der Koalitionspartner, sondern auch die Monopolkommission und das Justizministerium Widerstand an.

DocMorris macht mit verschreibungspflichtigen Arzneien gut 29 Prozent seines Geschäfts. Wie die Halbjahreszahlen zeigen, wächst der Absatz mit frei verkäuflichen Arzneien jedoch stärker. Während die Gruppe die Einnahmen um 7,2 Prozent auf 407,5 Millionen Euro verbesserte, legten in Deutschland rezeptfreie Mittel um 42,8 Prozent zu. Der operative Verlust lag planmäßig bei minus 10,1 Millionen Euro, während Oberhänsli im zweiten Halbjahr eine Beschleunigung des Wachstums erwartet.