„Investiere nie so, dass dein Lebensstil gefährdet ist“ – Aswath Damodaran über Aktien, Mag 7, Krypto und den wahren Sinn des Vermögensaufbaus.

Er gilt als „Dean of Valuation“, als Professor, Blogger und gefragter Kommentator von Wall Street bis YouTube: Aswath Damodaran, Lehrstuhlinhaber an der NYU Stern School of Business, ist seit Jahrzehnten die Referenz, wenn es um Unternehmensbewertung geht. Seine Modelle für Tesla, Apple oder die „Mag 7“ werden weltweit diskutiert. 

Doch wenn Damodaran ausnahmsweise nicht über Discounted Cashflows, sondern über sein eigenes Geld spricht, bekommt die Investmentwelt eine seltene Gelegenheit, zuzuhören. In der Podcast-Reihe „Show Us Your Portfolio“ gewährte er vor einigen Tagen Einblick in sein privates Portfolio – und verriet dabei die eine Regel, die ihn seit Jahrzehnten schützt.

Zielklarheit:„Tue nichts, das deinen Lebensstil gefährdet.“

„Das Endgame des Investierens ist, Vermögen zu bewahren und zu mehren. Nicht reich zu werden, nicht den Markt zu schlagen“, sagt Damodaran gleich zu Beginn des einstündigen Podcasts. Wer diesen Grundsatz missversteht, laufe Gefahr, falsche Risiken einzugehen.

Seine zentrale Regel lautet: „Tue nichts, das deinen Lebensstil gefährdet.“ Deshalb geht er nie mit mehr als fünf Prozent seines Portfolios in eine einzelne Aktie hinein. Kommt eine Position über 15 Prozent – bei Ausreißern wie Nvidia auch bis 20 Prozent – beginnt er, konsequent zu verkaufen. Auch wenn das bedeutet, Gewinne zu kappen: „Regret ist ein gefährliches Gift im Investieren. Man muss sich disziplinieren.“

Damit grenzt er sich klar ab von Investoren-Ikonen wie Charlie Munger, der ein Drittel von Berkshire Hathaways Portfolio in Apple gebilligt hatte. Für Damodaran ist das verantwortungslos: „Egal, wie großartig ein Unternehmen ist – die Regeln dürfen nicht für Einzelfälle gebogen werden.“

Keine Anleihen, dafür Lebenszyklus-Diversifikation

Der 66-Jährige hat eine klare Meinung zum 60/40-Portfolio, das für viele Vermögensverwalter Standard ist. Bonds sind für ihn „langweilig“ und bestenfalls sinnvoll, wenn ein Investor laufend Liquidität aus seinem Depot ziehen muss. Da er als Professor mit Tenure regelmäßige, planbare Einkünfte hat, brauche er diese Cashflows nicht. 

„Warum sollte ich 6 Prozent Kupon akzeptieren, davon 2 Prozent Steuern zahlen und mit 4 Prozent übrigbleiben?“ Seine Antwort: Er setzt auf Aktien – und zwar nicht nur sektorübergreifend, sondern auch über die Lebenszyklen hinweg.

Damodaran hält rund 40 Titel im Depot, vom jungen Wachstumswert bis zum reifen Zykliker, von Tesla bis Intel. „Märkte belohnen in verschiedenen Phasen unterschiedliche Teile des Lebenszyklus. Wer nur auf stabile Dividendenwerte setzt, schließt Technologie per Definition aus – und riskiert damit eine gefährliche Einseitigkeit.“

Kauf- und Verkaufsdisziplin: Intrinsic Value statt Storytelling

Damodaran kauft selten – drei bis fünf Aktien im Jahr – und verkauft noch seltener. Sein Kriterium: der innere Wert. Wenn ein Unternehmen deutlich unter der von ihm errechneten Spanne liegt, steigt er ein; wird es deutlich überbewertet, steigt er wieder aus. Dabei arbeitet er nicht mit Punktwerten, sondern mit Wahrscheinlichkeitsverteilungen. „Discounted Cash Flow (DCF) ist kein Excel-Spiel. Es ist das Nachdenken über Szenarien. Eine faire Bewertung ist immer ein Spektrum, nicht ein fester Dollarbetrag.“

