0,75 Prozentpunkte, 1,0 Prozentpunkte – wer bietet mehr? Die Fed steht vor der nächsten Leitzins-Erhöhung. Denn nach den jüngsten Daten zur Inflation im August stehen die Zentralbanken unter Druck, ihre Leitzinsen weiter zu erhöhen. Von Gregor Dolak
Die Geldentwertung geht weiter – 8,3 Prozent in den USA, 7,9 Prozent in Deutschland, geschätzt 9,1 Prozent im Euroraum – die Konsumlaune der Verbraucher sinkt, eine Rezession droht. Vor allem die Federal Reserve könnte kommende Woche noch mal kräftig zulangen.
Als erste Finanzfirma an der Wall Street prognostiziert Nomura Securities eine Erhöhung der Fed in der kommenden Woche um einen ganzen Prozentpunkt. „Wir glauben weiterhin, dass die Märkte unterschätzen, wie hartnäckig die US-Inflation sich festgesetzt hat und wie stark die erforderliche Antwort der Fed sein muss“, heißt es in einem Report für Kunden der japanischen Finanzholding.
Die Experten der Bank of America erwarten für die nächste Sitzung des Open Market Committee der Fed am 20./21. September eine Zinserhöhung um 0,75 Prozentpunkte. Auch die Investmentbank Goldman Sachs, die Barclays-Bank und der Rentenversicherer MissionSquare rechnen mit einer Erhöhung in dieser Höhe.
Ein Analyst des Finanzdienstleisters Bankrate erklärt, die hohe Inflationsrate „impliziert, dass die Fed aggressiv bleiben muss“. Der Leitzins werde sich „sehr wahrscheinlich substanziell erhöhen“. Analysten der ING rechnen bis Jahresende sogar mit einem Leitzins von 4,0 Prozent. Die „Breite und Hartnäckigkeit des Inflationsdrucks“ führe dazu.
Powells bisherige Einschätzung: 3 bis 3,5 Prozent
Fed-Chef Jerome Powell hatte Ende August zwischen 3 und 3,5 Prozent bis Jahresende Leitzins als „moderat restriktives Niveau“ bezeichnet. Momentan liegt der Zinssatz in den USA zwischen 2,25 und 2,5 Prozent. Die Europäische Zentralbank hatte den Zins Anfang September angesichts der steigenden Inflation in einem historisch starken Schritt auf 1,25 Prozent erhöht.
In Deutschland streiten die Experten unterdessen, wie effektiv die Zentralbanken überhaupt ins aktuelle Preisgeschehen eingreifen können. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, glaubt, dass das Instrumentarium der Europäischen Zentralbank nicht ausreicht, um schon bald sinkende Inflationsraten herbeizuführen. Der US-Ökonom Larry Summers erklärt, mit der Wirksamkeit der Zinsschritte sei es wie in einem „alten Hotel“ – wenn man beim Duschen an den Wasserhähnen drehe, ändere sich die Wassertemperatur erst mit Verzögerung.