Wer dieses Jahr mit Börseninvestments negative Kapitaleinkünfte erzielt, sollte bei den Verrechnungsmöglichkeiten mit Gewinnen folgende fünf Details berücksichtigen. Von Stefan Rullkötter
1. Verlustbescheinigung
Wer Wertpapierdepots bei mehreren Geldinstituten hat und für 2022 realisierte Verluste aus Aktienverkäufen mit anderweitigen Aktiengewinnen bankübergreifend verrechnen will, muss eine Verlustbescheinigung vorlegen, die bis zum 15.12.2022 zu beantragen ist. Gleiches gilt, wenn Zusammenveranlagte realisierte Verluste depotübergreifend verrechnen wollen.
2. Direkte Verlustverrechnung via Veranlagung
Die bisher nicht mögliche „ehegattenübergreifende“ Verlustverrechnung direkt über die Steuererklärung soll noch dieses Jahr ermöglicht werden. Hintergrund: Der Bundesfinanzhof hatte entschieden, dass nicht ausgeglichene Verluste eines Ehegatten aus Kapitalvermögen im Rahmen einer Veranlagung der Kapitalerträge zum gesonderten Tarif im Sinne des Paragraf 32d Absatz 1 Einkommensteuergesetz mangels Rechtsgrundlage nicht ehegattenübergreifend mit positiven Kapitalerträgen des anderen Ehegatten verrechnet werden können (Urteil vom 23.11.2021, Az.VIII R 22/18). Das Jahressteuergesetz, das der Bundesrat am 16. Dezember final absegnen muss, soll nun eine ehegattenübergreifende Verlustverrechnung in der Veranlagung gesetzlich ermöglichen – sogar rückwirkend ab diesem Veranlagungsjahr mit der Einkommensteuererklärung für 2022.
3. Mit Aktien im Minus
Realisierte Kursverluste mit Aktien sind bisher nur mit Gewinnen aus anderweitigen Aktienverkäufen verrechenbar, nicht mit realisierten Kursgewinnen aus Fonds und Anleihen sowie mit Zinserträgen und Dividenden. Wer Aktienverluste aus 2022 mit anderen Kapitaleinkünften verrechnen will, könnte von einem beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Musterverfahren (Az. 2 BvL 3/21) profitieren. Alle Bescheide ab 2009 ergehen zur Frage, ob die Verlustverrechnungsbeschränkung verfassungsgemäß ist, nur vorläufig.
Wie es zu dem Musterverfahren beim Bundesverfassungsgericht kam: Steuerexperte Christian Fischler im Interview
4. Vorläufigkeitsvermerk im Steuerbescheid
Die Finanzverwaltung hat im Frühjahr 2022 auf ein Verfahren zur „konkreten Normenkontrolle“, das auf Initiative des Bundesfinanzhofs beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist (Az. 2 BvL 3/21), reagiert: Sämtliche Einkommensteuerbescheide sollen zu der Frage, ob die Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungsverluste verfassungsgemäß ist, ab dem Veranlagungsjahr 2009 nur noch vorläufig ergehen. Die Anweisung geht aus einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums hervor, mit dem der bisherige Vorläufigkeitskatalog entsprechend ergänzt wird (Gz. IV A3-S0338/ 19/10006:001). „Voraussetzung für eine Verrechnung ist aber auch hier, dass bei der Depotbank bis zum 15.Dezember 2022 eine Verlustbescheinigung beantragt wird“, sagt Steuerberater Anton-Rudolf Götzenberger aus Halfing bei Rosenheim. „Denn ein Einspruch gegen Steuerbescheide der Jahre 2020 oder 2021 nutzt nichts, wenn die Verluste gar nicht geltend gemacht wurden und betroffene Anleger insoweit gar nicht beschwert sind.“ Nur wenn eine Verlustbescheinigung vorliegt , verrechnen die Depotbanken als „Zahlstellen des Fiskus“ die attestierten Miese im Folgejahr nicht mehr mit Gewinnen.
5. Totalverluste mit Wertpapieren
Derartige Miese sind nur bis zu 20 000 Euro jährlich mit realisierten Kursgewinnen verrechenbar. Nicht berücksichtige Miese sind auf Folge- jahre vortragbar. Auch Verluste aus Termingeschäften, CFDs, Swaps, Forwards, Futures und Devisendeals sind nur bis zu dieser Höhe verrechenbar. Ausgenommen sind Zertifikate und Optionsscheine.