So griff er bei Meta zu, als die Aktie nach der Metaverse-Krise weit unter ihren Werbekapitalfluss notierte. „Ich sah ein Unternehmen, das für weniger als fünf Jahre Werbegewinne zu haben war – eine Buffett-Situation wie American Express nach dem Saladoil-Skandal.“

Die Mag 7 und das neue Zeitalter der Konzentration

Natürlich wird der Valuations-Professor auch auf die Marktverengung durch die „Mag 7“ angesprochen. Seine Analyse: gefährlich – aber erklärbar. „Wenn einer dieser sieben Giganten ins Straucheln gerät, kann das kein anderer Marktteilnehmer kompensieren.“ Zugleich sieht er die Konzentration nicht nur als Börsenphänomen, sondern als Spiegel einer tektonischen ökonomischen Verschiebung:

„Technologie fördert Sektor-Monopole. Im Advertising dominieren heute zwei Player, Google und Meta. Im Ride-Sharing zwei, Uber und Lyft. Es ist ökonomisch erklärbar, dass die großen Gewinner immer größer werden. Das unterscheidet sie fundamental von den Monopolisten des frühen 20. Jahrhunderts.“

Für Regulierer eine unbequeme Botschaft: Klassische Antitrust-Maßnahmen greifen kaum – denn die Konsumenten profitieren von günstigen Services. „Wer Amazon Prime verbieten will, muss Kunden erklären, warum sie plötzlich mehr bezahlen und weniger bekommen sollen.“

Alternative Anlagen? Nur mit Vorsicht

Auch bei Gold, Krypto und Private Equity bleibt Damodaran nüchtern. Gold sei psychologisch nachvollziehbar, aber nicht investierbar. Krypto bezeichnet er als „kollektibles Gut ohne Cashflows“ – mit allen Risiken einer Modeerscheinung. „16 Jahre sind nichts im Vergleich zu 4.000 Jahren Gold. Und wenn jemand den ‚Bitcoin-Alchemisten‘ erfindet, droht der Nachfragekollaps.“

Alternative Anlagen sieht er vor allem dann kritisch, wenn sie zu stark institutionell werden. „Real Estate war einst ein stabiler Inflationsschutz. Mit der Verbriefung ist es ein Asset wie alle anderen geworden. Wenn alle Pensionsfonds in Bitcoin drängen, wird auch Krypto seine Korrelation verlieren.“

Leben jenseits des Marktes

Wer Damodaran zuhört, merkt schnell: Er lebt nicht für die Börse. Er fährt einen alten Honda Civic, überlegt den Kauf eines Prius, und gibt Geld am liebsten für Zeit mit seiner Großfamilie aus. „Ich miete für Weihnachten zwei große Häuser, damit sich alle Kinder und Enkel wohlfühlen. Das kostet ein Vermögen – aber das ist es wert.“

Sein Rat an junge Investoren ist entwaffnend einfach: „Verbringt mehr Zeit damit, gut in eurem Job zu sein. Dort verdient ihr das Kapital, das ihr investieren könnt. Portfolio-Checking in der Mittagspause bringt euch nicht weiter.“

Im kommenden Jahr nimmt er ein Sabbatical, um seine Enkelin großzuziehen. „Das Gesündeste, was man tun kann, ist Abstand von Märkten. Meine besten Ideen kamen bei 15-Meilen-Wanderungen am Lake Tahoe.“

Es gibt kaum jemanden, der seit Jahrzehnten so analytisch über Bewertungen schreibt und zugleich so gelassen über sein eigenes Portfolio spricht. Die eine Regel, die Damodaran über alles stellt, klingt banal – ist aber für viele Privatanleger schwerer einzuhalten als jedes komplizierte Modell: Setze nie deine Lebensqualität aufs Spiel.

Übrigens: Einmal kaufen, liegen lassen und nie mehr verkaufen – laut Börsenguru André Kostolany eine ideale Strategie, um mit Aktien zu Reichtum zu gelangen. 30 Evergreen-Aktien hat die Redaktion von BÖRSE ONLINE im "Aktien für die Ewigkeit"-Index zusammengefasst.

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